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Görres, Joseph von: Teutschland und die Revolution. Koblenz, 1819.

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Ernst war über die Zeit gekommen, die seither mehr
spielend mit den Ereignissen sich abgegeben.

Dem Schlage, der die Gemüther in allen Tiefen
aufgeregt, folgte bald ein Zweyter, gerade durch die
schnelle Folge furchtbar und erschütternd. Ein junger
Mann, dem das machiavellistische System, das seine
Heimath umsponnen hielt, längst ein Greuel gewesen,
hatte eine an sich gutartige, ruhige aber finster in sich
gekehrte Natur durch jenes gallenbittre Zornesfeuer zu
einem Grade entzünden lassen, daß auch er durch
eine Gewaltthat jene Netze zu zerreißen bey sich beschloß.
Er hatte den Präsidenten Ibell, in dem er den Urhe¬
ber dieses Systems gefunden, zum Opfer ausersehen.
Aber es ist noch kein des Todes würdiges Verbrechen,
wenn die übermüthige Kraft über die Menge, die auf
gesetzlichem Wege sich der Dienstbarkeit erwehren kann,
auch sogar durch verwerfliche Mittel, sich der Tiran¬
ney bemeistert; nur so viel kann von Freyheit der Masse
zu Theile werden, als sie zu verdienen weiß, und ge¬
waltthätige Handlungen können nimmer den Mangel
des Verdienstes ersetzen. Das war der zweyte Irr¬
thum des jungen Mannes, außer dem, den er mit
Sand gemein gehabt, beide hat er mit dem Leben be¬
zahlen müssen; an dem Angegriffenen aber ist der To¬
desengel vorbeygegangen, grimmig hat er ihm ins
scheue Auge hineingeblickt, und es ist zu hoffen, daß
er den Blick verstanden, und die furchtbare Cata¬
strophe zu seinem Seelenheile diene.

So ist denn das Schicksal, mit dem sie auf der
Bühne so lange ihr Spiel getrieben, furchtbar mitten
unter sie getreten, daß das Entsetzen in ihrem Leicht¬

Ernſt war über die Zeit gekommen, die ſeither mehr
ſpielend mit den Ereigniſſen ſich abgegeben.

Dem Schlage, der die Gemüther in allen Tiefen
aufgeregt, folgte bald ein Zweyter, gerade durch die
ſchnelle Folge furchtbar und erſchütternd. Ein junger
Mann, dem das machiavelliſtiſche Syſtem, das ſeine
Heimath umſponnen hielt, längſt ein Greuel geweſen,
hatte eine an ſich gutartige, ruhige aber finſter in ſich
gekehrte Natur durch jenes gallenbittre Zornesfeuer zu
einem Grade entzünden laſſen, daß auch er durch
eine Gewaltthat jene Netze zu zerreißen bey ſich beſchloß.
Er hatte den Präſidenten Ibell, in dem er den Urhe¬
ber dieſes Syſtems gefunden, zum Opfer auserſehen.
Aber es iſt noch kein des Todes würdiges Verbrechen,
wenn die übermüthige Kraft über die Menge, die auf
geſetzlichem Wege ſich der Dienſtbarkeit erwehren kann,
auch ſogar durch verwerfliche Mittel, ſich der Tiran¬
ney bemeiſtert; nur ſo viel kann von Freyheit der Maſſe
zu Theile werden, als ſie zu verdienen weiß, und ge¬
waltthätige Handlungen können nimmer den Mangel
des Verdienſtes erſetzen. Das war der zweyte Irr¬
thum des jungen Mannes, außer dem, den er mit
Sand gemein gehabt, beide hat er mit dem Leben be¬
zahlen müſſen; an dem Angegriffenen aber iſt der To¬
desengel vorbeygegangen, grimmig hat er ihm ins
ſcheue Auge hineingeblickt, und es iſt zu hoffen, daß
er den Blick verſtanden, und die furchtbare Cata¬
ſtrophe zu ſeinem Seelenheile diene.

So iſt denn das Schickſal, mit dem ſie auf der
Bühne ſo lange ihr Spiel getrieben, furchtbar mitten
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[110/0118] Ernſt war über die Zeit gekommen, die ſeither mehr ſpielend mit den Ereigniſſen ſich abgegeben. Dem Schlage, der die Gemüther in allen Tiefen aufgeregt, folgte bald ein Zweyter, gerade durch die ſchnelle Folge furchtbar und erſchütternd. Ein junger Mann, dem das machiavelliſtiſche Syſtem, das ſeine Heimath umſponnen hielt, längſt ein Greuel geweſen, hatte eine an ſich gutartige, ruhige aber finſter in ſich gekehrte Natur durch jenes gallenbittre Zornesfeuer zu einem Grade entzünden laſſen, daß auch er durch eine Gewaltthat jene Netze zu zerreißen bey ſich beſchloß. Er hatte den Präſidenten Ibell, in dem er den Urhe¬ ber dieſes Syſtems gefunden, zum Opfer auserſehen. Aber es iſt noch kein des Todes würdiges Verbrechen, wenn die übermüthige Kraft über die Menge, die auf geſetzlichem Wege ſich der Dienſtbarkeit erwehren kann, auch ſogar durch verwerfliche Mittel, ſich der Tiran¬ ney bemeiſtert; nur ſo viel kann von Freyheit der Maſſe zu Theile werden, als ſie zu verdienen weiß, und ge¬ waltthätige Handlungen können nimmer den Mangel des Verdienſtes erſetzen. Das war der zweyte Irr¬ thum des jungen Mannes, außer dem, den er mit Sand gemein gehabt, beide hat er mit dem Leben be¬ zahlen müſſen; an dem Angegriffenen aber iſt der To¬ desengel vorbeygegangen, grimmig hat er ihm ins ſcheue Auge hineingeblickt, und es iſt zu hoffen, daß er den Blick verſtanden, und die furchtbare Cata¬ ſtrophe zu ſeinem Seelenheile diene. So iſt denn das Schickſal, mit dem ſie auf der Bühne ſo lange ihr Spiel getrieben, furchtbar mitten unter ſie getreten, daß das Entſetzen in ihrem Leicht¬

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Zitationshilfe: Görres, Joseph von: Teutschland und die Revolution. Koblenz, 1819, S. 110. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goerres_revolution_1819/118>, abgerufen am 23.11.2024.