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Goethe, Johann Wolfgang von: West-östlicher Divan. Stuttgart, 1819.

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Saadi.

Stirbt 1291, alt 102 Jahre.


Gebürtig von Schiras, studirt er zu Bag-
dad, wird als Jüngling durch Liebesunglück
zum unstäten Leben eines Derwisch be-
stimmt. Wallfahrtet funfzehnmal nach Mek-
ka, gelangt auf seinen Wanderungen nach
Indien und Klein-Asien, ja als Gefangener
der Kreuzfahrer in's Westland. Er über-
steht wundersame Abentheuer, erwirbt aber
schöne Länder- und Menschenkenntniss.
Nach dreyssig Jahren zieht er sich zurück,
bearbeitet seine Werke, und macht sie be-
kannt. Er lebt und webt in einer grossen
Erfahrungsbreite und ist reich an Anecdo-
ten, die er mit Sprüchen und Versen aus-
schmückt. Leser und Hörer zu unterrich-
ten ist sein entschiedener Zweck.

Sehr eingezogen in Schiras erlebt er
das hundert und zweyte Jahr und wird da-
selbst begraben. Dschenschis Nachkommen
hatten Iran zum eignen Reiche gebildet, in
welchem sich ruhig wohnen liess.


Saadi.

Stirbt 1291, alt 102 Jahre.


Gebürtig von Schiras, studirt er zu Bag-
dad, wird als Jüngling durch Liebesunglück
zum unstäten Leben eines Derwisch be-
stimmt. Wallfahrtet funfzehnmal nach Mek-
ka, gelangt auf seinen Wanderungen nach
Indien und Klein-Asien, ja als Gefangener
der Kreuzfahrer in’s Westland. Er über-
steht wundersame Abentheuer, erwirbt aber
schöne Länder- und Menschenkenntniſs.
Nach dreyſsig Jahren zieht er sich zurück,
bearbeitet seine Werke, und macht sie be-
kannt. Er lebt und webt in einer groſsen
Erfahrungsbreite und ist reich an Anecdo-
ten, die er mit Sprüchen und Versen aus-
schmückt. Leser und Hörer zu unterrich-
ten ist sein entschiedener Zweck.

Sehr eingezogen in Schiras erlebt er
das hundert und zweyte Jahr und wird da-
selbst begraben. Dschenschis Nachkommen
hatten Iran zum eignen Reiche gebildet, in
welchem sich ruhig wohnen lieſs.


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[313/0323] Saadi. Stirbt 1291, alt 102 Jahre. Gebürtig von Schiras, studirt er zu Bag- dad, wird als Jüngling durch Liebesunglück zum unstäten Leben eines Derwisch be- stimmt. Wallfahrtet funfzehnmal nach Mek- ka, gelangt auf seinen Wanderungen nach Indien und Klein-Asien, ja als Gefangener der Kreuzfahrer in’s Westland. Er über- steht wundersame Abentheuer, erwirbt aber schöne Länder- und Menschenkenntniſs. Nach dreyſsig Jahren zieht er sich zurück, bearbeitet seine Werke, und macht sie be- kannt. Er lebt und webt in einer groſsen Erfahrungsbreite und ist reich an Anecdo- ten, die er mit Sprüchen und Versen aus- schmückt. Leser und Hörer zu unterrich- ten ist sein entschiedener Zweck. Sehr eingezogen in Schiras erlebt er das hundert und zweyte Jahr und wird da- selbst begraben. Dschenschis Nachkommen hatten Iran zum eignen Reiche gebildet, in welchem sich ruhig wohnen lieſs.

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: West-östlicher Divan. Stuttgart, 1819, S. 313. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_divan_1819/323>, abgerufen am 23.11.2024.