Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Görres, Joseph: Die teutschen Volksbücher. Heidelberg, 1807.

Bild:
<< vorherige Seite

die mit den Bildern auf dem Thurme, den Brunnen
und dem ewigen Feuer von einem wunderlich reizenden
Zauber befangen; Galenus von Hippocrates getödtet,
astrologisch, seltsam wie ein anatomischer Saal mit
Gespensterleichen; die Dreizehnte von der Königinn im
Thurme, gediegen komisch und vollendet; die Fünf-
zehnte phantastisch, keck und gut gedacht und erzählt.
Am Ende nachdem die Geschichte alles Interesse für
ihren Helden erweckt, schließt sie abbrechend: "Unlängst
hernach starb der Kaiser, und regierte sein Sohn Dio-
cletianus nach ihm, welcher seine sieben weisen Meister
in großen Ehren bey sich behielt, und wegen seines
hohen Verstandes jedermanns Gunst und Liebe erlangte.
Sonst war er ein grausamer Tyrann, welcher mit
Maximiniano die Christen zwanzig Jahre auf das
schrecklichste verfolgte, hernach im 68sten Jahre ward
er durch Gift hingerichtet. Also gehen die Tyrannen
und Wüteriche mit Erschrecken zu Grund, und nehmen
ein erbärmliches Ende."

Wie sehr das Buch schon im Mittelalter in allge-
meinem Umlauf war, beweißt die beinahe wörtliche
Aufnahme desselben in die Gesta romanorum. In
der teutschen Ausgabe dieses Buches, gedruckt von H.
Schobser in der stat Augsburg 1489, findet sich gleich
Anfangs auf dem XVIten Blatte von der Römer

die mit den Bildern auf dem Thurme, den Brunnen
und dem ewigen Feuer von einem wunderlich reizenden
Zauber befangen; Galenus von Hippocrates getödtet,
aſtrologiſch, ſeltſam wie ein anatomiſcher Saal mit
Geſpenſterleichen; die Dreizehnte von der Königinn im
Thurme, gediegen komiſch und vollendet; die Fünf-
zehnte phantaſtiſch, keck und gut gedacht und erzählt.
Am Ende nachdem die Geſchichte alles Intereſſe für
ihren Helden erweckt, ſchließt ſie abbrechend: „Unlängſt
hernach ſtarb der Kaiſer, und regierte ſein Sohn Dio-
cletianus nach ihm, welcher ſeine ſieben weiſen Meiſter
in großen Ehren bey ſich behielt, und wegen ſeines
hohen Verſtandes jedermanns Gunſt und Liebe erlangte.
Sonſt war er ein grauſamer Tyrann, welcher mit
Maximiniano die Chriſten zwanzig Jahre auf das
ſchrecklichſte verfolgte, hernach im 68ſten Jahre ward
er durch Gift hingerichtet. Alſo gehen die Tyrannen
und Wüteriche mit Erſchrecken zu Grund, und nehmen
ein erbärmliches Ende.“

Wie ſehr das Buch ſchon im Mittelalter in allge-
meinem Umlauf war, beweißt die beinahe wörtliche
Aufnahme deſſelben in die Gesta romanorum. In
der teutſchen Ausgabe dieſes Buches, gedruckt von H.
Schobſer in der ſtat Augsburg 1489, findet ſich gleich
Anfangs auf dem XVIten Blatte von der Römer

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0175" n="157"/>
die mit den Bildern auf dem Thurme, den Brunnen<lb/>
und dem ewigen Feuer von einem wunderlich reizenden<lb/>
Zauber befangen; Galenus von Hippocrates getödtet,<lb/>
a&#x017F;trologi&#x017F;ch, &#x017F;elt&#x017F;am wie ein anatomi&#x017F;cher Saal mit<lb/>
Ge&#x017F;pen&#x017F;terleichen; die Dreizehnte von der Königinn im<lb/>
Thurme, gediegen komi&#x017F;ch und vollendet; die Fünf-<lb/>
zehnte phanta&#x017F;ti&#x017F;ch, keck und gut gedacht und erzählt.<lb/>
Am Ende nachdem die Ge&#x017F;chichte alles Intere&#x017F;&#x017F;e für<lb/>
ihren Helden erweckt, &#x017F;chließt &#x017F;ie abbrechend: &#x201E;Unläng&#x017F;t<lb/>
hernach &#x017F;tarb der Kai&#x017F;er, und regierte &#x017F;ein Sohn Dio-<lb/>
cletianus nach ihm, welcher &#x017F;eine &#x017F;ieben wei&#x017F;en Mei&#x017F;ter<lb/>
in großen Ehren bey &#x017F;ich behielt, und wegen &#x017F;eines<lb/>
hohen Ver&#x017F;tandes jedermanns Gun&#x017F;t und Liebe erlangte.<lb/>
Son&#x017F;t war er ein grau&#x017F;amer Tyrann, welcher mit<lb/>
Maximiniano die Chri&#x017F;ten zwanzig Jahre auf das<lb/>
&#x017F;chrecklich&#x017F;te verfolgte, hernach im 68&#x017F;ten Jahre ward<lb/>
er durch Gift hingerichtet. Al&#x017F;o gehen die Tyrannen<lb/>
und Wüteriche mit Er&#x017F;chrecken zu Grund, und nehmen<lb/>
ein erbärmliches Ende.&#x201C;</p><lb/>
          <p>Wie &#x017F;ehr das Buch &#x017F;chon im Mittelalter in allge-<lb/>
meinem Umlauf war, beweißt die beinahe wörtliche<lb/>
Aufnahme de&#x017F;&#x017F;elben in die <hi rendition="#aq">Gesta romanorum.</hi> In<lb/>
der teut&#x017F;chen Ausgabe die&#x017F;es Buches, gedruckt von H.<lb/>
Schob&#x017F;er in der &#x017F;tat Augsburg 1489, findet &#x017F;ich gleich<lb/>
Anfangs auf dem <hi rendition="#aq">XVI</hi>ten Blatte von der Römer<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[157/0175] die mit den Bildern auf dem Thurme, den Brunnen und dem ewigen Feuer von einem wunderlich reizenden Zauber befangen; Galenus von Hippocrates getödtet, aſtrologiſch, ſeltſam wie ein anatomiſcher Saal mit Geſpenſterleichen; die Dreizehnte von der Königinn im Thurme, gediegen komiſch und vollendet; die Fünf- zehnte phantaſtiſch, keck und gut gedacht und erzählt. Am Ende nachdem die Geſchichte alles Intereſſe für ihren Helden erweckt, ſchließt ſie abbrechend: „Unlängſt hernach ſtarb der Kaiſer, und regierte ſein Sohn Dio- cletianus nach ihm, welcher ſeine ſieben weiſen Meiſter in großen Ehren bey ſich behielt, und wegen ſeines hohen Verſtandes jedermanns Gunſt und Liebe erlangte. Sonſt war er ein grauſamer Tyrann, welcher mit Maximiniano die Chriſten zwanzig Jahre auf das ſchrecklichſte verfolgte, hernach im 68ſten Jahre ward er durch Gift hingerichtet. Alſo gehen die Tyrannen und Wüteriche mit Erſchrecken zu Grund, und nehmen ein erbärmliches Ende.“ Wie ſehr das Buch ſchon im Mittelalter in allge- meinem Umlauf war, beweißt die beinahe wörtliche Aufnahme deſſelben in die Gesta romanorum. In der teutſchen Ausgabe dieſes Buches, gedruckt von H. Schobſer in der ſtat Augsburg 1489, findet ſich gleich Anfangs auf dem XVIten Blatte von der Römer

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goerres_volksbuecher_1807
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goerres_volksbuecher_1807/175
Zitationshilfe: Görres, Joseph: Die teutschen Volksbücher. Heidelberg, 1807, S. 157. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goerres_volksbuecher_1807/175>, abgerufen am 18.05.2024.