Gutachten der Kunstverständigen von groser Wich- tigkeit, wenn es auf Besichtigung und Section an- kommt, um das corpus delicti zur Gewißheit zu bringen. In solchen Fällen gründet der Richter sein Erkenntniß auf das Gutachten und Zeugniß der Kunstverständigen, welches sie schriftlich und mit Gründen unterstüzt, zu den Acten geben müssen. Da Kunstverständige als Zeugen anzusehen sind, so müssen sie, wenn sie nicht sonst schon vereidet sind, oder die Partheyen mit ihren unbeschwornen Gutach- ten zufrieden seyn wollen, besonders vereidet werden, weil ein Zeuge keinen Glauben verdient, wenn er nicht beeidiget ist 68).
§. 42. Cautelarische Rechtswissenschaft.
Der andere Theil der juristischen Praxis bestehet in der vorsichtigen, bündigen und klüglichen Einrichtung der bürgerlichen Rechtshandlun- gen, (in cavendo) und verdient eine desto vorzüglichere Achtung, je mehr dadurch denen die Eintracht der Bür- ger so sehr stöhrenden Processen vorzubeugen stehet. Hierbey aber muß man nicht allein die Form und Ein- kleidungen rechtlicher Geschäfte, sondern auch alle Ein- wendungen und nachtheilige Folgen kennen, um sowohl denen leztern vorzubeugen, als auch, wo möglich, de- nen zu schliessenden Geschäften selbst eine vortheilhafte Wirkung beyzulegen. Unser römisches Gesezbuch giebt auch hierin dem Rechtsgelehrten vortrefliche Anweisung, als welches einen grosen Vorrath von Rechtsmitteln,
Clau-
68)L. 9. L. 16. C. de teflib. S. Nettelbladt practische Rechtsgelahrtheit. §. 387. (dritte Auflag. Halle 1784.)
1. Buch. 1. Tit.
Gutachten der Kunſtverſtaͤndigen von groſer Wich- tigkeit, wenn es auf Beſichtigung und Section an- kommt, um das corpus delicti zur Gewißheit zu bringen. In ſolchen Faͤllen gruͤndet der Richter ſein Erkenntniß auf das Gutachten und Zeugniß der Kunſtverſtaͤndigen, welches ſie ſchriftlich und mit Gruͤnden unterſtuͤzt, zu den Acten geben muͤſſen. Da Kunſtverſtaͤndige als Zeugen anzuſehen ſind, ſo muͤſſen ſie, wenn ſie nicht ſonſt ſchon vereidet ſind, oder die Partheyen mit ihren unbeſchwornen Gutach- ten zufrieden ſeyn wollen, beſonders vereidet werden, weil ein Zeuge keinen Glauben verdient, wenn er nicht beeidiget iſt 68).
§. 42. Cautelariſche Rechtswiſſenſchaft.
Der andere Theil der juriſtiſchen Praxis beſtehet in der vorſichtigen, buͤndigen und kluͤglichen Einrichtung der buͤrgerlichen Rechtshandlun- gen, (in cavendo) und verdient eine deſto vorzuͤglichere Achtung, je mehr dadurch denen die Eintracht der Buͤr- ger ſo ſehr ſtoͤhrenden Proceſſen vorzubeugen ſtehet. Hierbey aber muß man nicht allein die Form und Ein- kleidungen rechtlicher Geſchaͤfte, ſondern auch alle Ein- wendungen und nachtheilige Folgen kennen, um ſowohl denen leztern vorzubeugen, als auch, wo moͤglich, de- nen zu ſchlieſſenden Geſchaͤften ſelbſt eine vortheilhafte Wirkung beyzulegen. Unſer roͤmiſches Geſezbuch giebt auch hierin dem Rechtsgelehrten vortrefliche Anweiſung, als welches einen groſen Vorrath von Rechtsmitteln,
Clau-
68)L. 9. L. 16. C. de teflib. S. Nettelbladt practiſche Rechtsgelahrtheit. §. 387. (dritte Auflag. Halle 1784.)
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><list><item><list><item><pbfacs="#f0288"n="268"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#fr">1. Buch. 1. Tit.</hi></fw><lb/>
Gutachten der Kunſtverſtaͤndigen von groſer Wich-<lb/>
tigkeit, wenn es auf Beſichtigung und Section an-<lb/>
kommt, um das <hirendition="#aq">corpus delicti</hi> zur Gewißheit zu<lb/>
bringen. In ſolchen Faͤllen gruͤndet der Richter ſein<lb/>
Erkenntniß auf das Gutachten und Zeugniß der<lb/>
Kunſtverſtaͤndigen, welches ſie ſchriftlich und mit<lb/>
Gruͤnden unterſtuͤzt, zu den Acten geben muͤſſen.<lb/>
Da Kunſtverſtaͤndige als Zeugen anzuſehen ſind, ſo<lb/>
muͤſſen ſie, wenn ſie nicht ſonſt ſchon vereidet ſind,<lb/>
oder die Partheyen mit ihren unbeſchwornen Gutach-<lb/>
ten zufrieden ſeyn wollen, beſonders vereidet werden,<lb/>
weil ein Zeuge keinen Glauben verdient, wenn er<lb/>
nicht beeidiget iſt <noteplace="foot"n="68)"><hirendition="#i"><hirendition="#aq">L. 9. L. 16. C. de teflib.</hi></hi> S. Nettelbladt <hirendition="#g">practiſche<lb/>
Rechtsgelahrtheit</hi>. §. 387. (dritte Auflag. Halle<lb/>
1784.)</note>.</item></list></item></list></div><lb/><divn="3"><head>§. 42.<lb/><hirendition="#g">Cautelariſche Rechtswiſſenſchaft</hi>.</head><lb/><p>Der andere Theil der juriſtiſchen Praxis beſtehet<lb/><hirendition="#g">in der vorſichtigen, buͤndigen und kluͤglichen<lb/>
Einrichtung der buͤrgerlichen Rechtshandlun-<lb/>
gen,</hi> (<hirendition="#i"><hirendition="#aq">in cavendo</hi></hi>) und verdient eine deſto vorzuͤglichere<lb/>
Achtung, je mehr dadurch denen die Eintracht der Buͤr-<lb/>
ger ſo ſehr ſtoͤhrenden Proceſſen vorzubeugen ſtehet.<lb/>
Hierbey aber muß man nicht allein die Form und Ein-<lb/>
kleidungen rechtlicher Geſchaͤfte, ſondern auch alle Ein-<lb/>
wendungen und nachtheilige Folgen kennen, um ſowohl<lb/>
denen leztern vorzubeugen, als auch, wo moͤglich, de-<lb/>
nen zu ſchlieſſenden Geſchaͤften ſelbſt eine vortheilhafte<lb/>
Wirkung beyzulegen. Unſer roͤmiſches Geſezbuch giebt<lb/>
auch hierin dem Rechtsgelehrten vortrefliche Anweiſung,<lb/>
als welches einen groſen Vorrath von Rechtsmitteln,<lb/><fwplace="bottom"type="catch">Clau-</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[268/0288]
1. Buch. 1. Tit.
Gutachten der Kunſtverſtaͤndigen von groſer Wich-
tigkeit, wenn es auf Beſichtigung und Section an-
kommt, um das corpus delicti zur Gewißheit zu
bringen. In ſolchen Faͤllen gruͤndet der Richter ſein
Erkenntniß auf das Gutachten und Zeugniß der
Kunſtverſtaͤndigen, welches ſie ſchriftlich und mit
Gruͤnden unterſtuͤzt, zu den Acten geben muͤſſen.
Da Kunſtverſtaͤndige als Zeugen anzuſehen ſind, ſo
muͤſſen ſie, wenn ſie nicht ſonſt ſchon vereidet ſind,
oder die Partheyen mit ihren unbeſchwornen Gutach-
ten zufrieden ſeyn wollen, beſonders vereidet werden,
weil ein Zeuge keinen Glauben verdient, wenn er
nicht beeidiget iſt 68).
§. 42.
Cautelariſche Rechtswiſſenſchaft.
Der andere Theil der juriſtiſchen Praxis beſtehet
in der vorſichtigen, buͤndigen und kluͤglichen
Einrichtung der buͤrgerlichen Rechtshandlun-
gen, (in cavendo) und verdient eine deſto vorzuͤglichere
Achtung, je mehr dadurch denen die Eintracht der Buͤr-
ger ſo ſehr ſtoͤhrenden Proceſſen vorzubeugen ſtehet.
Hierbey aber muß man nicht allein die Form und Ein-
kleidungen rechtlicher Geſchaͤfte, ſondern auch alle Ein-
wendungen und nachtheilige Folgen kennen, um ſowohl
denen leztern vorzubeugen, als auch, wo moͤglich, de-
nen zu ſchlieſſenden Geſchaͤften ſelbſt eine vortheilhafte
Wirkung beyzulegen. Unſer roͤmiſches Geſezbuch giebt
auch hierin dem Rechtsgelehrten vortrefliche Anweiſung,
als welches einen groſen Vorrath von Rechtsmitteln,
Clau-
68) L. 9. L. 16. C. de teflib. S. Nettelbladt practiſche
Rechtsgelahrtheit. §. 387. (dritte Auflag. Halle
1784.)
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1790, S. 268. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten01_1790/288>, abgerufen am 22.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.