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Görres, Joseph von: Teutschland und die Revolution. Koblenz, 1819.

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bis zur Tiefe der Dinge vorgedrungen, um so über¬
einstimmender mit jenem Gemeinsamen; weil das Be¬
sondere in innerster Wurzel nothwendig mit dem Ge¬
sammten verbunden ist, und aus der Tiefe, wenn bei¬
derseits die Schlacken abgehoben, uns derselbe Sil¬
berblick entgegengeleuchtet, so daß in dieser Hinsicht
Protestantismus und Catholizismus nur wie Integral-
und Differenzialrechnung sich verhalten.

Aber es ist auch hier jener dünkelvolle Geist, der,
unfähig auch nur an seiner Naturseite die Bande der
Schwere durchzuschneiden, sich doch nach innen vom
Historischen loszureißen vermißt; der nicht sich am
Ganzen zu prüfen und zu gewähren sich begnügt, oder
auch das Ganze an den ewigen Gesetzen, die sein
Inneres beschließt, sondern in hoffärtigem Abfall sich
allein auf das Vergängliche, Fließende, Richtige setzt,
und nun aus der allerseichtesten Weltbetrachtung her¬
vor, seine Einbildungen, seine Eitelkeiten und Leiden¬
schaften für große, gute Weltgesetze hält, und sich an
dem Kreuzweg niederläßt, um die Geschichte zu be¬
lehren, die mit ihren Sonnenrossen, ohne das Stäub¬
chen zu bemerken, das in ihrem Strahle spielt, vor¬
überfährt. Von diesem Geiste ist das Geschrey aus¬
gegangen, das von jenseits her erschallt: der Catho¬
licismus, in sich selbst todt und erstorben, habe nur
vergessen sich begraben zu lassen; seine Dogmatik sey
unhaltbar ja gänzlich unvernünftig; seine Unfehlbar¬
keit der Kirche sey die wahre Leibeigenschaft der Gei¬
ster; und seine Hierarchie, das Werk nichtswürdiger
Pfaffenkünste, eine unerträgliche Tyranney, und es
erbietet die eifernde Liebe sich nun mitleidsvoll, mit

bis zur Tiefe der Dinge vorgedrungen, um ſo über¬
einſtimmender mit jenem Gemeinſamen; weil das Be¬
ſondere in innerſter Wurzel nothwendig mit dem Ge¬
ſammten verbunden iſt, und aus der Tiefe, wenn bei¬
derſeits die Schlacken abgehoben, uns derſelbe Sil¬
berblick entgegengeleuchtet, ſo daß in dieſer Hinſicht
Proteſtantismus und Catholizismus nur wie Integral-
und Differenzialrechnung ſich verhalten.

Aber es iſt auch hier jener dünkelvolle Geiſt, der,
unfähig auch nur an ſeiner Naturſeite die Bande der
Schwere durchzuſchneiden, ſich doch nach innen vom
Hiſtoriſchen loszureißen vermißt; der nicht ſich am
Ganzen zu prüfen und zu gewähren ſich begnügt, oder
auch das Ganze an den ewigen Geſetzen, die ſein
Inneres beſchließt, ſondern in hoffärtigem Abfall ſich
allein auf das Vergängliche, Fließende, Richtige ſetzt,
und nun aus der allerſeichteſten Weltbetrachtung her¬
vor, ſeine Einbildungen, ſeine Eitelkeiten und Leiden¬
ſchaften für große, gute Weltgeſetze hält, und ſich an
dem Kreuzweg niederläßt, um die Geſchichte zu be¬
lehren, die mit ihren Sonnenroſſen, ohne das Stäub¬
chen zu bemerken, das in ihrem Strahle ſpielt, vor¬
überfährt. Von dieſem Geiſte iſt das Geſchrey aus¬
gegangen, das von jenſeits her erſchallt: der Catho¬
licismus, in ſich ſelbſt todt und erſtorben, habe nur
vergeſſen ſich begraben zu laſſen; ſeine Dogmatik ſey
unhaltbar ja gänzlich unvernünftig; ſeine Unfehlbar¬
keit der Kirche ſey die wahre Leibeigenſchaft der Gei¬
ſter; und ſeine Hierarchie, das Werk nichtswürdiger
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[74/0082] bis zur Tiefe der Dinge vorgedrungen, um ſo über¬ einſtimmender mit jenem Gemeinſamen; weil das Be¬ ſondere in innerſter Wurzel nothwendig mit dem Ge¬ ſammten verbunden iſt, und aus der Tiefe, wenn bei¬ derſeits die Schlacken abgehoben, uns derſelbe Sil¬ berblick entgegengeleuchtet, ſo daß in dieſer Hinſicht Proteſtantismus und Catholizismus nur wie Integral- und Differenzialrechnung ſich verhalten. Aber es iſt auch hier jener dünkelvolle Geiſt, der, unfähig auch nur an ſeiner Naturſeite die Bande der Schwere durchzuſchneiden, ſich doch nach innen vom Hiſtoriſchen loszureißen vermißt; der nicht ſich am Ganzen zu prüfen und zu gewähren ſich begnügt, oder auch das Ganze an den ewigen Geſetzen, die ſein Inneres beſchließt, ſondern in hoffärtigem Abfall ſich allein auf das Vergängliche, Fließende, Richtige ſetzt, und nun aus der allerſeichteſten Weltbetrachtung her¬ vor, ſeine Einbildungen, ſeine Eitelkeiten und Leiden¬ ſchaften für große, gute Weltgeſetze hält, und ſich an dem Kreuzweg niederläßt, um die Geſchichte zu be¬ lehren, die mit ihren Sonnenroſſen, ohne das Stäub¬ chen zu bemerken, das in ihrem Strahle ſpielt, vor¬ überfährt. Von dieſem Geiſte iſt das Geſchrey aus¬ gegangen, das von jenſeits her erſchallt: der Catho¬ licismus, in ſich ſelbſt todt und erſtorben, habe nur vergeſſen ſich begraben zu laſſen; ſeine Dogmatik ſey unhaltbar ja gänzlich unvernünftig; ſeine Unfehlbar¬ keit der Kirche ſey die wahre Leibeigenſchaft der Gei¬ ſter; und ſeine Hierarchie, das Werk nichtswürdiger Pfaffenkünſte, eine unerträgliche Tyranney, und es erbietet die eifernde Liebe ſich nun mitleidsvoll, mit

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Zitationshilfe: Görres, Joseph von: Teutschland und die Revolution. Koblenz, 1819, S. 74. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goerres_revolution_1819/82>, abgerufen am 28.11.2024.