Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Görres, Joseph von: Teutschland und die Revolution. Koblenz, 1819.

Bild:
<< vorherige Seite

Congresse aus, die Bewegungen der neuen Zeit wahr¬
genommen, schien es ihm ein leichtes Ding, ihre lau¬
ten Ansprüche mit einigen liberalen Gaukeleyen abzu¬
finden, und daneben auch nicht einen Fuß breit von
der bisherigen Bahn zur unbeschränkten Willkühr ab¬
zuweichen. Die Gewalt, die bisher der Despotism
in despotischen Formen ausgeübt, durfte nur in den¬
selben Formen als Ausfluß ihrer Machtvollkommenheit,
eine illusorische Freyheit setzen, wie es auch Napoleon
am 18. Brumaire gethan; und sie hatte statt rückgän¬
gig zu werden, den Gipfel der Willkühr erreicht, die
da höhnisch eine sogenannte Freyheit durch Cabinets¬
ordren befiehlt. So wurde jene dortige erste Consti¬
tution commandirt, und die Ständeversammlung zu¬
sammenberufen.

Aber es lebten in diesem Lande noch zu viele Men¬
schen, die wenigstens noch die letzten Strahlen der unter¬
gehenden Freyheit gesehen, und in ihnen entwickelte
sich nun ganz einfach aus der Natur der Dinge jener
Widerspruch, der sich schlechthin auf das alte Recht
berief, die Usurpation mit allen ihren Folgerungen als
ein Recht begründendes Faktum von vorn herein gänz¬
lich negirte, sich hinter ihr auf dem festen Boden der
Geschichte niederließ, und von da aus die Eidbrüchig¬
keit der usurpirenden Gewalt vor der Welt laut an¬
klagte. Einer solchen vereinten Masse von Licht, Recht,
Kraft und Festigkeit, konnte vom Standpunkt einer
übelbefestigten Gewalt, deren Arm durch den Sturz
des obersten Gewaltverleihers zerschmettert war, nicht
begegnet werden; und der Hof verstand sich, nachdem
der unnütze Kampf eine Zeit lang gedauert hatte, zu

Congreſſe aus, die Bewegungen der neuen Zeit wahr¬
genommen, ſchien es ihm ein leichtes Ding, ihre lau¬
ten Anſprüche mit einigen liberalen Gaukeleyen abzu¬
finden, und daneben auch nicht einen Fuß breit von
der bisherigen Bahn zur unbeſchränkten Willkühr ab¬
zuweichen. Die Gewalt, die bisher der Despotism
in despotiſchen Formen ausgeübt, durfte nur in den¬
ſelben Formen als Ausfluß ihrer Machtvollkommenheit,
eine illuſoriſche Freyheit ſetzen, wie es auch Napoleon
am 18. Brumaire gethan; und ſie hatte ſtatt rückgän¬
gig zu werden, den Gipfel der Willkühr erreicht, die
da höhniſch eine ſogenannte Freyheit durch Cabinets¬
ordren befiehlt. So wurde jene dortige erſte Conſti¬
tution commandirt, und die Ständeverſammlung zu¬
ſammenberufen.

Aber es lebten in dieſem Lande noch zu viele Men¬
ſchen, die wenigſtens noch die letzten Strahlen der unter¬
gehenden Freyheit geſehen, und in ihnen entwickelte
ſich nun ganz einfach aus der Natur der Dinge jener
Widerſpruch, der ſich ſchlechthin auf das alte Recht
berief, die Uſurpation mit allen ihren Folgerungen als
ein Recht begründendes Faktum von vorn herein gänz¬
lich negirte, ſich hinter ihr auf dem feſten Boden der
Geſchichte niederließ, und von da aus die Eidbrüchig¬
keit der uſurpirenden Gewalt vor der Welt laut an¬
klagte. Einer ſolchen vereinten Maſſe von Licht, Recht,
Kraft und Feſtigkeit, konnte vom Standpunkt einer
übelbefeſtigten Gewalt, deren Arm durch den Sturz
des oberſten Gewaltverleihers zerſchmettert war, nicht
begegnet werden; und der Hof verſtand ſich, nachdem
der unnütze Kampf eine Zeit lang gedauert hatte, zu

<TEI>
  <text>
    <body>
      <p><pb facs="#f0031" n="23"/>
Congre&#x017F;&#x017F;e aus, die Bewegungen der neuen Zeit wahr¬<lb/>
genommen, &#x017F;chien es ihm ein leichtes Ding, ihre lau¬<lb/>
ten An&#x017F;prüche mit einigen liberalen Gaukeleyen abzu¬<lb/>
finden, und daneben auch nicht einen Fuß breit von<lb/>
der bisherigen Bahn zur unbe&#x017F;chränkten Willkühr ab¬<lb/>
zuweichen. Die Gewalt, die bisher der Despotism<lb/>
in despoti&#x017F;chen Formen ausgeübt, durfte nur in den¬<lb/>
&#x017F;elben Formen als Ausfluß ihrer Machtvollkommenheit,<lb/>
eine illu&#x017F;ori&#x017F;che Freyheit &#x017F;etzen, wie es auch Napoleon<lb/>
am 18. Brumaire gethan; und &#x017F;ie hatte &#x017F;tatt rückgän¬<lb/>
gig zu werden, den Gipfel der Willkühr erreicht, die<lb/>
da höhni&#x017F;ch eine &#x017F;ogenannte Freyheit durch Cabinets¬<lb/>
ordren befiehlt. So wurde jene dortige er&#x017F;te Con&#x017F;ti¬<lb/>
tution commandirt, und die Ständever&#x017F;ammlung zu¬<lb/>
&#x017F;ammenberufen.</p><lb/>
      <p>Aber es lebten in die&#x017F;em Lande noch zu viele Men¬<lb/>
&#x017F;chen, die wenig&#x017F;tens noch die letzten Strahlen der unter¬<lb/>
gehenden Freyheit ge&#x017F;ehen, und in ihnen entwickelte<lb/>
&#x017F;ich nun ganz einfach aus der Natur der Dinge jener<lb/>
Wider&#x017F;pruch, der &#x017F;ich &#x017F;chlechthin auf das alte Recht<lb/>
berief, die U&#x017F;urpation mit allen ihren Folgerungen als<lb/>
ein Recht begründendes Faktum von vorn herein gänz¬<lb/>
lich negirte, &#x017F;ich hinter ihr auf dem fe&#x017F;ten Boden der<lb/>
Ge&#x017F;chichte niederließ, und von da aus die Eidbrüchig¬<lb/>
keit der u&#x017F;urpirenden Gewalt vor der Welt laut an¬<lb/>
klagte. Einer &#x017F;olchen vereinten Ma&#x017F;&#x017F;e von Licht, Recht,<lb/>
Kraft und Fe&#x017F;tigkeit, konnte vom Standpunkt einer<lb/>
übelbefe&#x017F;tigten Gewalt, deren Arm durch den Sturz<lb/>
des ober&#x017F;ten Gewaltverleihers zer&#x017F;chmettert war, nicht<lb/>
begegnet werden; und der Hof ver&#x017F;tand &#x017F;ich, nachdem<lb/>
der unnütze Kampf eine Zeit lang gedauert hatte, zu<lb/></p>
    </body>
  </text>
</TEI>
[23/0031] Congreſſe aus, die Bewegungen der neuen Zeit wahr¬ genommen, ſchien es ihm ein leichtes Ding, ihre lau¬ ten Anſprüche mit einigen liberalen Gaukeleyen abzu¬ finden, und daneben auch nicht einen Fuß breit von der bisherigen Bahn zur unbeſchränkten Willkühr ab¬ zuweichen. Die Gewalt, die bisher der Despotism in despotiſchen Formen ausgeübt, durfte nur in den¬ ſelben Formen als Ausfluß ihrer Machtvollkommenheit, eine illuſoriſche Freyheit ſetzen, wie es auch Napoleon am 18. Brumaire gethan; und ſie hatte ſtatt rückgän¬ gig zu werden, den Gipfel der Willkühr erreicht, die da höhniſch eine ſogenannte Freyheit durch Cabinets¬ ordren befiehlt. So wurde jene dortige erſte Conſti¬ tution commandirt, und die Ständeverſammlung zu¬ ſammenberufen. Aber es lebten in dieſem Lande noch zu viele Men¬ ſchen, die wenigſtens noch die letzten Strahlen der unter¬ gehenden Freyheit geſehen, und in ihnen entwickelte ſich nun ganz einfach aus der Natur der Dinge jener Widerſpruch, der ſich ſchlechthin auf das alte Recht berief, die Uſurpation mit allen ihren Folgerungen als ein Recht begründendes Faktum von vorn herein gänz¬ lich negirte, ſich hinter ihr auf dem feſten Boden der Geſchichte niederließ, und von da aus die Eidbrüchig¬ keit der uſurpirenden Gewalt vor der Welt laut an¬ klagte. Einer ſolchen vereinten Maſſe von Licht, Recht, Kraft und Feſtigkeit, konnte vom Standpunkt einer übelbefeſtigten Gewalt, deren Arm durch den Sturz des oberſten Gewaltverleihers zerſchmettert war, nicht begegnet werden; und der Hof verſtand ſich, nachdem der unnütze Kampf eine Zeit lang gedauert hatte, zu

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goerres_revolution_1819
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goerres_revolution_1819/31
Zitationshilfe: Görres, Joseph von: Teutschland und die Revolution. Koblenz, 1819, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goerres_revolution_1819/31>, abgerufen am 24.11.2024.