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Glück, Christian Friedrich von: Verbesserungen und Zusätze zum ersten Bande des Glückischen Kommentars über die Pandecten. Für die Besitzer der ersten Ausgabe. Erlangen, 1798.

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Denn offenbar geht jener Ausspruch des Prätors nur die Richter
an, welche aus Partheylichkeit von den Gesetzen abweichen, und
ob der Grundsatz Ulpians ganz allgemein oder nur einschrän-
kend zu verstehen sey, ist theils unter den Rechtsgelehrten gar
noch nicht ausgemacht 31), theils ist auch überhaupt noch die
Frage, ob dieser Satz in Teutschland für eine Norm des Staats-
rechts gelten könne? Man unterscheide also vielmehr, ob von
Landesverträgen und Staatsgesetzen, oder von Pri-
vatgesetzen
die Rede ist, welche der Landesherr aus gesetz-
geberischer Macht promulgirt hat. Den Landesgesetzen der er-
stern Art ist das Oberhaupt des Staats allerdings unterworfen,
denn sie verbinden ihn und seine Nachfolger als Verträge. In
Ansehung der letztern ist hingegen wieder zwischen der Privat-
und öffentlichen Person des Landesherren ein Unterschied
zu machen. Wird der Landesherr als Privatperson betrach-
tet, so ist er, wie die übrigen Unterthanen im Lande, an seine
Gesetze gebunden. Entstehet daher in solchen Privatsachen ein
Streit zwischen dem Landesherrn und seinen Unterthanen, so
sollen dergleichen Processe nach Vorschrift der neuesten Wahl-
kapitulation
32) bey den ordentlichen Landesgerichten in er-
ster Instanz entschieden werden 33). Es ist demnach der Natur

der
32) Art. XIX. §. 6.
33) Schon vorher, ehe jene Bestimmung in die neueste Wahlka-
pitulation aufgenommen wurde, hatte die Beschwerlichkeit der
Austrägalinstanz die meisten teutschen Landesherren veranlaßt,
sich in ihren Streitigkeiten mit ihren Unterthanen ohne Verträ-
ge den ordentlichen Landes-Dicasteriis zu unterwerfen. Man
vergleiche Strubens gründlichen Unterricht von Regierungs-
und Justiz-Sachen. Sect. III. §. 12. Ge. Frid. martens Diss.
de foro S. R. I. Principum cum subditis suis litigantium. Goett.

1780. §. 29. Man sehe indessen hierbey Joh. Bapt. Schue
Gedanken über die Rechtsbeständigkeit des Art. 19. §. 6. Capi-
tulat. noviss.
in Betreff der Klagen teutscher Unterthanen gegen
ihre Landesherren. Wetzlar 1791. 8. und Ebendesselben
rechtliche Prüfung der Verträge und Gewohnheiten zwischen
teutschen Landesherren und Unterthanen mit Rücksicht auf zu
beschränkende reichsgerichtliche Jurisdiction. Wetzlar 1792. 8.
E 3

Denn offenbar geht jener Ausſpruch des Praͤtors nur die Richter
an, welche aus Partheylichkeit von den Geſetzen abweichen, und
ob der Grundſatz Ulpians ganz allgemein oder nur einſchraͤn-
kend zu verſtehen ſey, iſt theils unter den Rechtsgelehrten gar
noch nicht ausgemacht 31), theils iſt auch uͤberhaupt noch die
Frage, ob dieſer Satz in Teutſchland fuͤr eine Norm des Staats-
rechts gelten koͤnne? Man unterſcheide alſo vielmehr, ob von
Landesvertraͤgen und Staatsgeſetzen, oder von Pri-
vatgeſetzen
die Rede iſt, welche der Landesherr aus geſetz-
geberiſcher Macht promulgirt hat. Den Landesgeſetzen der er-
ſtern Art iſt das Oberhaupt des Staats allerdings unterworfen,
denn ſie verbinden ihn und ſeine Nachfolger als Vertraͤge. In
Anſehung der letztern iſt hingegen wieder zwiſchen der Privat-
und oͤffentlichen Perſon des Landesherren ein Unterſchied
zu machen. Wird der Landesherr als Privatperſon betrach-
tet, ſo iſt er, wie die uͤbrigen Unterthanen im Lande, an ſeine
Geſetze gebunden. Entſtehet daher in ſolchen Privatſachen ein
Streit zwiſchen dem Landesherrn und ſeinen Unterthanen, ſo
ſollen dergleichen Proceſſe nach Vorſchrift der neueſten Wahl-
kapitulation
32) bey den ordentlichen Landesgerichten in er-
ſter Inſtanz entſchieden werden 33). Es iſt demnach der Natur

der
32) Art. XIX. §. 6.
33) Schon vorher, ehe jene Beſtimmung in die neueſte Wahlka-
pitulation aufgenommen wurde, hatte die Beſchwerlichkeit der
Auſtraͤgalinſtanz die meiſten teutſchen Landesherren veranlaßt,
ſich in ihren Streitigkeiten mit ihren Unterthanen ohne Vertraͤ-
ge den ordentlichen Landes-Dicaſteriis zu unterwerfen. Man
vergleiche Strubens gruͤndlichen Unterricht von Regierungs-
und Juſtiz-Sachen. Sect. III. §. 12. Ge. Frid. martens Diſſ.
de foro S. R. I. Principum cum ſubditis ſuis litigantium. Goett.

1780. §. 29. Man ſehe indeſſen hierbey Joh. Bapt. Schue
Gedanken uͤber die Rechtsbeſtaͤndigkeit des Art. 19. §. 6. Capi-
tulat. noviſſ.
in Betreff der Klagen teutſcher Unterthanen gegen
ihre Landesherren. Wetzlar 1791. 8. und Ebendeſſelben
rechtliche Pruͤfung der Vertraͤge und Gewohnheiten zwiſchen
teutſchen Landesherren und Unterthanen mit Ruͤckſicht auf zu
beſchraͤnkende reichsgerichtliche Jurisdiction. Wetzlar 1792. 8.
E 3
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[69/0077] Denn offenbar geht jener Ausſpruch des Praͤtors nur die Richter an, welche aus Partheylichkeit von den Geſetzen abweichen, und ob der Grundſatz Ulpians ganz allgemein oder nur einſchraͤn- kend zu verſtehen ſey, iſt theils unter den Rechtsgelehrten gar noch nicht ausgemacht 31), theils iſt auch uͤberhaupt noch die Frage, ob dieſer Satz in Teutſchland fuͤr eine Norm des Staats- rechts gelten koͤnne? Man unterſcheide alſo vielmehr, ob von Landesvertraͤgen und Staatsgeſetzen, oder von Pri- vatgeſetzen die Rede iſt, welche der Landesherr aus geſetz- geberiſcher Macht promulgirt hat. Den Landesgeſetzen der er- ſtern Art iſt das Oberhaupt des Staats allerdings unterworfen, denn ſie verbinden ihn und ſeine Nachfolger als Vertraͤge. In Anſehung der letztern iſt hingegen wieder zwiſchen der Privat- und oͤffentlichen Perſon des Landesherren ein Unterſchied zu machen. Wird der Landesherr als Privatperſon betrach- tet, ſo iſt er, wie die uͤbrigen Unterthanen im Lande, an ſeine Geſetze gebunden. Entſtehet daher in ſolchen Privatſachen ein Streit zwiſchen dem Landesherrn und ſeinen Unterthanen, ſo ſollen dergleichen Proceſſe nach Vorſchrift der neueſten Wahl- kapitulation 32) bey den ordentlichen Landesgerichten in er- ſter Inſtanz entſchieden werden 33). Es iſt demnach der Natur der 32) Art. XIX. §. 6. 33) Schon vorher, ehe jene Beſtimmung in die neueſte Wahlka- pitulation aufgenommen wurde, hatte die Beſchwerlichkeit der Auſtraͤgalinſtanz die meiſten teutſchen Landesherren veranlaßt, ſich in ihren Streitigkeiten mit ihren Unterthanen ohne Vertraͤ- ge den ordentlichen Landes-Dicaſteriis zu unterwerfen. Man vergleiche Strubens gruͤndlichen Unterricht von Regierungs- und Juſtiz-Sachen. Sect. III. §. 12. Ge. Frid. martens Diſſ. de foro S. R. I. Principum cum ſubditis ſuis litigantium. Goett. 1780. §. 29. Man ſehe indeſſen hierbey Joh. Bapt. Schue Gedanken uͤber die Rechtsbeſtaͤndigkeit des Art. 19. §. 6. Capi- tulat. noviſſ. in Betreff der Klagen teutſcher Unterthanen gegen ihre Landesherren. Wetzlar 1791. 8. und Ebendeſſelben rechtliche Pruͤfung der Vertraͤge und Gewohnheiten zwiſchen teutſchen Landesherren und Unterthanen mit Ruͤckſicht auf zu beſchraͤnkende reichsgerichtliche Jurisdiction. Wetzlar 1792. 8. E 3

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Zitationshilfe: Glück, Christian Friedrich von: Verbesserungen und Zusätze zum ersten Bande des Glückischen Kommentars über die Pandecten. Für die Besitzer der ersten Ausgabe. Erlangen, 1798, S. 69. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten01verbesserungen_1798/77>, abgerufen am 26.11.2024.