Das sind Betrachtungen, die alle Geschichte in uns weckt, die bescheidene Geschichte deren Bildersaal wir in diesen Blättern durchwandelt, konnte sie uns besonders nahe legen. Nicht das Leben und das Wircken welthistori- scher Momente, Eroberer, großer Persönlichkeiten ist uns aufgestoßen, aber wohl das Thun und Treiben der großen Menge, der Gemeinde, hat sich unserer Betrach- tung dargeboten: welche Weltanschauung Diese sich nach und nach gebildet; wie viel sie aus dem Strome des Wissens und der Erfahrung, der durch die Zeiten geht, sich angeeignet; welchen Stock auch sie allmählig sich angelegt, und wie auch bei ihr jede Zukunft mit dem Erwerbe der Vergangenheit gewuchert, das hat sich unserer Anschauung hingegeben. Nicht eng geschlos- sen war der Kreis der Zeiten, in den diese Bildungen uns eingeführt; wir sahen sie hin bis nach Indien reichen, und wie mit dem Verlaufe der Geschichte die Cultur sich mehr nach Westen zog, ziehen sich auch die Kreise enger um unsere Zeit zusammen: vorzüglich aber das Mittelalter ist die Periode, wo die Gestalten sich am dichtesten aneinander drängen, wo hauptsächlich die Stiftung gegründet wurde, von der die gegenwärtige Generation noch die Zinsen zieht. Welch eine wunder- seltsame Zeit ist nicht dies Mittelalter, wie glühte nicht in ihm die Erde liebeswarm und lebenstrunken auf;
Das ſind Betrachtungen, die alle Geſchichte in uns weckt, die beſcheidene Geſchichte deren Bilderſaal wir in dieſen Blättern durchwandelt, konnte ſie uns beſonders nahe legen. Nicht das Leben und das Wircken welthiſtori- ſcher Momente, Eroberer, großer Perſönlichkeiten iſt uns aufgeſtoßen, aber wohl das Thun und Treiben der großen Menge, der Gemeinde, hat ſich unſerer Betrach- tung dargeboten: welche Weltanſchauung Dieſe ſich nach und nach gebildet; wie viel ſie aus dem Strome des Wiſſens und der Erfahrung, der durch die Zeiten geht, ſich angeeignet; welchen Stock auch ſie allmählig ſich angelegt, und wie auch bei ihr jede Zukunft mit dem Erwerbe der Vergangenheit gewuchert, das hat ſich unſerer Anſchauung hingegeben. Nicht eng geſchloſ- ſen war der Kreis der Zeiten, in den dieſe Bildungen uns eingeführt; wir ſahen ſie hin bis nach Indien reichen, und wie mit dem Verlaufe der Geſchichte die Cultur ſich mehr nach Weſten zog, ziehen ſich auch die Kreiſe enger um unſere Zeit zuſammen: vorzüglich aber das Mittelalter iſt die Periode, wo die Geſtalten ſich am dichteſten aneinander drängen, wo hauptſächlich die Stiftung gegründet wurde, von der die gegenwärtige Generation noch die Zinſen zieht. Welch eine wunder- ſeltſame Zeit iſt nicht dies Mittelalter, wie glühte nicht in ihm die Erde liebeswarm und lebenstrunken auf;
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Das ſind Betrachtungen, die alle Geſchichte in uns
weckt, die beſcheidene Geſchichte deren Bilderſaal wir in
dieſen Blättern durchwandelt, konnte ſie uns beſonders
nahe legen. Nicht das Leben und das Wircken welthiſtori-
ſcher Momente, Eroberer, großer Perſönlichkeiten iſt uns
aufgeſtoßen, aber wohl das Thun und Treiben der
großen Menge, der Gemeinde, hat ſich unſerer Betrach-
tung dargeboten: welche Weltanſchauung Dieſe ſich
nach und nach gebildet; wie viel ſie aus dem Strome
des Wiſſens und der Erfahrung, der durch die Zeiten
geht, ſich angeeignet; welchen Stock auch ſie allmählig
ſich angelegt, und wie auch bei ihr jede Zukunft mit
dem Erwerbe der Vergangenheit gewuchert, das hat
ſich unſerer Anſchauung hingegeben. Nicht eng geſchloſ-
ſen war der Kreis der Zeiten, in den dieſe Bildungen
uns eingeführt; wir ſahen ſie hin bis nach Indien
reichen, und wie mit dem Verlaufe der Geſchichte die
Cultur ſich mehr nach Weſten zog, ziehen ſich auch die
Kreiſe enger um unſere Zeit zuſammen: vorzüglich
aber das Mittelalter iſt die Periode, wo die Geſtalten
ſich am dichteſten aneinander drängen, wo hauptſächlich
die Stiftung gegründet wurde, von der die gegenwärtige
Generation noch die Zinſen zieht. Welch eine wunder-
ſeltſame Zeit iſt nicht dies Mittelalter, wie glühte nicht
in ihm die Erde liebeswarm und lebenstrunken auf;
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Görres, Joseph: Die teutschen Volksbücher. Heidelberg, 1807, S. 272[270]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goerres_volksbuecher_1807/288>, abgerufen am 24.11.2024.
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