[Görres, Joseph:] [Rezension zu:] Des Knaben Wunderhorn. Alte deutsche Lieder gesammelt von L. A. v. Arnim u. C. Brentano. In: Heidelbergische Jahrbücher der Literatur, Fünfte Abtheilung. Philologie, Historie, schöne Literatur und Kunst, Jg. 2 (1809), Bd. 1, Heft 5, S. 222‒237 und Jg. 3 (1810), Bd. 2, Heft 9, S. 30‒52.Jst Hader und Zwietracht einmal erst geschlichtet, dann treten Geselligkeit und alle Friedenskünste in ihr Recht, es ordnet im Jnnern sich die Gesellschaft; darin will jeder sich versuchen, wozu Lust und innerer Beruf ihn treibt, und jede Schaar, in die sich die Masse geschieden hat, tritt in eignen Accorden in den Chor; denn in dem poetischen Staate, worin wir uns hier befinden, ist kein Mitglied stumm geblieben; wie in dem Regenbogen jeder fallende Tropfen in Farben glüht, so ist jede Stimme hier Gesang. Zu Berge fahren die Hirten, und von den Höhen rinnen die Schäferlieder. Melancholisch zieht Lelio in der wüsten Heide durch die Mancha; die kluge Schäferin heißt den König aus der Sonne gehen; zwey Tonnen Goldes und einen Perlenstrauß nimmt im wundersamen Liedlein, wie im Schlafe zusammengeträumt, der Edelmann nicht darum, daß der stolze Schäfer ihm nicht den Hut gezogen; trallernd aber zieht die Hirtin mit dem Ringelein an Neckars Ufer; des Schäferlebens Zierlichkeit feyert die Schallmey und Schäfers Tageszeiten; und hoch in den Lüften kugeln die Engel, horchend dem Weyhnachtsliede, haufenweise vom Himmel herab. Dort ziehen die Jäger, fröhliche Gesellen, in den Wald; die grüne Nacht aber hat eigene Gespenster, und ein seltsam unheimlich Wesen; und es zieht das Grauen durch das verwachsene Dickicht, und dringt in gebrochenen fremden Tönen durch. Da zieht der Jäger, mit drey Federn auf grünem Hut, wie ein langer grauer Brockenschatten, bey Mondenschein über Berg und tiefe Straße; aus grünem Strauch springt die schwarzbraune Hexe ins dunkle Grab; seltsame Wirthschaft treibt die Mißheirath beym Katerbraten; der ernsthafte Jäger tauscht das schneeweise Häublein um den grünen Kranz; Tod bringt der schwarze Todtenvogel Jener, weil sie nicht vertraut. Aber außen jagt der Jäger wohlgemuth in frischem freyem Muth; Jagdglück führt ihm Edelwildpret zu, den seltenen Kuckuck hat der Andere im Busch getroffen; in nächtlicher Jagd hat jener viele Liederweisen aufgetrieben, und in seiner Jst Hader und Zwietracht einmal erst geschlichtet, dann treten Geselligkeit und alle Friedenskuͤnste in ihr Recht, es ordnet im Jnnern sich die Gesellschaft; darin will jeder sich versuchen, wozu Lust und innerer Beruf ihn treibt, und jede Schaar, in die sich die Masse geschieden hat, tritt in eignen Accorden in den Chor; denn in dem poetischen Staate, worin wir uns hier befinden, ist kein Mitglied stumm geblieben; wie in dem Regenbogen jeder fallende Tropfen in Farben gluͤht, so ist jede Stimme hier Gesang. Zu Berge fahren die Hirten, und von den Hoͤhen rinnen die Schaͤferlieder. Melancholisch zieht Lelio in der wuͤsten Heide durch die Mancha; die kluge Schaͤferin heißt den Koͤnig aus der Sonne gehen; zwey Tonnen Goldes und einen Perlenstrauß nimmt im wundersamen Liedlein, wie im Schlafe zusammengetraͤumt, der Edelmann nicht darum, daß der stolze Schaͤfer ihm nicht den Hut gezogen; trallernd aber zieht die Hirtin mit dem Ringelein an Neckars Ufer; des Schaͤferlebens Zierlichkeit feyert die Schallmey und Schaͤfers Tageszeiten; und hoch in den Luͤften kugeln die Engel, horchend dem Weyhnachtsliede, haufenweise vom Himmel herab. Dort ziehen die Jaͤger, froͤhliche Gesellen, in den Wald; die gruͤne Nacht aber hat eigene Gespenster, und ein seltsam unheimlich Wesen; und es zieht das Grauen durch das verwachsene Dickicht, und dringt in gebrochenen fremden Toͤnen durch. Da zieht der Jaͤger, mit drey Federn auf gruͤnem Hut, wie ein langer grauer Brockenschatten, bey Mondenschein uͤber Berg und tiefe Straße; aus gruͤnem Strauch springt die schwarzbraune Hexe ins dunkle Grab; seltsame Wirthschaft treibt die Mißheirath beym Katerbraten; der ernsthafte Jaͤger tauscht das schneeweise Haͤublein um den gruͤnen Kranz; Tod bringt der schwarze Todtenvogel Jener, weil sie nicht vertraut. Aber außen jagt der Jaͤger wohlgemuth in frischem freyem Muth; Jagdgluͤck fuͤhrt ihm Edelwildpret zu, den seltenen Kuckuck hat der Andere im Busch getroffen; in naͤchtlicher Jagd hat jener viele Liederweisen aufgetrieben, und in seiner <TEI> <text> <body> <div> <pb facs="#f0022" n="34"/> <p>Jst Hader und Zwietracht einmal erst geschlichtet, dann treten Geselligkeit und alle Friedenskuͤnste in ihr Recht, es ordnet im Jnnern sich die Gesellschaft; darin will jeder sich versuchen, wozu Lust und innerer Beruf ihn treibt, und jede Schaar, in die sich die Masse geschieden hat, tritt in eignen Accorden in den Chor; denn in dem poetischen Staate, worin wir uns hier befinden, ist kein Mitglied stumm geblieben; wie in dem Regenbogen jeder fallende Tropfen in Farben gluͤht, so ist jede Stimme hier Gesang. Zu Berge fahren die Hirten, und von den Hoͤhen rinnen die Schaͤferlieder. 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Jst Hader und Zwietracht einmal erst geschlichtet, dann treten Geselligkeit und alle Friedenskuͤnste in ihr Recht, es ordnet im Jnnern sich die Gesellschaft; darin will jeder sich versuchen, wozu Lust und innerer Beruf ihn treibt, und jede Schaar, in die sich die Masse geschieden hat, tritt in eignen Accorden in den Chor; denn in dem poetischen Staate, worin wir uns hier befinden, ist kein Mitglied stumm geblieben; wie in dem Regenbogen jeder fallende Tropfen in Farben gluͤht, so ist jede Stimme hier Gesang. Zu Berge fahren die Hirten, und von den Hoͤhen rinnen die Schaͤferlieder. Melancholisch zieht Lelio in der wuͤsten Heide durch die Mancha; die kluge Schaͤferin heißt den Koͤnig aus der Sonne gehen; zwey Tonnen Goldes und einen Perlenstrauß nimmt im wundersamen Liedlein, wie im Schlafe zusammengetraͤumt, der Edelmann nicht darum, daß der stolze Schaͤfer ihm nicht den Hut gezogen; trallernd aber zieht die Hirtin mit dem Ringelein an Neckars Ufer; des Schaͤferlebens Zierlichkeit feyert die Schallmey und Schaͤfers Tageszeiten; und hoch in den Luͤften kugeln die Engel, horchend dem Weyhnachtsliede, haufenweise vom Himmel herab. Dort ziehen die Jaͤger, froͤhliche Gesellen, in den Wald; die gruͤne Nacht aber hat eigene Gespenster, und ein seltsam unheimlich Wesen; und es zieht das Grauen durch das verwachsene Dickicht, und dringt in gebrochenen fremden Toͤnen durch. Da zieht der Jaͤger, mit drey Federn auf gruͤnem Hut, wie ein langer grauer Brockenschatten, bey Mondenschein uͤber Berg und tiefe Straße; aus gruͤnem Strauch springt die schwarzbraune Hexe ins dunkle Grab; seltsame Wirthschaft treibt die Mißheirath beym Katerbraten; der ernsthafte Jaͤger tauscht das schneeweise Haͤublein um den gruͤnen Kranz; Tod bringt der schwarze Todtenvogel Jener, weil sie nicht vertraut. Aber außen jagt der Jaͤger wohlgemuth in frischem freyem Muth; Jagdgluͤck fuͤhrt ihm Edelwildpret zu, den seltenen Kuckuck hat der Andere im Busch getroffen; in naͤchtlicher Jagd hat jener viele Liederweisen aufgetrieben, und in seiner
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