Goethe, Johann Wolfgang von: West-östlicher Divan. Stuttgart, 1819.Weisheitsbaum an Baum cypresseragend Heben Aepfel goldner Zierd empor, Lebensbäume breite Schatten schlagend Decken Blumensitz und Kräuter-Flor. Und nun bringt ein süsser Wind von Osten Hergeführt die Himmels-Mädchen-Schaar; Mit den Augen fängst du an zu kosten, Schon der Anblick sättigt ganz und gar. Forschend stehn sie was du unternahmest? Grosse Plane? fährlich blutigen Straus? Dass du Held seyst sehn sie, weil du kamest; Welch ein Held du seyst? sie forschen's aus. Und sie sehn es bald an deinen Wunden, Die sich selbst ein Ehrendenkmal schreibt. Glück und Hoheit alles ist verschwunden, Nur die Wunde für den Glauben bleibt. Führen zu Chiosken dich und Lauben, äulenreich von buntem Lichtgestein, Und zum edlen Saft verklärter Trauben Laden sie mit Nippen freundlich ein. Weisheitsbaum an Baum cypresseragend Heben Aepfel goldner Zierd empor, Lebensbäume breite Schatten schlagend Decken Blumensitz und Kräuter-Flor. Und nun bringt ein süſser Wind von Osten Hergeführt die Himmels-Mädchen-Schaar; Mit den Augen fängst du an zu kosten, Schon der Anblick sättigt ganz und gar. Forschend stehn sie was du unternahmest? Groſse Plane? fährlich blutigen Straus? Daſs du Held seyst sehn sie, weil du kamest; Welch ein Held du seyst? sie forschen’s aus. Und sie sehn es bald an deinen Wunden, Die sich selbst ein Ehrendenkmal schreibt. Glück und Hoheit alles ist verschwunden, Nur die Wunde für den Glauben bleibt. Führen zu Chiosken dich und Lauben, äulenreich von buntem Lichtgestein, Und zum edlen Saft verklärter Trauben Laden sie mit Nippen freundlich ein. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0236" n="226"/> <lg n="4"> <l>Weisheitsbaum an Baum cypresseragend</l><lb/> <l>Heben Aepfel goldner Zierd empor,</l><lb/> <l>Lebensbäume breite Schatten schlagend</l><lb/> <l>Decken Blumensitz und Kräuter-Flor.</l> </lg><lb/> <lg n="5"> <l>Und nun bringt ein süſser Wind von Osten</l><lb/> <l>Hergeführt die Himmels-Mädchen-Schaar;</l><lb/> <l>Mit den Augen fängst du an zu kosten,</l><lb/> <l>Schon der Anblick sättigt ganz und gar.</l> </lg><lb/> <lg n="6"> <l>Forschend stehn sie was du unternahmest?</l><lb/> <l>Groſse Plane? fährlich blutigen Straus?</l><lb/> <l>Daſs du Held seyst sehn sie, weil du kamest;</l><lb/> <l>Welch ein Held du seyst? sie forschen’s aus.</l> </lg><lb/> <lg n="7"> <l>Und sie sehn es bald an deinen Wunden,</l><lb/> <l>Die sich selbst ein Ehrendenkmal schreibt.</l><lb/> <l>Glück und Hoheit alles ist verschwunden,</l><lb/> <l>Nur die Wunde für den Glauben bleibt.</l> </lg><lb/> <lg n="8"> <l>Führen zu Chiosken dich und Lauben,</l><lb/> <l>äulenreich von buntem Lichtgestein,</l><lb/> <l>Und zum edlen Saft verklärter Trauben</l><lb/> <l>Laden sie mit Nippen freundlich ein.</l> </lg><lb/> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [226/0236]
Weisheitsbaum an Baum cypresseragend
Heben Aepfel goldner Zierd empor,
Lebensbäume breite Schatten schlagend
Decken Blumensitz und Kräuter-Flor.
Und nun bringt ein süſser Wind von Osten
Hergeführt die Himmels-Mädchen-Schaar;
Mit den Augen fängst du an zu kosten,
Schon der Anblick sättigt ganz und gar.
Forschend stehn sie was du unternahmest?
Groſse Plane? fährlich blutigen Straus?
Daſs du Held seyst sehn sie, weil du kamest;
Welch ein Held du seyst? sie forschen’s aus.
Und sie sehn es bald an deinen Wunden,
Die sich selbst ein Ehrendenkmal schreibt.
Glück und Hoheit alles ist verschwunden,
Nur die Wunde für den Glauben bleibt.
Führen zu Chiosken dich und Lauben,
äulenreich von buntem Lichtgestein,
Und zum edlen Saft verklärter Trauben
Laden sie mit Nippen freundlich ein.
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Zitationshilfe: | Goethe, Johann Wolfgang von: West-östlicher Divan. Stuttgart, 1819, S. 226. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_divan_1819/236>, abgerufen am 23.07.2024. |