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Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1791.

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De adoptionibus, emancipationibus etc.
teriret worden, der Inofficiositätsklage bedienen könne,
wenn das präterirte Kind zu der Zeit, da der leibliche
Vater starb, sich noch in der Gewalt und Familie des
Adoptivvaters befunden? Dieser letzte Umstand machte
eben die Entscheidung der Frage zweifelhaft. Denn wä-
re das Adoptivkind zur Zeit des Absterbens seines leibli-
chen Vaters schon emancipirt, und hierdurch auch von
der väterlichen Gewalt des Adoptivvaters befreyet gewe-
sen, so hätte die Frage gar keine Schwierigkeit gehabt,
weil sodann dem präterirten Kinde die bonorum pos-
sessio contra tabulas
zu statten gekommen wäre 94).
Papinian sprach nun dem Kinde in dem vorliegenden
Fall die Inofficiositätsklage rund ab. Sein Entschei-
dungsgrund war, quod filius ad patrem adoptivum totam
spem extendere debeat, non successionem patris naturalis mo-
lestare
. Ein Grund, den hernach Justinian selbst zum
Entscheidungsgrunde seiner Verordnung macht. Das
Kind hatte sich einmal von der Familie seines leiblichen
Vaters losgesagt, und wurde in Ansehung desselben, so-
lange es in der Familie des Adoptivvaters war, wie ein
extraneus angesehen 95); ja es konnte sich über das Te-
stament seines leiblichen Vaters um so weniger beklagen,
weil ihm ja derselbe einen andern Vater zum Versorger
angewiesen hatte 96). Aus diesen Gründen hatte auch
Ulpian Papinians Meinung angenommen 97). Allein
Paulus läugnete nicht schlechterdings, daß dem Adop-
tivsohne die Inofficiositätsklage gegen das Testament sei-
nes leiblichen Vaters zustehe, nur glaubte er nicht, daß

das
94) §. 10. I. de hereditat. quae ab int. deferuntur.
95) §. 4. I. de exheredat. liberor.
96) L. 17. D. de bon. poss. contr. tab.
97) L. 8. §. 10. D. eod. tit.

De adoptionibus, emancipationibus etc.
teriret worden, der Inofficioſitaͤtsklage bedienen koͤnne,
wenn das praͤterirte Kind zu der Zeit, da der leibliche
Vater ſtarb, ſich noch in der Gewalt und Familie des
Adoptivvaters befunden? Dieſer letzte Umſtand machte
eben die Entſcheidung der Frage zweifelhaft. Denn waͤ-
re das Adoptivkind zur Zeit des Abſterbens ſeines leibli-
chen Vaters ſchon emancipirt, und hierdurch auch von
der vaͤterlichen Gewalt des Adoptivvaters befreyet gewe-
ſen, ſo haͤtte die Frage gar keine Schwierigkeit gehabt,
weil ſodann dem praͤterirten Kinde die bonorum poſ-
ſeſſio contra tabulas
zu ſtatten gekommen waͤre 94).
Papinian ſprach nun dem Kinde in dem vorliegenden
Fall die Inofficioſitaͤtsklage rund ab. Sein Entſchei-
dungsgrund war, quod filius ad patrem adoptivum totam
ſpem extendere debeat, non ſucceſſionem patris naturalis mo-
leſtare
. Ein Grund, den hernach Juſtinian ſelbſt zum
Entſcheidungsgrunde ſeiner Verordnung macht. Das
Kind hatte ſich einmal von der Familie ſeines leiblichen
Vaters losgeſagt, und wurde in Anſehung deſſelben, ſo-
lange es in der Familie des Adoptivvaters war, wie ein
extraneus angeſehen 95); ja es konnte ſich uͤber das Te-
ſtament ſeines leiblichen Vaters um ſo weniger beklagen,
weil ihm ja derſelbe einen andern Vater zum Verſorger
angewieſen hatte 96). Aus dieſen Gruͤnden hatte auch
Ulpian Papinians Meinung angenommen 97). Allein
Paulus laͤugnete nicht ſchlechterdings, daß dem Adop-
tivſohne die Inofficioſitaͤtsklage gegen das Teſtament ſei-
nes leiblichen Vaters zuſtehe, nur glaubte er nicht, daß

das
94) §. 10. I. de hereditat. quae ab int. deferuntur.
95) §. 4. I. de exheredat. liberor.
96) L. 17. D. de bon. poſſ. contr. tab.
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[315/0329] De adoptionibus, emancipationibus etc. teriret worden, der Inofficioſitaͤtsklage bedienen koͤnne, wenn das praͤterirte Kind zu der Zeit, da der leibliche Vater ſtarb, ſich noch in der Gewalt und Familie des Adoptivvaters befunden? Dieſer letzte Umſtand machte eben die Entſcheidung der Frage zweifelhaft. Denn waͤ- re das Adoptivkind zur Zeit des Abſterbens ſeines leibli- chen Vaters ſchon emancipirt, und hierdurch auch von der vaͤterlichen Gewalt des Adoptivvaters befreyet gewe- ſen, ſo haͤtte die Frage gar keine Schwierigkeit gehabt, weil ſodann dem praͤterirten Kinde die bonorum poſ- ſeſſio contra tabulas zu ſtatten gekommen waͤre 94). Papinian ſprach nun dem Kinde in dem vorliegenden Fall die Inofficioſitaͤtsklage rund ab. Sein Entſchei- dungsgrund war, quod filius ad patrem adoptivum totam ſpem extendere debeat, non ſucceſſionem patris naturalis mo- leſtare. Ein Grund, den hernach Juſtinian ſelbſt zum Entſcheidungsgrunde ſeiner Verordnung macht. Das Kind hatte ſich einmal von der Familie ſeines leiblichen Vaters losgeſagt, und wurde in Anſehung deſſelben, ſo- lange es in der Familie des Adoptivvaters war, wie ein extraneus angeſehen 95); ja es konnte ſich uͤber das Te- ſtament ſeines leiblichen Vaters um ſo weniger beklagen, weil ihm ja derſelbe einen andern Vater zum Verſorger angewieſen hatte 96). Aus dieſen Gruͤnden hatte auch Ulpian Papinians Meinung angenommen 97). Allein Paulus laͤugnete nicht ſchlechterdings, daß dem Adop- tivſohne die Inofficioſitaͤtsklage gegen das Teſtament ſei- nes leiblichen Vaters zuſtehe, nur glaubte er nicht, daß das 94) §. 10. I. de hereditat. quae ab int. deferuntur. 95) §. 4. I. de exheredat. liberor. 96) L. 17. D. de bon. poſſ. contr. tab. 97) L. 8. §. 10. D. eod. tit.

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Zitationshilfe: Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1791, S. 315. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten02_1791/329>, abgerufen am 25.11.2024.