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Görres, Joseph: Die teutschen Volksbücher. Heidelberg, 1807.

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gewichen. So wäre ihnen auch ein Löwe begegnet,
der die ganze Reise vollends bei ihnen geblieben und
gedient hätte. Aber aus noch weit ältern Zeiten, und
von den ersten Jahrhunderten der Kirche, kommen
diese Schrifften her. Die Kirchengeschichte lehrt näm-
lich, wie Pabst Gelasius der Erste in dem Concilium,
das er zu Rom im Jahre 495 hielt, schon die Apogry-
phen von den ächten heiligen Büchern schied, und
unter jene insbesondere die folgenden Drey auf-
nahm: Liber de infantia Salvatoris. -- Liber de
nativitate Salvatoris, et de S. Maria, et de obste-
trice Salvatoris
*).

*) Im zweyten Bande der Miscellaneen zur Geschichte der
teutschen Literatur, der mir eben bey'm Abdruck zu Gesichte
kömmt, führt Docen aus der Geschichte der Jungfrau
Maria von Bruder Philipp aus dem Kartheuserorden,
nach einem Manuscripte des dreyzehnten Jahrhunderts,
viele Stellen an, aus denen sich ergiebt, daß entweder das
Volksbuch jenes Gedicht nur aufgelöst in Prosa ist, oder
daß Beyde aus der gleichen Quelle schöpfend, sich meist wörtlich
an sie gebunden haben. Die durchgängige Identität beyder
Schrifften bleibt gar nicht dem mindesten Zweifel unter-
worfen, wenn man z. B. die hier beigebrachten Stellen
vergleicht mit den p. 85 und 88 beigebrachten Fragmenten,
wo das Letzte: "Da daz Chint Jesus vogelin macht an-
fangt: An einem Tage zesamen giengen, Alles des Chint
anviengen, Churzwil unde chintspiel". Es muß durch
unmittelbare Vergleichung mit den apogryphischen Büchern
ausgemacht werden, ob das Eine oder das Andere der
Fall ist.

gewichen. So wäre ihnen auch ein Löwe begegnet,
der die ganze Reiſe vollends bei ihnen geblieben und
gedient hätte. Aber aus noch weit ältern Zeiten, und
von den erſten Jahrhunderten der Kirche, kommen
dieſe Schrifften her. Die Kirchengeſchichte lehrt näm-
lich, wie Pabſt Gelaſius der Erſte in dem Concilium,
das er zu Rom im Jahre 495 hielt, ſchon die Apogry-
phen von den ächten heiligen Büchern ſchied, und
unter jene insbeſondere die folgenden Drey auf-
nahm: Liber de infantia Salvatoris. — Liber de
nativitate Salvatoris, et de S. Maria, et de obste-
trice Salvatoris
*).

*) Im zweyten Bande der Miscellaneen zur Geſchichte der
teutſchen Literatur, der mir eben bey’m Abdruck zu Geſichte
kömmt, führt Docen aus der Geſchichte der Jungfrau
Maria von Bruder Philipp aus dem Kartheuſerorden,
nach einem Manuſcripte des dreyzehnten Jahrhunderts,
viele Stellen an, aus denen ſich ergiebt, daß entweder das
Volksbuch jenes Gedicht nur aufgelöſt in Proſa iſt, oder
daß Beyde aus der gleichen Quelle ſchöpfend, ſich meiſt wörtlich
an ſie gebunden haben. Die durchgängige Identität beyder
Schrifften bleibt gar nicht dem mindeſten Zweifel unter-
worfen, wenn man z. B. die hier beigebrachten Stellen
vergleicht mit den p. 85 und 88 beigebrachten Fragmenten,
wo das Letzte: „Da daz Chint Jeſus vogelin macht an-
fangt: An einem Tage zeſamen giengen, Alles des Chint
anviengen, Churzwil unde chintſpiel“. Es muß durch
unmittelbare Vergleichung mit den apogryphiſchen Büchern
ausgemacht werden, ob das Eine oder das Andere der
Fall iſt.
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[256/0274] gewichen. So wäre ihnen auch ein Löwe begegnet, der die ganze Reiſe vollends bei ihnen geblieben und gedient hätte. Aber aus noch weit ältern Zeiten, und von den erſten Jahrhunderten der Kirche, kommen dieſe Schrifften her. Die Kirchengeſchichte lehrt näm- lich, wie Pabſt Gelaſius der Erſte in dem Concilium, das er zu Rom im Jahre 495 hielt, ſchon die Apogry- phen von den ächten heiligen Büchern ſchied, und unter jene insbeſondere die folgenden Drey auf- nahm: Liber de infantia Salvatoris. — Liber de nativitate Salvatoris, et de S. Maria, et de obste- trice Salvatoris *). *) Im zweyten Bande der Miscellaneen zur Geſchichte der teutſchen Literatur, der mir eben bey’m Abdruck zu Geſichte kömmt, führt Docen aus der Geſchichte der Jungfrau Maria von Bruder Philipp aus dem Kartheuſerorden, nach einem Manuſcripte des dreyzehnten Jahrhunderts, viele Stellen an, aus denen ſich ergiebt, daß entweder das Volksbuch jenes Gedicht nur aufgelöſt in Proſa iſt, oder daß Beyde aus der gleichen Quelle ſchöpfend, ſich meiſt wörtlich an ſie gebunden haben. Die durchgängige Identität beyder Schrifften bleibt gar nicht dem mindeſten Zweifel unter- worfen, wenn man z. B. die hier beigebrachten Stellen vergleicht mit den p. 85 und 88 beigebrachten Fragmenten, wo das Letzte: „Da daz Chint Jeſus vogelin macht an- fangt: An einem Tage zeſamen giengen, Alles des Chint anviengen, Churzwil unde chintſpiel“. Es muß durch unmittelbare Vergleichung mit den apogryphiſchen Büchern ausgemacht werden, ob das Eine oder das Andere der Fall iſt.

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Zitationshilfe: Görres, Joseph: Die teutschen Volksbücher. Heidelberg, 1807, S. 256. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goerres_volksbuecher_1807/274>, abgerufen am 24.11.2024.