Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1790.de Origine Iuris. Hellfeld §. 81. Verschiedene angesehene Rechtsleh-rer 95) wollen auch den Vorzug des einen Rechts vor dem andern nach folgenden Regeln beurtheilt wissen. 1) So oft in dem einem Rechte etwas deutlich bestimmt worden, was in dem andern zweifelhaft ist, so gehe das erstere dem leztern vor. 2) In geistlichen- und Ge- wissenssachen, desgleichen wenn es darauf ankomme, daß eine Sünde verhütet werde, wie z. B. in der Lehre von der Verjährung, bey vorhandener, oder eintretender mala fide; cap. fin. X. de praescr., sey dem römi- schen in der Regel das Canonische Recht vorzuziehen. 3) In Sachen, die vor die geistliche Gerichtsbarkeit gehören, sey das Canonische vorzüglich, in denen aber, die vor die weltliche Gerichtsbarkeit gehören, das Rö- mische Recht, anzuwenden. Endlich 4) wo aus beson- derer Ursach der Gerichtsgebrauch die Vorschriften des Canonischen Rechts angenommen, wie z. B. in den Ma- terien, die den bürgerlichen Proceß betreffen, da müsse auch nach diesen, und nicht nach dem Justinianeischen Rechte gesprochen werden. Zulezt will ich noch der Meinung eines berühmten Rechtsgelehrten 96) gedenken, welcher bey dem Mangel einer genugsamen gesezlichen Bestimmung in den Fällen, da das Justinianeische und Canonische Recht sich einander widersprechen, am mei- sten auf einen genugsam bewährten Gerichtsbrauch gese- hen, und nach demselben den Vorzug des einen Rechts vor 95) lauterbach in Collegio Theor. Pr. Pandectar. Pro- legom. §. IX. n. 15 - 18. Car. Christph. hofacker Prin- cip. iur. civ. Rom. Germ. T. I. §. 53. S. 45. und Phil. hedderich Element. iuris canonici P. I. (Bonnae 1778. 8.) §. 113 - 115. S. 127. und folgg. 96) Quistorp in den Beyträgen zur Erläuterung
verschiedener, mehrentheils unentschiedener Rechtsmaterien. IV. Stück. (Rostok u. Leipzig 1780.) N. VIII. S. 124 - 147. de Origine Iuris. Hellfeld §. 81. Verſchiedene angeſehene Rechtsleh-rer 95) wollen auch den Vorzug des einen Rechts vor dem andern nach folgenden Regeln beurtheilt wiſſen. 1) So oft in dem einem Rechte etwas deutlich beſtimmt worden, was in dem andern zweifelhaft iſt, ſo gehe das erſtere dem leztern vor. 2) In geiſtlichen- und Ge- wiſſensſachen, desgleichen wenn es darauf ankomme, daß eine Suͤnde verhuͤtet werde, wie z. B. in der Lehre von der Verjaͤhrung, bey vorhandener, oder eintretender mala fide; cap. fin. X. de praeſcr., ſey dem roͤmi- ſchen in der Regel das Canoniſche Recht vorzuziehen. 3) In Sachen, die vor die geiſtliche Gerichtsbarkeit gehoͤren, ſey das Canoniſche vorzuͤglich, in denen aber, die vor die weltliche Gerichtsbarkeit gehoͤren, das Roͤ- miſche Recht, anzuwenden. Endlich 4) wo aus beſon- derer Urſach der Gerichtsgebrauch die Vorſchriften des Canoniſchen Rechts angenommen, wie z. B. in den Ma- terien, die den buͤrgerlichen Proceß betreffen, da muͤſſe auch nach dieſen, und nicht nach dem Juſtinianeiſchen Rechte geſprochen werden. Zulezt will ich noch der Meinung eines beruͤhmten Rechtsgelehrten 96) gedenken, welcher bey dem Mangel einer genugſamen geſezlichen Beſtimmung in den Faͤllen, da das Juſtinianeiſche und Canoniſche Recht ſich einander widerſprechen, am mei- ſten auf einen genugſam bewaͤhrten Gerichtsbrauch geſe- hen, und nach demſelben den Vorzug des einen Rechts vor 95) lauterbach in Collegio Theor. Pr. Pandectar. Pro- legom. §. IX. n. 15 ‒ 18. Car. Chriſtph. hofacker Prin- cip. iur. civ. Rom. Germ. T. I. §. 53. S. 45. und Phil. hedderich Element. iuris canonici P. I. (Bonnae 1778. 8.) §. 113 ‒ 115. S. 127. und folgg. 96) Quiſtorp in den Beytraͤgen zur Erlaͤuterung
verſchiedener, mehrentheils unentſchiedener Rechtsmaterien. IV. Stuͤck. (Roſtok u. Leipzig 1780.) N. VIII. S. 124 ‒ 147. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0415" n="395"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">de Origine Iuris.</hi></fw><lb/><hi rendition="#fr">Hellfeld</hi> §. 81. Verſchiedene angeſehene Rechtsleh-<lb/> rer <note place="foot" n="95)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#k">lauterbach</hi> in Collegio Theor. Pr. Pandectar. Pro-<lb/> legom. §. IX. n. 15 ‒ 18. <hi rendition="#i">Car. Chriſtph</hi>. <hi rendition="#k">hofacker</hi> Prin-<lb/> cip. iur. civ. Rom. Germ. T. I.</hi> §. 53. S. 45. und <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Phil</hi>.<lb/><hi rendition="#k">hedderich</hi> Element. iuris canonici P. I. (<hi rendition="#i">Bonnae 1778.<lb/> 8</hi>.)</hi> §. 113 ‒ 115. S. 127. und folgg.</note> wollen auch den Vorzug des einen Rechts vor<lb/> dem andern nach folgenden Regeln beurtheilt wiſſen.<lb/> 1) So oft in dem einem Rechte etwas deutlich beſtimmt<lb/> worden, was in dem andern zweifelhaft iſt, ſo gehe das<lb/> erſtere dem leztern vor. 2) In geiſtlichen- und Ge-<lb/> wiſſensſachen, desgleichen wenn es darauf ankomme, daß<lb/> eine Suͤnde verhuͤtet werde, wie z. B. in der Lehre von<lb/> der Verjaͤhrung, bey vorhandener, oder eintretender<lb/><hi rendition="#aq">mala fide; <hi rendition="#i">cap. fin. X. de praeſcr</hi>.,</hi> ſey dem roͤmi-<lb/> ſchen in der Regel das Canoniſche Recht vorzuziehen.<lb/> 3) In Sachen, die vor die geiſtliche Gerichtsbarkeit<lb/> gehoͤren, ſey das Canoniſche vorzuͤglich, in denen aber,<lb/> die vor die weltliche Gerichtsbarkeit gehoͤren, das Roͤ-<lb/> miſche Recht, anzuwenden. Endlich 4) wo aus beſon-<lb/> derer Urſach der Gerichtsgebrauch die Vorſchriften des<lb/> Canoniſchen Rechts angenommen, wie z. B. in den Ma-<lb/> terien, die den buͤrgerlichen Proceß betreffen, da muͤſſe<lb/> auch nach dieſen, und nicht nach dem Juſtinianeiſchen<lb/> Rechte geſprochen werden. Zulezt will ich noch der<lb/> Meinung eines beruͤhmten Rechtsgelehrten <note place="foot" n="96)"><hi rendition="#fr">Quiſtorp</hi> in den <hi rendition="#g">Beytraͤgen zur Erlaͤuterung<lb/> verſchiedener, mehrentheils unentſchiedener<lb/> Rechtsmaterien</hi>. <hi rendition="#aq">IV.</hi> Stuͤck. (<hi rendition="#fr">Roſtok</hi> u. <hi rendition="#fr">Leipzig</hi> 1780.)<lb/><hi rendition="#aq">N. VIII.</hi> S. 124 ‒ 147.</note> gedenken,<lb/> welcher bey dem Mangel einer genugſamen geſezlichen<lb/> Beſtimmung in den Faͤllen, da das Juſtinianeiſche und<lb/> Canoniſche Recht ſich einander widerſprechen, am mei-<lb/> ſten auf einen genugſam bewaͤhrten Gerichtsbrauch geſe-<lb/> hen, und nach demſelben den Vorzug des einen Rechts<lb/> <fw place="bottom" type="catch">vor</fw><lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [395/0415]
de Origine Iuris.
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dem andern nach folgenden Regeln beurtheilt wiſſen.
1) So oft in dem einem Rechte etwas deutlich beſtimmt
worden, was in dem andern zweifelhaft iſt, ſo gehe das
erſtere dem leztern vor. 2) In geiſtlichen- und Ge-
wiſſensſachen, desgleichen wenn es darauf ankomme, daß
eine Suͤnde verhuͤtet werde, wie z. B. in der Lehre von
der Verjaͤhrung, bey vorhandener, oder eintretender
mala fide; cap. fin. X. de praeſcr., ſey dem roͤmi-
ſchen in der Regel das Canoniſche Recht vorzuziehen.
3) In Sachen, die vor die geiſtliche Gerichtsbarkeit
gehoͤren, ſey das Canoniſche vorzuͤglich, in denen aber,
die vor die weltliche Gerichtsbarkeit gehoͤren, das Roͤ-
miſche Recht, anzuwenden. Endlich 4) wo aus beſon-
derer Urſach der Gerichtsgebrauch die Vorſchriften des
Canoniſchen Rechts angenommen, wie z. B. in den Ma-
terien, die den buͤrgerlichen Proceß betreffen, da muͤſſe
auch nach dieſen, und nicht nach dem Juſtinianeiſchen
Rechte geſprochen werden. Zulezt will ich noch der
Meinung eines beruͤhmten Rechtsgelehrten 96) gedenken,
welcher bey dem Mangel einer genugſamen geſezlichen
Beſtimmung in den Faͤllen, da das Juſtinianeiſche und
Canoniſche Recht ſich einander widerſprechen, am mei-
ſten auf einen genugſam bewaͤhrten Gerichtsbrauch geſe-
hen, und nach demſelben den Vorzug des einen Rechts
vor
95) lauterbach in Collegio Theor. Pr. Pandectar. Pro-
legom. §. IX. n. 15 ‒ 18. Car. Chriſtph. hofacker Prin-
cip. iur. civ. Rom. Germ. T. I. §. 53. S. 45. und Phil.
hedderich Element. iuris canonici P. I. (Bonnae 1778.
8.) §. 113 ‒ 115. S. 127. und folgg.
96) Quiſtorp in den Beytraͤgen zur Erlaͤuterung
verſchiedener, mehrentheils unentſchiedener
Rechtsmaterien. IV. Stuͤck. (Roſtok u. Leipzig 1780.)
N. VIII. S. 124 ‒ 147.
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