Eisenland sich hin, und wie ein Nordschein, schießend, fliegend, strahlend, ergießt sich die Kunst von den Schneefeldern nieder, und ein Geist des Heroismus und der Energie braußt wie Windessturm hinab, und stählt und stärkt die ankämpfende Kraft. Die Niebe- lungen sind in diesem Geiste gebildet; ein kräftig, wil- des Heldenwerk, jenem alten, starken, unzerstörbaren Mauerwerke gleich, das wie eines todten Riesen Kno- chen zerstreut hier und dort aus der Erde ragt, und von dem die alte Sage erzählt, daß ein stärkeres Geschlecht sie gegründet und gebaut. Wie ein gewaltiger Strom ergießt sich die Dichtung von dem Norden nieder, und wie er niedersteigt, schwillt er stärker und immer stärker an, und dunkler und dunkler färben sich die Wellen, und er wird zu Blute endlich, und stürzt sich in einen Ozean von Graus, und Tod, und Mord, und Ver- derben und Untergang. Eine der Quellen aber, aus der der ganze Strom seinen Ursprung zuerst genommen, scheint dieser Roman vom gehörnten Siegfried zu seyn; selbst in seiner Zerrissenheit, Lückenhaftigkeit und Ver- krüppelung, in der er hier als Volksbuch erscheint, noch unendlich schätzbar. Wie Siegfried, der Held aus den Niederlanden, seinen Vater Sieghard verläßt, im Walde den Drachen tödtet, mit seinem Fette sich bestreicht, daß von dem erstarrenden Blute sich ihm der
Eiſenland ſich hin, und wie ein Nordſchein, ſchießend, fliegend, ſtrahlend, ergießt ſich die Kunſt von den Schneefeldern nieder, und ein Geiſt des Heroismus und der Energie braußt wie Windesſturm hinab, und ſtählt und ſtärkt die ankämpfende Kraft. Die Niebe- lungen ſind in dieſem Geiſte gebildet; ein kräftig, wil- des Heldenwerk, jenem alten, ſtarken, unzerſtörbaren Mauerwerke gleich, das wie eines todten Rieſen Kno- chen zerſtreut hier und dort aus der Erde ragt, und von dem die alte Sage erzählt, daß ein ſtärkeres Geſchlecht ſie gegründet und gebaut. Wie ein gewaltiger Strom ergießt ſich die Dichtung von dem Norden nieder, und wie er niederſteigt, ſchwillt er ſtärker und immer ſtärker an, und dunkler und dunkler färben ſich die Wellen, und er wird zu Blute endlich, und ſtürzt ſich in einen Ozean von Graus, und Tod, und Mord, und Ver- derben und Untergang. Eine der Quellen aber, aus der der ganze Strom ſeinen Urſprung zuerſt genommen, ſcheint dieſer Roman vom gehörnten Siegfried zu ſeyn; ſelbſt in ſeiner Zerriſſenheit, Lückenhaftigkeit und Ver- krüppelung, in der er hier als Volksbuch erſcheint, noch unendlich ſchätzbar. Wie Siegfried, der Held aus den Niederlanden, ſeinen Vater Sieghard verläßt, im Walde den Drachen tödtet, mit ſeinem Fette ſich beſtreicht, daß von dem erſtarrenden Blute ſich ihm der
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Eiſenland ſich hin, und wie ein Nordſchein, ſchießend,
fliegend, ſtrahlend, ergießt ſich die Kunſt von den
Schneefeldern nieder, und ein Geiſt des Heroismus
und der Energie braußt wie Windesſturm hinab, und
ſtählt und ſtärkt die ankämpfende Kraft. Die Niebe-
lungen ſind in dieſem Geiſte gebildet; ein kräftig, wil-
des Heldenwerk, jenem alten, ſtarken, unzerſtörbaren
Mauerwerke gleich, das wie eines todten Rieſen Kno-
chen zerſtreut hier und dort aus der Erde ragt, und von
dem die alte Sage erzählt, daß ein ſtärkeres Geſchlecht
ſie gegründet und gebaut. Wie ein gewaltiger Strom
ergießt ſich die Dichtung von dem Norden nieder, und
wie er niederſteigt, ſchwillt er ſtärker und immer ſtärker
an, und dunkler und dunkler färben ſich die Wellen,
und er wird zu Blute endlich, und ſtürzt ſich in einen
Ozean von Graus, und Tod, und Mord, und Ver-
derben und Untergang. Eine der Quellen aber, aus
der der ganze Strom ſeinen Urſprung zuerſt genommen,
ſcheint dieſer Roman vom gehörnten Siegfried zu ſeyn;
ſelbſt in ſeiner Zerriſſenheit, Lückenhaftigkeit und Ver-
krüppelung, in der er hier als Volksbuch erſcheint,
noch unendlich ſchätzbar. Wie Siegfried, der Held
aus den Niederlanden, ſeinen Vater Sieghard verläßt,
im Walde den Drachen tödtet, mit ſeinem Fette ſich
beſtreicht, daß von dem erſtarrenden Blute ſich ihm der
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Görres, Joseph: Die teutschen Volksbücher. Heidelberg, 1807, S. 94. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goerres_volksbuecher_1807/112>, abgerufen am 21.11.2024.
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