Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Görres, Joseph: Die teutschen Volksbücher. Heidelberg, 1807.

Bild:
<< vorherige Seite

alle drei theilen sich einander ihr Geschlechtsregister
mit, dann entspinnt sich ein Dialog, in dem Salomon
alle seine weisen Sprüche der Reihe nach auslegt,
die Marcolph dann aus dem Stegreife parodirt, so
daß der weisse König oben majestätisch mit Kron und
Zepter in der Sonne auf und niedergeht, während
sein Schatten seitwärts in die Pfütze fällt, und dort
alle stolze Haltung verliert. Das ganze Gespräch
errinnert übrigens auffallend an ein Aehnliches in dem
indischen Calilah und Dimnah, Jenes nämlich, das
der König mit Billero da beginnt, wo er ihm den
Tod der Königin vorwirft. Da heißt's z. B. "Der
König sprach, du soltest schweigen, bis mir der Zorn
vergieng. Antwort Billero: drei Ding schweigen, bis
Einem der Zorn vergeht: Die Schlang in der Hand
ihres Beschwörers, und der Nachts Fische fahen will,
und der da hohe Ding betrachtet. Der König sprach,
du hast Helebat versaumet, daß du ihr Gerechtigkeit
nit hast an den Tag gelegt. Billero antwort: zwey
Ding sind, der Gerechtigkeit versaumt wird ohne
Schuld: Der ein seiden Kleid anthut und barfuß
geht, und der ein Jungfrau zu der Ehe nimmt, und
darnach sie wieder von ihm thut, und über ein lange
Zeit sie wieder zu ihm nimpt. Der König sprach, jetzt
ist mein Feindschaft wider dich in meinem Herzen

alle drei theilen ſich einander ihr Geſchlechtsregiſter
mit, dann entſpinnt ſich ein Dialog, in dem Salomon
alle ſeine weiſen Sprüche der Reihe nach auslegt,
die Marcolph dann aus dem Stegreife parodirt, ſo
daß der weiſſe König oben majeſtätiſch mit Kron und
Zepter in der Sonne auf und niedergeht, während
ſein Schatten ſeitwärts in die Pfütze fällt, und dort
alle ſtolze Haltung verliert. Das ganze Geſpräch
errinnert übrigens auffallend an ein Aehnliches in dem
indiſchen Calilah und Dimnah, Jenes nämlich, das
der König mit Billero da beginnt, wo er ihm den
Tod der Königin vorwirft. Da heißt’s z. B. „Der
König ſprach, du ſolteſt ſchweigen, bis mir der Zorn
vergieng. Antwort Billero: drei Ding ſchweigen, bis
Einem der Zorn vergeht: Die Schlang in der Hand
ihres Beſchwörers, und der Nachts Fiſche fahen will,
und der da hohe Ding betrachtet. Der König ſprach,
du haſt Helebat verſaumet, daß du ihr Gerechtigkeit
nit haſt an den Tag gelegt. Billero antwort: zwey
Ding ſind, der Gerechtigkeit verſaumt wird ohne
Schuld: Der ein ſeiden Kleid anthut und barfuß
geht, und der ein Jungfrau zu der Ehe nimmt, und
darnach ſie wieder von ihm thut, und über ein lange
Zeit ſie wieder zu ihm nimpt. Der König ſprach, jetzt
iſt mein Feindſchaft wider dich in meinem Herzen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0208" n="190"/>
alle drei theilen &#x017F;ich einander ihr Ge&#x017F;chlechtsregi&#x017F;ter<lb/>
mit, dann ent&#x017F;pinnt &#x017F;ich ein Dialog, in dem Salomon<lb/>
alle &#x017F;eine wei&#x017F;en Sprüche der <choice><sic>Neihe</sic><corr>Reihe</corr></choice> nach auslegt,<lb/>
die Marcolph <choice><corr>dann</corr><sic>daun</sic></choice> aus dem Stegreife parodirt, &#x017F;o<lb/>
daß der wei&#x017F;&#x017F;e König oben maje&#x017F;täti&#x017F;ch mit Kron und<lb/>
Zepter in der Sonne auf und niedergeht, während<lb/>
&#x017F;ein Schatten &#x017F;eitwärts in die Pfütze fällt, und dort<lb/>
alle &#x017F;tolze Haltung verliert. Das ganze Ge&#x017F;präch<lb/>
errinnert übrigens auffallend an ein Aehnliches in dem<lb/>
indi&#x017F;chen Calilah und Dimnah, Jenes nämlich, das<lb/>
der König mit Billero da beginnt, wo er ihm den<lb/>
Tod der Königin vorwirft. Da heißt&#x2019;s z. B. &#x201E;Der<lb/>
König &#x017F;prach, du &#x017F;olte&#x017F;t &#x017F;chweigen, bis mir der Zorn<lb/>
vergieng. Antwort Billero: drei Ding &#x017F;chweigen, bis<lb/>
Einem der Zorn vergeht: Die Schlang in der Hand<lb/>
ihres Be&#x017F;chwörers, und der Nachts Fi&#x017F;che fahen will,<lb/>
und der da hohe Ding betrachtet. Der König &#x017F;prach,<lb/>
du ha&#x017F;t Helebat ver&#x017F;aumet, daß du ihr Gerechtigkeit<lb/>
nit ha&#x017F;t an den Tag gelegt. Billero antwort: zwey<lb/>
Ding &#x017F;ind, der Gerechtigkeit ver&#x017F;aumt wird ohne<lb/>
Schuld: Der ein &#x017F;eiden Kleid anthut und barfuß<lb/>
geht, und der ein Jungfrau zu der Ehe nimmt, und<lb/>
darnach &#x017F;ie wieder von ihm thut, und über ein lange<lb/>
Zeit &#x017F;ie wieder zu ihm nimpt. Der König &#x017F;prach, jetzt<lb/>
i&#x017F;t mein Feind&#x017F;chaft wider dich in meinem Herzen<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[190/0208] alle drei theilen ſich einander ihr Geſchlechtsregiſter mit, dann entſpinnt ſich ein Dialog, in dem Salomon alle ſeine weiſen Sprüche der Reihe nach auslegt, die Marcolph dann aus dem Stegreife parodirt, ſo daß der weiſſe König oben majeſtätiſch mit Kron und Zepter in der Sonne auf und niedergeht, während ſein Schatten ſeitwärts in die Pfütze fällt, und dort alle ſtolze Haltung verliert. Das ganze Geſpräch errinnert übrigens auffallend an ein Aehnliches in dem indiſchen Calilah und Dimnah, Jenes nämlich, das der König mit Billero da beginnt, wo er ihm den Tod der Königin vorwirft. Da heißt’s z. B. „Der König ſprach, du ſolteſt ſchweigen, bis mir der Zorn vergieng. Antwort Billero: drei Ding ſchweigen, bis Einem der Zorn vergeht: Die Schlang in der Hand ihres Beſchwörers, und der Nachts Fiſche fahen will, und der da hohe Ding betrachtet. Der König ſprach, du haſt Helebat verſaumet, daß du ihr Gerechtigkeit nit haſt an den Tag gelegt. Billero antwort: zwey Ding ſind, der Gerechtigkeit verſaumt wird ohne Schuld: Der ein ſeiden Kleid anthut und barfuß geht, und der ein Jungfrau zu der Ehe nimmt, und darnach ſie wieder von ihm thut, und über ein lange Zeit ſie wieder zu ihm nimpt. Der König ſprach, jetzt iſt mein Feindſchaft wider dich in meinem Herzen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goerres_volksbuecher_1807
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goerres_volksbuecher_1807/208
Zitationshilfe: Görres, Joseph: Die teutschen Volksbücher. Heidelberg, 1807, S. 190. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goerres_volksbuecher_1807/208>, abgerufen am 04.12.2024.