Goethe, Johann Wolfgang von: West-östlicher Divan. Stuttgart, 1819.Suleika. Ach! um deine feuchten Schwingen, West, wie sehr ich dich beneide: Denn du kannst ihm Kunde bringen Was ich in der Trennung leide. Die Bewegung deiner Flügel Weckt im Busen stilles Sehnen, Blumen, Augen, Wald und Hügel Stehn bey deinem Hauch in Thränen. Doch dein mildes sanftes Wehen Kühlt die wunden Augenlieder; Ach für Leid müsst' ich vergehen, Hofft' ich nicht zu sehn ihn wieder. Eile denn zu meinem Lieben, Spreche sanft zu seinem Herzen; Doch vermeid' ihn zu betrüben Und verbirg ihm meine Schmerzen. Suleika. Ach! um deine feuchten Schwingen, West, wie sehr ich dich beneide: Denn du kannst ihm Kunde bringen Was ich in der Trennung leide. Die Bewegung deiner Flügel Weckt im Busen stilles Sehnen, Blumen, Augen, Wald und Hügel Stehn bey deinem Hauch in Thränen. Doch dein mildes sanftes Wehen Kühlt die wunden Augenlieder; Ach für Leid müſst’ ich vergehen, Hofft’ ich nicht zu sehn ihn wieder. Eile denn zu meinem Lieben, Spreche sanft zu seinem Herzen; Doch vermeid’ ihn zu betrüben Und verbirg ihm meine Schmerzen. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0176" n="166"/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b"> <hi rendition="#i"><hi rendition="#g">Suleika</hi>.</hi> </hi> </head><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Ach! um deine feuchten Schwingen,</l><lb/> <l>West, wie sehr ich dich beneide:</l><lb/> <l>Denn du kannst ihm Kunde bringen</l><lb/> <l>Was ich in der Trennung leide.</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Die Bewegung deiner Flügel</l><lb/> <l>Weckt im Busen stilles Sehnen,</l><lb/> <l>Blumen, Augen, Wald und Hügel</l><lb/> <l>Stehn bey deinem Hauch in Thränen.</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Doch dein mildes sanftes Wehen</l><lb/> <l>Kühlt die wunden Augenlieder;</l><lb/> <l>Ach für Leid müſst’ ich vergehen,</l><lb/> <l>Hofft’ ich nicht zu sehn ihn wieder.</l> </lg><lb/> <lg n="4"> <l>Eile denn zu meinem Lieben,</l><lb/> <l>Spreche sanft zu seinem Herzen;</l><lb/> <l>Doch vermeid’ ihn zu betrüben</l><lb/> <l>Und verbirg ihm meine Schmerzen.</l> </lg><lb/> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [166/0176]
Suleika.
Ach! um deine feuchten Schwingen,
West, wie sehr ich dich beneide:
Denn du kannst ihm Kunde bringen
Was ich in der Trennung leide.
Die Bewegung deiner Flügel
Weckt im Busen stilles Sehnen,
Blumen, Augen, Wald und Hügel
Stehn bey deinem Hauch in Thränen.
Doch dein mildes sanftes Wehen
Kühlt die wunden Augenlieder;
Ach für Leid müſst’ ich vergehen,
Hofft’ ich nicht zu sehn ihn wieder.
Eile denn zu meinem Lieben,
Spreche sanft zu seinem Herzen;
Doch vermeid’ ihn zu betrüben
Und verbirg ihm meine Schmerzen.
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