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Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1790.

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de Iustitia et Iure.
nes Gesetzes gänzlich wegfällt; und wo man doch sehr
unrecht schliessen würde, wenn man darum die Verord-
nung desselben nicht anwendlich halten wollte 36). Z. B.
so verordnet der Macedonianische Senatsschluß, daß
Keinem, welcher einem filiofamilias Geld dargeliehen
hätte, weder bey Lebzeiten, noch nach dem Tode des
Vaters eine Klage zustehen solle, es wieder zu for-
dern 37). Die Absicht des Gesetzes ist, damit denen
filiisfamilias die Gelegenheit zur Ausschweifung und
verschwenderischen Lebensart genommen werde, welche
für das Leben und Vermögen der Väter die gefährlich-
sten Folgen hatte 38). Man setze nun: daß das Geld
einem wohlgesitteten und sparsamen Sohne, jedoch ohne
Wissen und Willen des Vaters, wäre angeliehen wor-
den, der hierdurch keinesweges zur Liederlichkeit wäre
verleitet worden, sondern sich vielmehr von dem erborg-
ten Gelde etwas angeschaft. Sollte nun darum wohl
in diesem Falle die Verordnung des Rathschlusses nicht
eintreten, weil der Grund des Gesetzes zu cessiren
scheint? Keinesweges 39); denn die Verordnung des

Gese-
36) Eben dieses hat auch Ios. averanius Interpretat.
iuris
Lib. V. c. 10. n. 2. sqq.
bemerkt, der über diesen
Gegenstand vorzüglich gelesen zu werden verdient. Ich
will nur einige wenige Worte excerpiren. Cessante legis
ratione,
sagt er, cessat ipsa lex. Locus hercle lubricus et
periculosus. Saepenumero cessat ratio legis, nec eo minus
praecepto legis adstringimur. Iura enim non in
sin gu-
las personas
, sed generaliter constituuntur. L. 8.
D. de Legib. ac propterea si aliqua sit persona
in tota illa universitate personarum, quam lex compre-
hendit
, cui non conveniat ratio legis, non exi-
mitur a praecepto legis.
37) L. 1. pr. D. de Senatusc. Macedon.
38) §. 7. in fin. l. Quod cum eo, qui in aliena potestate.
39) L. 9. §. 2. D. de SCto Macedon.
Q 4

de Iuſtitia et Iure.
nes Geſetzes gaͤnzlich wegfaͤllt; und wo man doch ſehr
unrecht ſchlieſſen wuͤrde, wenn man darum die Verord-
nung deſſelben nicht anwendlich halten wollte 36). Z. B.
ſo verordnet der Macedonianiſche Senatsſchluß, daß
Keinem, welcher einem filiofamilias Geld dargeliehen
haͤtte, weder bey Lebzeiten, noch nach dem Tode des
Vaters eine Klage zuſtehen ſolle, es wieder zu for-
dern 37). Die Abſicht des Geſetzes iſt, damit denen
filiisfamilias die Gelegenheit zur Ausſchweifung und
verſchwenderiſchen Lebensart genommen werde, welche
fuͤr das Leben und Vermoͤgen der Vaͤter die gefaͤhrlich-
ſten Folgen hatte 38). Man ſetze nun: daß das Geld
einem wohlgeſitteten und ſparſamen Sohne, jedoch ohne
Wiſſen und Willen des Vaters, waͤre angeliehen wor-
den, der hierdurch keinesweges zur Liederlichkeit waͤre
verleitet worden, ſondern ſich vielmehr von dem erborg-
ten Gelde etwas angeſchaft. Sollte nun darum wohl
in dieſem Falle die Verordnung des Rathſchluſſes nicht
eintreten, weil der Grund des Geſetzes zu ceſſiren
ſcheint? Keinesweges 39); denn die Verordnung des

Geſe-
36) Eben dieſes hat auch Ioſ. averanius Interpretat.
iuris
Lib. V. c. 10. n. 2. ſqq.
bemerkt, der uͤber dieſen
Gegenſtand vorzuͤglich geleſen zu werden verdient. Ich
will nur einige wenige Worte excerpiren. Ceſſante legis
ratione,
ſagt er, ceſſat ipſa lex. Locus hercle lubricus et
periculoſus. Saepenumero ceſſat ratio legis, nec eo minus
praecepto legis adſtringimur. Iura enim non in
sin gu-
las personas
, ſed generaliter conſtituuntur. L. 8.
D. de Legib. ac propterea si aliqua sit persona
in tota illa univerſitate perſonarum, quam lex compre-
hendit
, cui non conveniat ratio legis, non exi-
mitur a praecepto legis.
37) L. 1. pr. D. de Senatusc. Macedon.
38) §. 7. in fin. l. Quod cum eo, qui in aliena poteſtate.
39) L. 9. §. 2. D. de SCto Macedon.
Q 4
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[247/0267] de Iuſtitia et Iure. nes Geſetzes gaͤnzlich wegfaͤllt; und wo man doch ſehr unrecht ſchlieſſen wuͤrde, wenn man darum die Verord- nung deſſelben nicht anwendlich halten wollte 36). Z. B. ſo verordnet der Macedonianiſche Senatsſchluß, daß Keinem, welcher einem filiofamilias Geld dargeliehen haͤtte, weder bey Lebzeiten, noch nach dem Tode des Vaters eine Klage zuſtehen ſolle, es wieder zu for- dern 37). Die Abſicht des Geſetzes iſt, damit denen filiisfamilias die Gelegenheit zur Ausſchweifung und verſchwenderiſchen Lebensart genommen werde, welche fuͤr das Leben und Vermoͤgen der Vaͤter die gefaͤhrlich- ſten Folgen hatte 38). Man ſetze nun: daß das Geld einem wohlgeſitteten und ſparſamen Sohne, jedoch ohne Wiſſen und Willen des Vaters, waͤre angeliehen wor- den, der hierdurch keinesweges zur Liederlichkeit waͤre verleitet worden, ſondern ſich vielmehr von dem erborg- ten Gelde etwas angeſchaft. Sollte nun darum wohl in dieſem Falle die Verordnung des Rathſchluſſes nicht eintreten, weil der Grund des Geſetzes zu ceſſiren ſcheint? Keinesweges 39); denn die Verordnung des Geſe- 36) Eben dieſes hat auch Ioſ. averanius Interpretat. iuris Lib. V. c. 10. n. 2. ſqq. bemerkt, der uͤber dieſen Gegenſtand vorzuͤglich geleſen zu werden verdient. Ich will nur einige wenige Worte excerpiren. Ceſſante legis ratione, ſagt er, ceſſat ipſa lex. Locus hercle lubricus et periculoſus. Saepenumero ceſſat ratio legis, nec eo minus praecepto legis adſtringimur. Iura enim non in sin gu- las personas, ſed generaliter conſtituuntur. L. 8. D. de Legib. ac propterea si aliqua sit persona in tota illa univerſitate perſonarum, quam lex compre- hendit, cui non conveniat ratio legis, non exi- mitur a praecepto legis. 37) L. 1. pr. D. de Senatusc. Macedon. 38) §. 7. in fin. l. Quod cum eo, qui in aliena poteſtate. 39) L. 9. §. 2. D. de SCto Macedon. Q 4

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Zitationshilfe: Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1790, S. 247. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten01_1790/267>, abgerufen am 25.11.2024.