Glümer, Claire von: Reich zu reich und arm zu arm. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 19. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 255–326. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Ihr habt Recht, unser Herrgott muß Rücksicht nehmen, spottete der Alte. Aber was die Gäste betrifft, so werdet Ihr es noch am Besten aushalten. Wer kommt denn? wohl die ganze Verwandtschaft? Natürlich die ganze Verwandtschaft, antwortete Bardet, indem er die fetten Hände tief in die Hosentaschen schob und sich förmlich aufzublasen schien. Das sind schon elf Personen: mein Bruder kommt mit der Frau und vier Kindern, der Vetter Roubin, die Base aus Gelos mit ihrem Jungen, mein Schwager Vidal aus der Obermühle mit der Claudine. Aber es kommen noch andere Leute . . . z. B. der Basil Henriot aus Aressi . . . Oho! rief der Cadet Caduchon, indem er den zahnlosen Mund von einem Ohre zum andern zog; der reiche Henriot und die schöne Claudine! da soll's wohl eine Hochzeit geben? Dummes Zeug! . . . macht mir kein Gerede! brummte der Weinbauer, aber sein Gesicht sagte deutlich: Uebers Jahr gehört auch der reiche Henriot zu meiner Verwandtschaft. Der Cadet Caduchon wollte das jedoch nicht verstehen. Also keine Hochzeit, sagte er; aufrichtig, Nachbar, es hätte mir auch leid gethan um die Claudine. Der Henriot ist ja mit allem seinem Gelde nur ein armer Tropf, der jahraus, jahrein nicht einen richtigen Gedanken im Kopfe hat. Ihr habt Recht, unser Herrgott muß Rücksicht nehmen, spottete der Alte. Aber was die Gäste betrifft, so werdet Ihr es noch am Besten aushalten. Wer kommt denn? wohl die ganze Verwandtschaft? Natürlich die ganze Verwandtschaft, antwortete Bardet, indem er die fetten Hände tief in die Hosentaschen schob und sich förmlich aufzublasen schien. Das sind schon elf Personen: mein Bruder kommt mit der Frau und vier Kindern, der Vetter Roubin, die Base aus Gélos mit ihrem Jungen, mein Schwager Vidal aus der Obermühle mit der Claudine. Aber es kommen noch andere Leute . . . z. B. der Basil Henriot aus Aressi . . . Oho! rief der Cadet Caduchon, indem er den zahnlosen Mund von einem Ohre zum andern zog; der reiche Henriot und die schöne Claudine! da soll's wohl eine Hochzeit geben? Dummes Zeug! . . . macht mir kein Gerede! brummte der Weinbauer, aber sein Gesicht sagte deutlich: Uebers Jahr gehört auch der reiche Henriot zu meiner Verwandtschaft. Der Cadet Caduchon wollte das jedoch nicht verstehen. Also keine Hochzeit, sagte er; aufrichtig, Nachbar, es hätte mir auch leid gethan um die Claudine. Der Henriot ist ja mit allem seinem Gelde nur ein armer Tropf, der jahraus, jahrein nicht einen richtigen Gedanken im Kopfe hat. <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="1"> <pb facs="#f0011"/> <p>Ihr habt Recht, unser Herrgott muß Rücksicht nehmen, spottete der Alte. Aber was die Gäste betrifft, so werdet Ihr es noch am Besten aushalten. Wer kommt denn? wohl die ganze Verwandtschaft?</p><lb/> <p>Natürlich die ganze Verwandtschaft, antwortete Bardet, indem er die fetten Hände tief in die Hosentaschen schob und sich förmlich aufzublasen schien. Das sind schon elf Personen: mein Bruder kommt mit der Frau und vier Kindern, der Vetter Roubin, die Base aus Gélos mit ihrem Jungen, mein Schwager Vidal aus der Obermühle mit der Claudine. Aber es kommen noch andere Leute . . . z. B. der Basil Henriot aus Aressi . . .</p><lb/> <p>Oho! rief der Cadet Caduchon, indem er den zahnlosen Mund von einem Ohre zum andern zog; der reiche Henriot und die schöne Claudine! da soll's wohl eine Hochzeit geben?</p><lb/> <p>Dummes Zeug! . . . macht mir kein Gerede<choice><sic/><corr>!</corr></choice> brummte der Weinbauer, aber sein Gesicht sagte deutlich: Uebers Jahr gehört auch der reiche Henriot zu meiner Verwandtschaft.</p><lb/> <p>Der Cadet Caduchon wollte das jedoch nicht verstehen.</p><lb/> <p>Also keine Hochzeit, sagte er; aufrichtig, Nachbar, es hätte mir auch leid gethan um die Claudine. Der Henriot ist ja mit allem seinem Gelde nur ein armer Tropf, der jahraus, jahrein nicht <hi rendition="#g">einen</hi> richtigen Gedanken im Kopfe hat.</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [0011]
Ihr habt Recht, unser Herrgott muß Rücksicht nehmen, spottete der Alte. Aber was die Gäste betrifft, so werdet Ihr es noch am Besten aushalten. Wer kommt denn? wohl die ganze Verwandtschaft?
Natürlich die ganze Verwandtschaft, antwortete Bardet, indem er die fetten Hände tief in die Hosentaschen schob und sich förmlich aufzublasen schien. Das sind schon elf Personen: mein Bruder kommt mit der Frau und vier Kindern, der Vetter Roubin, die Base aus Gélos mit ihrem Jungen, mein Schwager Vidal aus der Obermühle mit der Claudine. Aber es kommen noch andere Leute . . . z. B. der Basil Henriot aus Aressi . . .
Oho! rief der Cadet Caduchon, indem er den zahnlosen Mund von einem Ohre zum andern zog; der reiche Henriot und die schöne Claudine! da soll's wohl eine Hochzeit geben?
Dummes Zeug! . . . macht mir kein Gerede! brummte der Weinbauer, aber sein Gesicht sagte deutlich: Uebers Jahr gehört auch der reiche Henriot zu meiner Verwandtschaft.
Der Cadet Caduchon wollte das jedoch nicht verstehen.
Also keine Hochzeit, sagte er; aufrichtig, Nachbar, es hätte mir auch leid gethan um die Claudine. Der Henriot ist ja mit allem seinem Gelde nur ein armer Tropf, der jahraus, jahrein nicht einen richtigen Gedanken im Kopfe hat.
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Zitationshilfe: | Glümer, Claire von: Reich zu reich und arm zu arm. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 19. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 255–326. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gluemer_arm_1910/11>, abgerufen am 16.02.2025. |