farth und Uebermuth getrieben, nachdem wir in Opium unseres Lebens innern Stoff versoffen, ist die Zeit der elegi- schen Stimmung nun gekommen, und wir werden viel thun in der Gattung, ohne daß es irgend besser würde. Aber das werden wir gewonnen haben, daß wir in der Zerknirschung wieder achten lernen die Zeiten und die Geister, die vor uns gewesen, die auch gestritten und getrachtet und gekämpft, und die uns unter andern auch die Ehre zum Erbtheil hinterlassen haben, die uns verkommen ist. Wir standen so hoch und warm in unserer Höhe von Wonneseligkeit so trunken; es war eine gesegnete Zeit, an der alle vorhergegangenen Jahrhun- derte keuchend trugen, wie Atlas an der Himmelskugel; es war so dunkel, ach so fürchterlich dunkel hinter uns in diesem Mittelalter, und um uns her so licht und unaussprechlich klar; es war ein so stolzes Gefühl mit den Ueberbleibseln dieser barbarischen Zeit unser eigen Werk zu vergleichen, und das kindische Lallen der rohen ungeschliffenen Naturmenschen anzuhören, und wie sie schwer und mit gebundenen Füßen nach der Schönheit giengen, die unsere Journale in kinderleichtem Spiel wegpflücken; wir wußten Alles und aus allen Zeiten besser und dauerhafter in unserm eigenen Vater- lande zu vollenden, und konnten unsern poetischen Staat zum geschlossenen Staate machen: da kam der
farth und Uebermuth getrieben, nachdem wir in Opium unſeres Lebens innern Stoff verſoffen, iſt die Zeit der elegi- ſchen Stimmung nun gekommen, und wir werden viel thun in der Gattung, ohne daß es irgend beſſer würde. Aber das werden wir gewonnen haben, daß wir in der Zerknirſchung wieder achten lernen die Zeiten und die Geiſter, die vor uns geweſen, die auch geſtritten und getrachtet und gekämpft, und die uns unter andern auch die Ehre zum Erbtheil hinterlaſſen haben, die uns verkommen iſt. Wir ſtanden ſo hoch und warm in unſerer Höhe von Wonneſeligkeit ſo trunken; es war eine geſegnete Zeit, an der alle vorhergegangenen Jahrhun- derte keuchend trugen, wie Atlas an der Himmelskugel; es war ſo dunkel, ach ſo fürchterlich dunkel hinter uns in dieſem Mittelalter, und um uns her ſo licht und unausſprechlich klar; es war ein ſo ſtolzes Gefühl mit den Ueberbleibſeln dieſer barbariſchen Zeit unſer eigen Werk zu vergleichen, und das kindiſche Lallen der rohen ungeſchliffenen Naturmenſchen anzuhören, und wie ſie ſchwer und mit gebundenen Füßen nach der Schönheit giengen, die unſere Journale in kinderleichtem Spiel wegpflücken; wir wußten Alles und aus allen Zeiten beſſer und dauerhafter in unſerm eigenen Vater- lande zu vollenden, und konnten unſern poetiſchen Staat zum geſchloſſenen Staate machen: da kam der
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farth und Uebermuth getrieben, nachdem wir in Opium
unſeres Lebens innern Stoff verſoffen, iſt die Zeit der elegi-
ſchen Stimmung nun gekommen, und wir werden viel thun
in der Gattung, ohne daß es irgend beſſer würde. Aber
das werden wir gewonnen haben, daß wir in der
Zerknirſchung wieder achten lernen die Zeiten und die
Geiſter, die vor uns geweſen, die auch geſtritten und
getrachtet und gekämpft, und die uns unter andern
auch die Ehre zum Erbtheil hinterlaſſen haben, die
uns verkommen iſt. Wir ſtanden ſo hoch und warm in
unſerer Höhe von Wonneſeligkeit ſo trunken; es war eine
geſegnete Zeit, an der alle vorhergegangenen Jahrhun-
derte keuchend trugen, wie Atlas an der Himmelskugel;
es war ſo dunkel, ach ſo fürchterlich dunkel hinter uns
in dieſem Mittelalter, und um uns her ſo licht und
unausſprechlich klar; es war ein ſo ſtolzes Gefühl mit
den Ueberbleibſeln dieſer barbariſchen Zeit unſer eigen
Werk zu vergleichen, und das kindiſche Lallen der
rohen ungeſchliffenen Naturmenſchen anzuhören, und
wie ſie ſchwer und mit gebundenen Füßen nach der
Schönheit giengen, die unſere Journale in kinderleichtem
Spiel wegpflücken; wir wußten Alles und aus allen
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Görres, Joseph: Die teutschen Volksbücher. Heidelberg, 1807, S. 299. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goerres_volksbuecher_1807/317>, abgerufen am 22.11.2024.
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