Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Glümer, Claire von: Reich zu reich und arm zu arm. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 19. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 255–326. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

aus, fuhr sie fort, indem sie ihm näher trat und die Hand auf seinen Arm legte . . . Erinnere dich lieber, wie viel auch ich darum ausgestanden habe! Vor fünf Jahren, zum heiligen Dreikönig war's, als du anfingst mir zu sagen, daß du mich lieb hast . . .

Und du lachest mich aus! fiel Francois ein.

Ich lachte, weil ich ein einfältiges Rind war und immer nur an gute Kameradschaft zwischen uns gedacht hatte. Aber mit dem Lachen nahm's gar bald ein Ende. Du weißt es ja selbst, es geschah, als hier in Jurancon das große Feuer war und am anderen Morgen das Gerede war, du wärst dabei verunglückt und würdest schwerlich wieder aufkommen. Als ich das von den Leuten erzählen hörte, die in die Mühle kamen, lief ich fort trotz Regen und Sturm und hatte keine Ruhe, bis ich dich beim alten Caduchon gefunden und mich überzeugt hatte, daß deine Brandwunden nicht gefährlich wären. Von Stund' an hab' ich gewußt, daß ich dich lieb hatte, aber auch ebenso gewiß, daß wir nie zusammenkommen können.

Rühme dich nur, daß dein Hochmuth immer stärker gewesen ist, als dein Herz! sagte Francois.

Du bist ungerecht, gab sie traurig zur Antwort.

Ist das Hochmuth, wenn man sich selbst bezwingt, um zu thun, was Schuldigkeit ist? Arm zu arm und reich zu reich, heißt's im Sprüchwort. So ist's von jeher gewesen, und in jeder guten Familie wird darauf gehalten. Wie das die Bardets thun, zu denen meine

aus, fuhr sie fort, indem sie ihm näher trat und die Hand auf seinen Arm legte . . . Erinnere dich lieber, wie viel auch ich darum ausgestanden habe! Vor fünf Jahren, zum heiligen Dreikönig war's, als du anfingst mir zu sagen, daß du mich lieb hast . . .

Und du lachest mich aus! fiel François ein.

Ich lachte, weil ich ein einfältiges Rind war und immer nur an gute Kameradschaft zwischen uns gedacht hatte. Aber mit dem Lachen nahm's gar bald ein Ende. Du weißt es ja selbst, es geschah, als hier in Jurançon das große Feuer war und am anderen Morgen das Gerede war, du wärst dabei verunglückt und würdest schwerlich wieder aufkommen. Als ich das von den Leuten erzählen hörte, die in die Mühle kamen, lief ich fort trotz Regen und Sturm und hatte keine Ruhe, bis ich dich beim alten Caduchon gefunden und mich überzeugt hatte, daß deine Brandwunden nicht gefährlich wären. Von Stund' an hab' ich gewußt, daß ich dich lieb hatte, aber auch ebenso gewiß, daß wir nie zusammenkommen können.

Rühme dich nur, daß dein Hochmuth immer stärker gewesen ist, als dein Herz! sagte François.

Du bist ungerecht, gab sie traurig zur Antwort.

Ist das Hochmuth, wenn man sich selbst bezwingt, um zu thun, was Schuldigkeit ist? Arm zu arm und reich zu reich, heißt's im Sprüchwort. So ist's von jeher gewesen, und in jeder guten Familie wird darauf gehalten. Wie das die Bardets thun, zu denen meine

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="chapter" n="2">
        <p><pb facs="#f0024"/>
aus, fuhr sie fort, indem sie ihm näher trat und                die Hand auf seinen Arm legte . . . Erinnere dich lieber, wie viel auch ich darum                ausgestanden habe! Vor fünf Jahren, zum heiligen Dreikönig war's, als du anfingst mir                zu sagen, daß du mich lieb hast . . .</p><lb/>
        <p>Und du lachest mich aus! fiel François ein.</p><lb/>
        <p>Ich lachte, weil ich ein einfältiges Rind war und immer nur an gute Kameradschaft                zwischen uns gedacht hatte. Aber mit dem Lachen nahm's gar bald ein Ende. Du weißt es                ja selbst, es geschah, als hier in Jurançon das große Feuer war und am anderen Morgen                das Gerede war, du wärst dabei verunglückt und würdest schwerlich wieder aufkommen.                Als ich das von den Leuten erzählen hörte, die in die Mühle kamen, lief ich fort                trotz Regen und Sturm und hatte keine Ruhe, bis ich dich beim alten Caduchon gefunden                und mich überzeugt hatte, daß deine Brandwunden nicht gefährlich wären. Von Stund' an                hab' ich gewußt, daß ich dich lieb hatte, aber auch ebenso gewiß, daß wir nie                zusammenkommen können.</p><lb/>
        <p>Rühme dich nur, daß dein Hochmuth immer stärker gewesen ist, als dein Herz! sagte                François.</p><lb/>
        <p>Du bist ungerecht, gab sie traurig zur Antwort.</p><lb/>
        <p>Ist das Hochmuth, wenn man sich selbst bezwingt, um zu thun, was Schuldigkeit ist?                Arm zu arm und reich zu reich, heißt's im Sprüchwort. So ist's von jeher gewesen, und                in jeder guten Familie wird darauf gehalten. Wie das die Bardets thun, zu denen meine<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0024] aus, fuhr sie fort, indem sie ihm näher trat und die Hand auf seinen Arm legte . . . Erinnere dich lieber, wie viel auch ich darum ausgestanden habe! Vor fünf Jahren, zum heiligen Dreikönig war's, als du anfingst mir zu sagen, daß du mich lieb hast . . . Und du lachest mich aus! fiel François ein. Ich lachte, weil ich ein einfältiges Rind war und immer nur an gute Kameradschaft zwischen uns gedacht hatte. Aber mit dem Lachen nahm's gar bald ein Ende. Du weißt es ja selbst, es geschah, als hier in Jurançon das große Feuer war und am anderen Morgen das Gerede war, du wärst dabei verunglückt und würdest schwerlich wieder aufkommen. Als ich das von den Leuten erzählen hörte, die in die Mühle kamen, lief ich fort trotz Regen und Sturm und hatte keine Ruhe, bis ich dich beim alten Caduchon gefunden und mich überzeugt hatte, daß deine Brandwunden nicht gefährlich wären. Von Stund' an hab' ich gewußt, daß ich dich lieb hatte, aber auch ebenso gewiß, daß wir nie zusammenkommen können. Rühme dich nur, daß dein Hochmuth immer stärker gewesen ist, als dein Herz! sagte François. Du bist ungerecht, gab sie traurig zur Antwort. Ist das Hochmuth, wenn man sich selbst bezwingt, um zu thun, was Schuldigkeit ist? Arm zu arm und reich zu reich, heißt's im Sprüchwort. So ist's von jeher gewesen, und in jeder guten Familie wird darauf gehalten. Wie das die Bardets thun, zu denen meine

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-14T15:29:37Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-14T15:29:37Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gluemer_arm_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gluemer_arm_1910/24
Zitationshilfe: Glümer, Claire von: Reich zu reich und arm zu arm. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 19. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 255–326. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gluemer_arm_1910/24>, abgerufen am 25.11.2024.