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Görres, Joseph von: Teutschland und die Revolution. Koblenz, 1819.

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einer Stände-Versammlung nicht, blieb sie drey Jahre
unausgeführt, die man benutzte, den Apparat zu fer¬
tigen, um mögliche furchtbare Leidenschaften und de¬
magogische Umtriebe, die sich in ihr entwickeln konn¬
ten, zum voraus zu dämpfen und niederzuhalten.
Darum ließ man, angebend die Stände sollten con¬
stituirt keineswegs aber constituirend seyn, sie
auch an der Bildung der Institutionen, die eine
gänzliche Umschaffung aller innern Verhältnisse her¬
beygeführt, keinen Antheil nehmen; und man postu¬
lirte ihre Einstimmung bey den wichtigsten Edicten
über Gegenstände, zu denen ihr Beyrath um so noth¬
wendiger sich erwies, je mehr der Theile und Inte¬
ressen waren, aus denen das Ganze erwachsen mußte.

Um der schreckbaren Macht und dem stürmischen
Charakter von zwanzig gewählten Volksvertretern zu
begegnen, hatte man die Regierung nach allen Re¬
geln der höheren Befestigungskunst zu verschanzen un¬
ternommen. Eine mächtige, ausgezeichnete, wohlbe¬
zahlte, uniformirte, gleich dem Adel einem gefreyten
Gerichtsstand untergebne, mit ihren Söhnen von der
Militärpflichtigkeit freygesprochene, oben um den Für¬
sten her zum Theil in Banden der Verwandschaft
enggeschlossene Beamtenwelt, hangend an einem Winke
des Gebiethers, und in ihren Gliedern durch einen Feder¬
strich von einem Ende des Landes zum Andern hin ver¬
setzt, durch die Schultheißen das Geringfügigste im In¬
nern der Gemeinden von der Mitte aus, nach allen Regeln
der modernen Papierbewirthschaftung, lenkend und be¬
schickkend, bildete wie allerwärts, das Hauptwerk. Eine
schwache Stelle, die ehmals in der Unabhängigkeit der

einer Stände-Verſammlung nicht, blieb ſie drey Jahre
unausgeführt, die man benutzte, den Apparat zu fer¬
tigen, um mögliche furchtbare Leidenſchaften und de¬
magogiſche Umtriebe, die ſich in ihr entwickeln konn¬
ten, zum voraus zu dämpfen und niederzuhalten.
Darum ließ man, angebend die Stände ſollten con¬
ſtituirt keineswegs aber conſtituirend ſeyn, ſie
auch an der Bildung der Inſtitutionen, die eine
gänzliche Umſchaffung aller innern Verhältniſſe her¬
beygeführt, keinen Antheil nehmen; und man poſtu¬
lirte ihre Einſtimmung bey den wichtigſten Edicten
über Gegenſtände, zu denen ihr Beyrath um ſo noth¬
wendiger ſich erwies, je mehr der Theile und Inte¬
reſſen waren, aus denen das Ganze erwachſen mußte.

Um der ſchreckbaren Macht und dem ſtürmiſchen
Charakter von zwanzig gewählten Volksvertretern zu
begegnen, hatte man die Regierung nach allen Re¬
geln der höheren Befeſtigungskunſt zu verſchanzen un¬
ternommen. Eine mächtige, ausgezeichnete, wohlbe¬
zahlte, uniformirte, gleich dem Adel einem gefreyten
Gerichtsſtand untergebne, mit ihren Söhnen von der
Militärpflichtigkeit freygeſprochene, oben um den Für¬
ſten her zum Theil in Banden der Verwandſchaft
enggeſchloſſene Beamtenwelt, hangend an einem Winke
des Gebiethers, und in ihren Gliedern durch einen Feder¬
ſtrich von einem Ende des Landes zum Andern hin ver¬
ſetzt, durch die Schultheißen das Geringfügigſte im In¬
nern der Gemeinden von der Mitte aus, nach allen Regeln
der modernen Papierbewirthſchaftung, lenkend und be¬
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[54/0062] einer Stände-Verſammlung nicht, blieb ſie drey Jahre unausgeführt, die man benutzte, den Apparat zu fer¬ tigen, um mögliche furchtbare Leidenſchaften und de¬ magogiſche Umtriebe, die ſich in ihr entwickeln konn¬ ten, zum voraus zu dämpfen und niederzuhalten. Darum ließ man, angebend die Stände ſollten con¬ ſtituirt keineswegs aber conſtituirend ſeyn, ſie auch an der Bildung der Inſtitutionen, die eine gänzliche Umſchaffung aller innern Verhältniſſe her¬ beygeführt, keinen Antheil nehmen; und man poſtu¬ lirte ihre Einſtimmung bey den wichtigſten Edicten über Gegenſtände, zu denen ihr Beyrath um ſo noth¬ wendiger ſich erwies, je mehr der Theile und Inte¬ reſſen waren, aus denen das Ganze erwachſen mußte. Um der ſchreckbaren Macht und dem ſtürmiſchen Charakter von zwanzig gewählten Volksvertretern zu begegnen, hatte man die Regierung nach allen Re¬ geln der höheren Befeſtigungskunſt zu verſchanzen un¬ ternommen. Eine mächtige, ausgezeichnete, wohlbe¬ zahlte, uniformirte, gleich dem Adel einem gefreyten Gerichtsſtand untergebne, mit ihren Söhnen von der Militärpflichtigkeit freygeſprochene, oben um den Für¬ ſten her zum Theil in Banden der Verwandſchaft enggeſchloſſene Beamtenwelt, hangend an einem Winke des Gebiethers, und in ihren Gliedern durch einen Feder¬ ſtrich von einem Ende des Landes zum Andern hin ver¬ ſetzt, durch die Schultheißen das Geringfügigſte im In¬ nern der Gemeinden von der Mitte aus, nach allen Regeln der modernen Papierbewirthſchaftung, lenkend und be¬ ſchickkend, bildete wie allerwärts, das Hauptwerk. Eine ſchwache Stelle, die ehmals in der Unabhängigkeit der

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Zitationshilfe: Görres, Joseph von: Teutschland und die Revolution. Koblenz, 1819, S. 54. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goerres_revolution_1819/62>, abgerufen am 27.11.2024.