Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Görres, Joseph: Die teutschen Volksbücher. Heidelberg, 1807.

Bild:
<< vorherige Seite

das in seinen Flotten auch ein Wünschhütlein besitzt,
durch das die ganze Welt ihm zugänglich wird, und
mit ihm dem unerschöpflichen Seckel, aus dem es immer-
fort nur schöpft, und Silberströme gießt. Das schwere
Gold, -- das immer in die Tiefe strebt und zieht, und
in dem eine unendliche Trägheit wohnt, und durch In-
fusion in den übergeht, der sich ihm ergiebt, -- hat die
Poesie hier beflügelt, indem sie dem Metallkönig den
leicht beschwingten, hebenden Federhut aufsetzt, und
nun fliegt der neue Hermes leicht schwebend über Län-
der und Völker hin, und wenn er den Stab schüttelt,
dann umwinden die beiden Schlangen sich grimmig
eng und fest, und unmuthig werfen sie die goldnen Kro-
nen ab, und indem sie sich jedesmal von neuem häuten,
wächst der goldne Schmuck ihnen immer wieder zu,
unten aber fällt das Metall wie eine astralische Lehens-
tinctur hinab, und die müden, matten, schmachtenden
Herzen werden davon erquickt, und Lust und Freuden
schießen überall in die Höhe, und die Menschen stellen
sich in das fallende Tropfen wie in den Mayregen hin,
um zu wachsen in Ansehen und Vermögen, und den
herrlichen Balsam recht durch alle Poren einzusaugen.
Am Ende aber erwürgen sie die Schlangen, um den
Eyerstock zu allem dem Golde mit einemmal zu fin-
den, und die ganze Glorie und das wonnenvolle Leben

das in ſeinen Flotten auch ein Wünſchhütlein beſitzt,
durch das die ganze Welt ihm zugänglich wird, und
mit ihm dem unerſchöpflichen Seckel, aus dem es immer-
fort nur ſchöpft, und Silberſtröme gießt. Das ſchwere
Gold, — das immer in die Tiefe ſtrebt und zieht, und
in dem eine unendliche Trägheit wohnt, und durch In-
fuſion in den übergeht, der ſich ihm ergiebt, — hat die
Poeſie hier beflügelt, indem ſie dem Metallkönig den
leicht beſchwingten, hebenden Federhut aufſetzt, und
nun fliegt der neue Hermes leicht ſchwebend über Län-
der und Völker hin, und wenn er den Stab ſchüttelt,
dann umwinden die beiden Schlangen ſich grimmig
eng und feſt, und unmuthig werfen ſie die goldnen Kro-
nen ab, und indem ſie ſich jedesmal von neuem häuten,
wächſt der goldne Schmuck ihnen immer wieder zu,
unten aber fällt das Metall wie eine aſtraliſche Lehens-
tinctur hinab, und die müden, matten, ſchmachtenden
Herzen werden davon erquickt, und Luſt und Freuden
ſchießen überall in die Höhe, und die Menſchen ſtellen
ſich in das fallende Tropfen wie in den Mayregen hin,
um zu wachſen in Anſehen und Vermögen, und den
herrlichen Balſam recht durch alle Poren einzuſaugen.
Am Ende aber erwürgen ſie die Schlangen, um den
Eyerſtock zu allem dem Golde mit einemmal zu fin-
den, und die ganze Glorie und das wonnenvolle Leben

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0090" n="72"/>
das in &#x017F;einen Flotten auch ein Wün&#x017F;chhütlein be&#x017F;itzt,<lb/>
durch das die ganze Welt ihm zugänglich wird, und<lb/>
mit ihm dem uner&#x017F;chöpflichen Seckel, aus dem es immer-<lb/>
fort nur &#x017F;chöpft, und Silber&#x017F;tröme gießt. Das &#x017F;chwere<lb/>
Gold, &#x2014; das immer in die Tiefe &#x017F;trebt und zieht, und<lb/>
in dem eine unendliche Trägheit wohnt, und durch In-<lb/>
fu&#x017F;ion in den übergeht, der &#x017F;ich ihm ergiebt, &#x2014; hat die<lb/>
Poe&#x017F;ie hier beflügelt, indem &#x017F;ie dem Metallkönig den<lb/>
leicht be&#x017F;chwingten, hebenden Federhut auf&#x017F;etzt, und<lb/>
nun fliegt der neue Hermes leicht &#x017F;chwebend über Län-<lb/>
der und Völker hin, und wenn er den Stab &#x017F;chüttelt,<lb/>
dann umwinden die beiden Schlangen &#x017F;ich grimmig<lb/>
eng und fe&#x017F;t, und unmuthig werfen &#x017F;ie die goldnen Kro-<lb/>
nen ab, und indem &#x017F;ie &#x017F;ich jedesmal von neuem häuten,<lb/>
wäch&#x017F;t der goldne Schmuck ihnen immer wieder zu,<lb/>
unten aber fällt das Metall wie eine a&#x017F;trali&#x017F;che Lehens-<lb/>
tinctur hinab, und die müden, matten, &#x017F;chmachtenden<lb/>
Herzen werden davon erquickt, und Lu&#x017F;t und Freuden<lb/>
&#x017F;chießen überall in die Höhe, und die Men&#x017F;chen &#x017F;tellen<lb/>
&#x017F;ich in das fallende Tropfen wie in den Mayregen hin,<lb/>
um zu wach&#x017F;en in An&#x017F;ehen und Vermögen, und den<lb/>
herrlichen Bal&#x017F;am recht durch alle Poren einzu&#x017F;augen.<lb/>
Am Ende aber erwürgen &#x017F;ie die Schlangen, um den<lb/>
Eyer&#x017F;tock zu allem dem Golde mit einemmal zu fin-<lb/>
den, und die ganze Glorie und das wonnenvolle Leben<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[72/0090] das in ſeinen Flotten auch ein Wünſchhütlein beſitzt, durch das die ganze Welt ihm zugänglich wird, und mit ihm dem unerſchöpflichen Seckel, aus dem es immer- fort nur ſchöpft, und Silberſtröme gießt. Das ſchwere Gold, — das immer in die Tiefe ſtrebt und zieht, und in dem eine unendliche Trägheit wohnt, und durch In- fuſion in den übergeht, der ſich ihm ergiebt, — hat die Poeſie hier beflügelt, indem ſie dem Metallkönig den leicht beſchwingten, hebenden Federhut aufſetzt, und nun fliegt der neue Hermes leicht ſchwebend über Län- der und Völker hin, und wenn er den Stab ſchüttelt, dann umwinden die beiden Schlangen ſich grimmig eng und feſt, und unmuthig werfen ſie die goldnen Kro- nen ab, und indem ſie ſich jedesmal von neuem häuten, wächſt der goldne Schmuck ihnen immer wieder zu, unten aber fällt das Metall wie eine aſtraliſche Lehens- tinctur hinab, und die müden, matten, ſchmachtenden Herzen werden davon erquickt, und Luſt und Freuden ſchießen überall in die Höhe, und die Menſchen ſtellen ſich in das fallende Tropfen wie in den Mayregen hin, um zu wachſen in Anſehen und Vermögen, und den herrlichen Balſam recht durch alle Poren einzuſaugen. Am Ende aber erwürgen ſie die Schlangen, um den Eyerſtock zu allem dem Golde mit einemmal zu fin- den, und die ganze Glorie und das wonnenvolle Leben

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goerres_volksbuecher_1807
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goerres_volksbuecher_1807/90
Zitationshilfe: Görres, Joseph: Die teutschen Volksbücher. Heidelberg, 1807, S. 72. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goerres_volksbuecher_1807/90>, abgerufen am 21.11.2024.