Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1790.1. Buch. 4. Tit. werden pflegen. Man denke hierbey an die Rechtswohl-thaten der Minderjährigen, der Weibspersonen in Anse- hung übernommener Bürgschaften, der Personen, die währender väterlichen Gewalt Gelder aufborgen. Ferner der Soldaten, der Geistlichen; desgleichen der Erben, der Bürgen, der Abwesenden; auch gehören hierher die mit gewissen, theils personellen, theils hypothekarischen Forderungen verbundene Vorzugsrechte, u. d. m. Allein es läßt sich deswegen doch auch ein ius singulare odiosum gedenken. Ein Beyspiel giebt uns die berufene Verord- nung der Kaiser Arcadius und Honorius, vermö- ge welcher auch die Söhne des Hochverräthers die Schuld ihres Vaters mit büßen, und seine Schmach tragen sol- len selbst, ohne auf desselben übrige Schulden Rücksicht zu neh-
men (non deducto aere alleno). Ist nun das Vermögen des Schuldners vollkommen hinreichend, den Gläubiger, der ihn belangt hat, zu befriedigen, so daß nach Abzug der Schuld noch immer so viel übrig bleibt, als der Schuldner zur Nah- rung und Nothdurft braucht, so ist er die Forderung ganz und ohne Abzug seinem Gläubiger zu bezahlen schuldig, und er kann demselben nicht entgegen setzen, daß er noch mehrere Gläubiger habe, die er nun, ohne Verlust des nothdürftigen Lebensunterhalts, zu befriedigen ausser Stand sey. Occupan- tis enim melior est causa, s[agt] Paulus L. 19. pr. D. de re iud. Von dieser Regel der Competenz-Wohlthat ist jedoch durch eine Constitution des Kr Divus Pius, deren L. 12. D. de donat. L. 33. D. de iure dot. u. L. 41. §. ult. D. de re iudic. Erwähnung geschiehet, bey dem Donator eine sehr merkwürdige Ausnahme gemacht worden, welche auch Paulus in der oben angeführten L. 54. D. solut. matr. fol- gendergestalt bemerkt hat: ut, ex donatione conventus, omni aere alieno deducto, facere posse intelligatur. Bey diesem muß also erst nach Abzug aller Schulden die Competenz be- stimmt werden. L. 19. §. 1. L. 49. D. de re iud. Siehe übrigens Franc. Caroli conradi Diss. ad iulii pauli ex libro singulari de iur[e] singulari reliqua. Lipsiae 1728. 1. Buch. 4. Tit. werden pflegen. Man denke hierbey an die Rechtswohl-thaten der Minderjaͤhrigen, der Weibsperſonen in Anſe- hung uͤbernommener Buͤrgſchaften, der Perſonen, die waͤhrender vaͤterlichen Gewalt Gelder aufborgen. Ferner der Soldaten, der Geiſtlichen; desgleichen der Erben, der Buͤrgen, der Abweſenden; auch gehoͤren hierher die mit gewiſſen, theils perſonellen, theils hypothekariſchen Forderungen verbundene Vorzugsrechte, u. d. m. Allein es laͤßt ſich deswegen doch auch ein ius ſingulare odioſum gedenken. Ein Beyſpiel giebt uns die berufene Verord- nung der Kaiſer Arcadius und Honorius, vermoͤ- ge welcher auch die Soͤhne des Hochverraͤthers die Schuld ihres Vaters mit buͤßen, und ſeine Schmach tragen ſol- len ſelbſt, ohne auf deſſelben uͤbrige Schulden Ruͤckſicht zu neh-
men (non deducto aere alleno). Iſt nun das Vermoͤgen des Schuldners vollkommen hinreichend, den Glaͤubiger, der ihn belangt hat, zu befriedigen, ſo daß nach Abzug der Schuld noch immer ſo viel uͤbrig bleibt, als der Schuldner zur Nah- rung und Nothdurft braucht, ſo iſt er die Forderung ganz und ohne Abzug ſeinem Glaͤubiger zu bezahlen ſchuldig, und er kann demſelben nicht entgegen ſetzen, daß er noch mehrere Glaͤubiger habe, die er nun, ohne Verluſt des nothduͤrftigen Lebensunterhalts, zu befriedigen auſſer Stand ſey. Occupan- tis enim melior eſt cauſa, ſ[agt] Paulus L. 19. pr. D. de re iud. Von dieſer Regel der Competenz-Wohlthat iſt jedoch durch eine Conſtitution des Kr Divus Pius, deren L. 12. D. de donat. L. 33. D. de iure dot. u. L. 41. §. ult. D. de re iudic. Erwaͤhnung geſchiehet, bey dem Donator eine ſehr merkwuͤrdige Ausnahme gemacht worden, welche auch Paulus in der oben angefuͤhrten L. 54. D. ſolut. matr. fol- gendergeſtalt bemerkt hat: ut, ex donatione conventus, omni aere alieno deducto, facere poſſe intelligatur. Bey dieſem muß alſo erſt nach Abzug aller Schulden die Competenz be- ſtimmt werden. L. 19. §. 1. L. 49. D. de re iud. Siehe uͤbrigens Franc. Caroli conradi Diſſ. ad iulii pauli ex libro ſingulari de iur[e] ſingulari reliqua. Lipſiae 1728. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0564" n="544"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#fr">1. Buch. 4. Tit.</hi></fw><lb/> werden pflegen. Man denke hierbey an die Rechtswohl-<lb/> thaten der Minderjaͤhrigen, der Weibsperſonen in Anſe-<lb/> hung uͤbernommener Buͤrgſchaften, der Perſonen, die<lb/> waͤhrender vaͤterlichen Gewalt Gelder aufborgen. Ferner<lb/> der Soldaten, der Geiſtlichen; desgleichen der Erben,<lb/> der Buͤrgen, der Abweſenden; auch gehoͤren hierher die<lb/> mit gewiſſen, theils perſonellen, theils hypothekariſchen<lb/> Forderungen verbundene Vorzugsrechte, u. d. m. Allein<lb/> es laͤßt ſich deswegen doch auch ein <hi rendition="#aq">ius ſingulare <hi rendition="#i">odioſum</hi></hi><lb/> gedenken. Ein Beyſpiel giebt uns die berufene Verord-<lb/> nung der Kaiſer <hi rendition="#g">Arcadius</hi> und <hi rendition="#g">Honorius</hi>, vermoͤ-<lb/> ge welcher auch die Soͤhne des Hochverraͤthers die Schuld<lb/> ihres Vaters mit buͤßen, und ſeine Schmach tragen ſol-<lb/> <fw place="bottom" type="catch">len</fw><lb/><note xml:id="seg2pn_90_3" prev="#seg2pn_90_2" place="foot" n="28)">ſelbſt, ohne auf deſſelben uͤbrige Schulden Ruͤckſicht zu neh-<lb/> men (<hi rendition="#aq">non deducto aere alleno</hi>). Iſt nun das Vermoͤgen des<lb/> Schuldners vollkommen hinreichend, den Glaͤubiger, der ihn<lb/> belangt hat, zu befriedigen, ſo daß nach Abzug der Schuld<lb/> noch immer ſo viel uͤbrig bleibt, als der Schuldner zur Nah-<lb/> rung und Nothdurft braucht, ſo iſt er die Forderung ganz<lb/> und ohne Abzug ſeinem Glaͤubiger zu bezahlen ſchuldig, und<lb/> er kann demſelben nicht entgegen ſetzen, daß er noch mehrere<lb/> Glaͤubiger habe, die er nun, ohne Verluſt des nothduͤrftigen<lb/> Lebensunterhalts, zu befriedigen auſſer Stand ſey. <hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">Occupan-<lb/> tis enim melior eſt cauſa,</hi></hi> ſ<supplied>agt</supplied> <hi rendition="#g">Paulus</hi> <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">L</hi>. 19. <hi rendition="#i">pr. D. de<lb/> re iud</hi>.</hi> Von dieſer Regel der Competenz-Wohlthat iſt jedoch<lb/> durch eine Conſtitution des Kr <hi rendition="#g">Divus Pius</hi>, deren <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">L</hi>. 12.<lb/><hi rendition="#i">D. de donat. L</hi>. 33. <hi rendition="#i">D. de iure dot</hi>.</hi> u. <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">L</hi>. 41. <hi rendition="#i">§. ult. D. de<lb/> re iudic</hi>.</hi> Erwaͤhnung geſchiehet, bey dem <hi rendition="#g">Donator</hi> eine<lb/> ſehr merkwuͤrdige Ausnahme gemacht worden, welche auch<lb/><hi rendition="#g">Paulus</hi> in der oben angefuͤhrten <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">L</hi>. 54. <hi rendition="#i">D. ſolut. matr</hi>.</hi> fol-<lb/> gendergeſtalt bemerkt hat: <hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">ut, ex donatione conventus, omni<lb/> aere alieno deducto, facere poſſe intelligatur.</hi></hi> Bey dieſem<lb/> muß alſo erſt nach Abzug aller Schulden die Competenz be-<lb/> ſtimmt werden. <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">L</hi>. 19. <hi rendition="#i">§</hi>. 1. <hi rendition="#i">L</hi>. 49. <hi rendition="#i">D. de re iud</hi>.</hi> Siehe<lb/> uͤbrigens <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Franc. Caroli</hi><hi rendition="#k">conradi</hi> Diſſ. ad <hi rendition="#k">iulii pauli</hi> ex<lb/> libro ſingulari <hi rendition="#i">de iur<supplied>e</supplied> ſingulari</hi> reliqua. Lipſiae</hi> 1728.</note><lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [544/0564]
1. Buch. 4. Tit.
werden pflegen. Man denke hierbey an die Rechtswohl-
thaten der Minderjaͤhrigen, der Weibsperſonen in Anſe-
hung uͤbernommener Buͤrgſchaften, der Perſonen, die
waͤhrender vaͤterlichen Gewalt Gelder aufborgen. Ferner
der Soldaten, der Geiſtlichen; desgleichen der Erben,
der Buͤrgen, der Abweſenden; auch gehoͤren hierher die
mit gewiſſen, theils perſonellen, theils hypothekariſchen
Forderungen verbundene Vorzugsrechte, u. d. m. Allein
es laͤßt ſich deswegen doch auch ein ius ſingulare odioſum
gedenken. Ein Beyſpiel giebt uns die berufene Verord-
nung der Kaiſer Arcadius und Honorius, vermoͤ-
ge welcher auch die Soͤhne des Hochverraͤthers die Schuld
ihres Vaters mit buͤßen, und ſeine Schmach tragen ſol-
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28) ſelbſt, ohne auf deſſelben uͤbrige Schulden Ruͤckſicht zu neh-
men (non deducto aere alleno). Iſt nun das Vermoͤgen des
Schuldners vollkommen hinreichend, den Glaͤubiger, der ihn
belangt hat, zu befriedigen, ſo daß nach Abzug der Schuld
noch immer ſo viel uͤbrig bleibt, als der Schuldner zur Nah-
rung und Nothdurft braucht, ſo iſt er die Forderung ganz
und ohne Abzug ſeinem Glaͤubiger zu bezahlen ſchuldig, und
er kann demſelben nicht entgegen ſetzen, daß er noch mehrere
Glaͤubiger habe, die er nun, ohne Verluſt des nothduͤrftigen
Lebensunterhalts, zu befriedigen auſſer Stand ſey. Occupan-
tis enim melior eſt cauſa, ſagt Paulus L. 19. pr. D. de
re iud. Von dieſer Regel der Competenz-Wohlthat iſt jedoch
durch eine Conſtitution des Kr Divus Pius, deren L. 12.
D. de donat. L. 33. D. de iure dot. u. L. 41. §. ult. D. de
re iudic. Erwaͤhnung geſchiehet, bey dem Donator eine
ſehr merkwuͤrdige Ausnahme gemacht worden, welche auch
Paulus in der oben angefuͤhrten L. 54. D. ſolut. matr. fol-
gendergeſtalt bemerkt hat: ut, ex donatione conventus, omni
aere alieno deducto, facere poſſe intelligatur. Bey dieſem
muß alſo erſt nach Abzug aller Schulden die Competenz be-
ſtimmt werden. L. 19. §. 1. L. 49. D. de re iud. Siehe
uͤbrigens Franc. Caroli conradi Diſſ. ad iulii pauli ex
libro ſingulari de iure ſingulari reliqua. Lipſiae 1728.
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