Innerliche Handlungen der Menschen können kein Gegenstand menschlicher Gesetze seyn. Bemerkung über L. 18. D. de poenis.
Da die Gesetze des Oberherrn denen Handlungen seiner Unterthanen zur Richtschnur dienen sollen, so ent- steher die Frage, was für Handlungen der Disposition eines menschlichen Gesezgebers unterworfen sind? Die Handlungen der Menschen sind nehmlich, wie bekannt, sehr mancherley; sie können einmahl bloß innerliche seyn, die eine Wirkung unserer Seele und des Verstan- des sind, und daher in Gedanken, Begriffen, Vorstel- lungen und Ueberzeugung bestehen. Sie können aber auch zweitens äusserliche Handlungen seyn, deren Wirkungen sich ausser dem Menschen zeigen. Ein mensch- liches Gesez kann nun
1) bloß den äusserlichen Handlungen der Menschen eine Richtschnur ertheilen; innerliche Hand- lungen hingegen können der Disposition eines menschli- chen Gesezgebers nicht unterworfen seyn. Sie können darum kein Gegenstand der Gesetze seyn, weil sie eines Theils keinen Zwang zulassen, und andern Theils auch keinen Einfluß in die Wohlfarth des Staats haben. So wenig also der Regent im Staat durch seine gesez- gebende Gewalt dem Verstande und der Ueberzeugung seiner Unterthanen eine solche Richtung zu geben ver- mag, daß sie etwas für wahr halten sollen, von dessen Gegentheil sie nach ihren Begriffen und Vorstellungen überzeugt sind, vielmehr alles, was den Verstand und Ueberzeugung angehet, gänzlich ausser der Sphare der gesezgeberischen Disposition liegt; so wenig kann auch schon der blose Gedanke, eine strafwürdige Handlung zu begehen, zu dessen Realisirung aber durch aussere Thä-
tig-
1. Buch. 1. Tit.
§. 6.
Innerliche Handlungen der Menſchen koͤnnen kein Gegenſtand menſchlicher Geſetze ſeyn. Bemerkung uͤber L. 18. D. de poenis.
Da die Geſetze des Oberherrn denen Handlungen ſeiner Unterthanen zur Richtſchnur dienen ſollen, ſo ent- ſteher die Frage, was fuͤr Handlungen der Dispoſition eines menſchlichen Geſezgebers unterworfen ſind? Die Handlungen der Menſchen ſind nehmlich, wie bekannt, ſehr mancherley; ſie koͤnnen einmahl bloß innerliche ſeyn, die eine Wirkung unſerer Seele und des Verſtan- des ſind, und daher in Gedanken, Begriffen, Vorſtel- lungen und Ueberzeugung beſtehen. Sie koͤnnen aber auch zweitens aͤuſſerliche Handlungen ſeyn, deren Wirkungen ſich auſſer dem Menſchen zeigen. Ein menſch- liches Geſez kann nun
1) bloß den aͤuſſerlichen Handlungen der Menſchen eine Richtſchnur ertheilen; innerliche Hand- lungen hingegen koͤnnen der Dispoſition eines menſchli- chen Geſezgebers nicht unterworfen ſeyn. Sie koͤnnen darum kein Gegenſtand der Geſetze ſeyn, weil ſie eines Theils keinen Zwang zulaſſen, und andern Theils auch keinen Einfluß in die Wohlfarth des Staats haben. So wenig alſo der Regent im Staat durch ſeine geſez- gebende Gewalt dem Verſtande und der Ueberzeugung ſeiner Unterthanen eine ſolche Richtung zu geben ver- mag, daß ſie etwas fuͤr wahr halten ſollen, von deſſen Gegentheil ſie nach ihren Begriffen und Vorſtellungen uͤberzeugt ſind, vielmehr alles, was den Verſtand und Ueberzeugung angehet, gaͤnzlich auſſer der Sphare der geſezgeberiſchen Dispoſition liegt; ſo wenig kann auch ſchon der bloſe Gedanke, eine ſtrafwuͤrdige Handlung zu begehen, zu deſſen Realiſirung aber durch auſſere Thaͤ-
tig-
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1. Buch. 1. Tit.
§. 6.
Innerliche Handlungen der Menſchen koͤnnen kein
Gegenſtand menſchlicher Geſetze ſeyn. Bemerkung uͤber
L. 18. D. de poenis.
Da die Geſetze des Oberherrn denen Handlungen
ſeiner Unterthanen zur Richtſchnur dienen ſollen, ſo ent-
ſteher die Frage, was fuͤr Handlungen der Dispoſition
eines menſchlichen Geſezgebers unterworfen ſind? Die
Handlungen der Menſchen ſind nehmlich, wie bekannt,
ſehr mancherley; ſie koͤnnen einmahl bloß innerliche
ſeyn, die eine Wirkung unſerer Seele und des Verſtan-
des ſind, und daher in Gedanken, Begriffen, Vorſtel-
lungen und Ueberzeugung beſtehen. Sie koͤnnen aber
auch zweitens aͤuſſerliche Handlungen ſeyn, deren
Wirkungen ſich auſſer dem Menſchen zeigen. Ein menſch-
liches Geſez kann nun
1) bloß den aͤuſſerlichen Handlungen der
Menſchen eine Richtſchnur ertheilen; innerliche Hand-
lungen hingegen koͤnnen der Dispoſition eines menſchli-
chen Geſezgebers nicht unterworfen ſeyn. Sie koͤnnen
darum kein Gegenſtand der Geſetze ſeyn, weil ſie eines
Theils keinen Zwang zulaſſen, und andern Theils auch
keinen Einfluß in die Wohlfarth des Staats haben.
So wenig alſo der Regent im Staat durch ſeine geſez-
gebende Gewalt dem Verſtande und der Ueberzeugung
ſeiner Unterthanen eine ſolche Richtung zu geben ver-
mag, daß ſie etwas fuͤr wahr halten ſollen, von deſſen
Gegentheil ſie nach ihren Begriffen und Vorſtellungen
uͤberzeugt ſind, vielmehr alles, was den Verſtand und
Ueberzeugung angehet, gaͤnzlich auſſer der Sphare der
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ſchon der bloſe Gedanke, eine ſtrafwuͤrdige Handlung zu
begehen, zu deſſen Realiſirung aber durch auſſere Thaͤ-
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Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1790, S. 64. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten01_1790/84>, abgerufen am 24.11.2024.
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