Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1791.

Bild:
<< vorherige Seite

1. Buch. 9--22. Tit. §. 183.
hülfe mit dem Verlust seiner habenden Ansprüche, und
wer Privatgewalt ausübt, ohne einen rechtlichen Anspruch
wirklich gehabt zu haben, muß ausser der Rückgabe der
weggenommenen Sachen, den Werth davon zur Strafe
oben drauf geben. Die teutschen Reichsgesetze haben die-
se Verordnung nirgends aufgehoben, sondern vielmehr
nicht undeutlich bestätiget 19). Es ist auch mit Grunde
nicht zu behaupten, daß das Gesetz zu hart sey. Denn
da in jedem Staate Gerichte bestellet sind, die Recht und
Gerechtigkeit handhaben, und durch deren Beyhülfe ein
jeder sein Recht geltend machen kann; so ist gewiß nichts
übertriebenes darinn zu finden, wenn derjenige seines
Rechts verlustig erklärt wird, der es auf diesem gesetzlichen
Wege nicht suchen, sondern als ein Feind guter Ordnung
die Ruhe und Sicherheit des gemeinen Wesens zerrütten
will 20). Die Selbsthülfe kann jedoch nur blos in soweit
für unerlaubt und strafbar gehalten werden, als man sein
Recht ohne allen Nachtheil gerichtlich hätte verfolgen und
erhalten können. Sie ist daher erlaubt, sofern sie
blos zur Vertheidigung des Unsrigen in ei-
nem solchen Fall angewendet wird, da die
Hülfe des Richters nicht schnell genug erfol-
gen kann, einen unwiderbringlichen Schaden

abzu-
19) Kammergerichtsordn. v. Jahr 1521. Tit. 32. §. 2.
Reichsabsch. v. J. 1532. Tit. 3. §. 15.
20) S. koch Institut. Iur. crimin. Lib. II. cap. VI. §. 242. not.
I. H. boehmer in Diss. de poena ins sibi dicentis sine iudice
Cap. 2. Nicol. Christoph. L. B. de lyncker in Praescriptio-
nib. public. (Viennae 1723. 8.) Praescr. VII.
Medita-
tionen über verschiedene Rechtsmaterien
von
zweyen Rechtsgelehrten I. Band Meditat. 51. und Ern. Lud.
Aug.
eisenhart Diss. de poena legibus Roman. adversus
vindictam privatam sancita in foris adhuc valida. Helmstadii

1787.

1. Buch. 9—22. Tit. §. 183.
huͤlfe mit dem Verluſt ſeiner habenden Anſpruͤche, und
wer Privatgewalt ausuͤbt, ohne einen rechtlichen Anſpruch
wirklich gehabt zu haben, muß auſſer der Ruͤckgabe der
weggenommenen Sachen, den Werth davon zur Strafe
oben drauf geben. Die teutſchen Reichsgeſetze haben die-
ſe Verordnung nirgends aufgehoben, ſondern vielmehr
nicht undeutlich beſtaͤtiget 19). Es iſt auch mit Grunde
nicht zu behaupten, daß das Geſetz zu hart ſey. Denn
da in jedem Staate Gerichte beſtellet ſind, die Recht und
Gerechtigkeit handhaben, und durch deren Beyhuͤlfe ein
jeder ſein Recht geltend machen kann; ſo iſt gewiß nichts
uͤbertriebenes darinn zu finden, wenn derjenige ſeines
Rechts verluſtig erklaͤrt wird, der es auf dieſem geſetzlichen
Wege nicht ſuchen, ſondern als ein Feind guter Ordnung
die Ruhe und Sicherheit des gemeinen Weſens zerruͤtten
will 20). Die Selbſthuͤlfe kann jedoch nur blos in ſoweit
fuͤr unerlaubt und ſtrafbar gehalten werden, als man ſein
Recht ohne allen Nachtheil gerichtlich haͤtte verfolgen und
erhalten koͤnnen. Sie iſt daher erlaubt, ſofern ſie
blos zur Vertheidigung des Unſrigen in ei-
nem ſolchen Fall angewendet wird, da die
Huͤlfe des Richters nicht ſchnell genug erfol-
gen kann, einen unwiderbringlichen Schaden

abzu-
19) Kammergerichtsordn. v. Jahr 1521. Tit. 32. §. 2.
Reichsabſch. v. J. 1532. Tit. 3. §. 15.
20) S. koch Inſtitut. Iur. crimin. Lib. II. cap. VI. §. 242. not.
I. H. boehmer in Diſſ. de poena ins ſibi dicentis ſine iudice
Cap. 2. Nicol. Chriſtoph. L. B. de lyncker in Praeſcriptio-
nib. public. (Viennae 1723. 8.) Praeſcr. VII.
Medita-
tionen uͤber verſchiedene Rechtsmaterien
von
zweyen Rechtsgelehrten I. Band Meditat. 51. und Ern. Lud.
Aug.
eisenhart Diſſ. de poena legibus Roman. adverſus
vindictam privatam ſancita in foris adhuc valida. Helmſtadii

1787.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0574" n="560"/><fw place="top" type="header">1. Buch. 9&#x2014;22. Tit. §. 183.</fw><lb/>
hu&#x0364;lfe mit dem Verlu&#x017F;t &#x017F;einer habenden An&#x017F;pru&#x0364;che, und<lb/>
wer Privatgewalt ausu&#x0364;bt, ohne einen rechtlichen An&#x017F;pruch<lb/>
wirklich gehabt zu haben, muß au&#x017F;&#x017F;er der Ru&#x0364;ckgabe der<lb/>
weggenommenen Sachen, den Werth davon zur Strafe<lb/>
oben drauf geben. Die teut&#x017F;chen Reichsge&#x017F;etze haben die-<lb/>
&#x017F;e Verordnung nirgends aufgehoben, &#x017F;ondern vielmehr<lb/>
nicht undeutlich be&#x017F;ta&#x0364;tiget <note place="foot" n="19)"><hi rendition="#g">Kammergerichtsordn</hi>. v. Jahr 1521. <hi rendition="#aq">Tit.</hi> 32. §. 2.<lb/>
Reichsab&#x017F;ch. v. J. 1532. <hi rendition="#aq">Tit.</hi> 3. §. 15.</note>. Es i&#x017F;t auch mit Grunde<lb/>
nicht zu behaupten, daß das Ge&#x017F;etz zu hart &#x017F;ey. Denn<lb/>
da in jedem Staate Gerichte be&#x017F;tellet &#x017F;ind, die Recht und<lb/>
Gerechtigkeit handhaben, und durch deren Beyhu&#x0364;lfe ein<lb/>
jeder &#x017F;ein Recht geltend machen kann; &#x017F;o i&#x017F;t gewiß nichts<lb/>
u&#x0364;bertriebenes darinn zu finden, wenn derjenige &#x017F;eines<lb/>
Rechts verlu&#x017F;tig erkla&#x0364;rt wird, der es auf die&#x017F;em ge&#x017F;etzlichen<lb/>
Wege nicht &#x017F;uchen, &#x017F;ondern als ein Feind guter Ordnung<lb/>
die Ruhe und Sicherheit des gemeinen We&#x017F;ens zerru&#x0364;tten<lb/>
will <note place="foot" n="20)">S. <hi rendition="#aq"><hi rendition="#k">koch</hi> In&#x017F;titut. Iur. crimin. Lib. II. cap. VI. §. 242. not.<lb/><hi rendition="#i">I. H.</hi> <hi rendition="#k">boehmer</hi> in Di&#x017F;&#x017F;. de poena ins &#x017F;ibi dicentis &#x017F;ine iudice<lb/>
Cap. 2. <hi rendition="#i">Nicol. Chri&#x017F;toph.</hi> L. B. <hi rendition="#i">de</hi> <hi rendition="#k">lyncker</hi> in Prae&#x017F;criptio-<lb/>
nib. public. <hi rendition="#i">(Viennae</hi> 1723. 8.) <hi rendition="#i">Prae&#x017F;cr. VII.</hi></hi> <hi rendition="#g">Medita-<lb/>
tionen u&#x0364;ber ver&#x017F;chiedene Rechtsmaterien</hi> von<lb/>
zweyen Rechtsgelehrten <hi rendition="#aq">I.</hi> Band Meditat. 51. und <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Ern. Lud.<lb/>
Aug.</hi><hi rendition="#k">eisenhart</hi> Di&#x017F;&#x017F;. de poena legibus Roman. adver&#x017F;us<lb/>
vindictam privatam &#x017F;ancita in foris adhuc valida. <hi rendition="#i">Helm&#x017F;tadii</hi></hi><lb/>
1787.</note>. Die Selb&#x017F;thu&#x0364;lfe kann jedoch nur blos in &#x017F;oweit<lb/>
fu&#x0364;r unerlaubt und &#x017F;trafbar gehalten werden, als man &#x017F;ein<lb/>
Recht ohne allen Nachtheil gerichtlich ha&#x0364;tte verfolgen und<lb/>
erhalten ko&#x0364;nnen. Sie i&#x017F;t daher erlaubt, <hi rendition="#g">&#x017F;ofern &#x017F;ie<lb/>
blos zur Vertheidigung des Un&#x017F;rigen in ei-<lb/>
nem &#x017F;olchen Fall angewendet wird, da die<lb/>
Hu&#x0364;lfe des Richters nicht &#x017F;chnell genug erfol-<lb/>
gen kann, einen unwiderbringlichen Schaden</hi><lb/>
<fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#g">abzu</hi>-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[560/0574] 1. Buch. 9—22. Tit. §. 183. huͤlfe mit dem Verluſt ſeiner habenden Anſpruͤche, und wer Privatgewalt ausuͤbt, ohne einen rechtlichen Anſpruch wirklich gehabt zu haben, muß auſſer der Ruͤckgabe der weggenommenen Sachen, den Werth davon zur Strafe oben drauf geben. Die teutſchen Reichsgeſetze haben die- ſe Verordnung nirgends aufgehoben, ſondern vielmehr nicht undeutlich beſtaͤtiget 19). Es iſt auch mit Grunde nicht zu behaupten, daß das Geſetz zu hart ſey. Denn da in jedem Staate Gerichte beſtellet ſind, die Recht und Gerechtigkeit handhaben, und durch deren Beyhuͤlfe ein jeder ſein Recht geltend machen kann; ſo iſt gewiß nichts uͤbertriebenes darinn zu finden, wenn derjenige ſeines Rechts verluſtig erklaͤrt wird, der es auf dieſem geſetzlichen Wege nicht ſuchen, ſondern als ein Feind guter Ordnung die Ruhe und Sicherheit des gemeinen Weſens zerruͤtten will 20). Die Selbſthuͤlfe kann jedoch nur blos in ſoweit fuͤr unerlaubt und ſtrafbar gehalten werden, als man ſein Recht ohne allen Nachtheil gerichtlich haͤtte verfolgen und erhalten koͤnnen. Sie iſt daher erlaubt, ſofern ſie blos zur Vertheidigung des Unſrigen in ei- nem ſolchen Fall angewendet wird, da die Huͤlfe des Richters nicht ſchnell genug erfol- gen kann, einen unwiderbringlichen Schaden abzu- 19) Kammergerichtsordn. v. Jahr 1521. Tit. 32. §. 2. Reichsabſch. v. J. 1532. Tit. 3. §. 15. 20) S. koch Inſtitut. Iur. crimin. Lib. II. cap. VI. §. 242. not. I. H. boehmer in Diſſ. de poena ins ſibi dicentis ſine iudice Cap. 2. Nicol. Chriſtoph. L. B. de lyncker in Praeſcriptio- nib. public. (Viennae 1723. 8.) Praeſcr. VII. Medita- tionen uͤber verſchiedene Rechtsmaterien von zweyen Rechtsgelehrten I. Band Meditat. 51. und Ern. Lud. Aug. eisenhart Diſſ. de poena legibus Roman. adverſus vindictam privatam ſancita in foris adhuc valida. Helmſtadii 1787.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten02_1791
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten02_1791/574
Zitationshilfe: Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1791, S. 560. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten02_1791/574>, abgerufen am 23.11.2024.