Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1790.

Bild:
<< vorherige Seite
de Iustitia et Iure.

Uebrigens sind nun durch den Gerichtsgebrauch oder
eigentlich durch eine Usualerklärung viele neue Rechtsleh-
ren und Rechtsmittel eingeführet worden, von denen
ich z. B. nur die Provocation ex lege diffamari und
ex lege si contendat, ferner das iuramentum per-
horrescentiae
nennen will, andere mehrere zu ge-
schweigen.

§. 34.
Verschiedene Arten der Doctrinalerklärung.

Die Doctrinalerklärung der Gesetze ist wie-
der zweierley. Sie ist entweder bemüht, den Sinn ei-
nes Gesetzes blos aus denen Worten desselben, und de-
ren Bedeutung zu bestimmen; oder sie untersucht den
Zweck und Absicht des Gesezgebers, und bestimmt den
Sinn des Gesetzes aus dem Grunde desselben. Jene
wird die grammatische, von andern auch die phi-
lologische
; diese aber die logische oder philoso-
phische Erklärung
genennt 85). Leztere geschiehet,
wenn die philologische oder grammatische vollendet ist,
und kann ohne diese nicht bestehen. Es darf jedoch
auch die grammatische Erklärung von der logischen nicht
getrennt werden 86). Denn eine blos grammatische
Auslegung, welche Worte klaubt, und nach Spizfindig-
keit hascht, dabey aber die Absicht des Gesezgebers ver-
fehlt, ist Chikane 87), oder wie Cicero 88) die Sache

rich-
85) S. I. H. boehmeri Praefat. de interpretationis
grammaticae fatis et usu vario in iure Ro-
mano
,
vor brissonius de Verb. Significat.
86) Die Gesetze selbst geben dieses deutlich zu erkennen.
L. 6. §. 1. D. de V. S. und L. 7. §. 2. D. de iurisdict.
87) L. 29. D. de LL. wo gesagt wird, daß derienige ge-
gen das Gesez handele und chikanire, qui, salvis verbis
legis, sententiam eius circumvenit
.
88) Lib. I. de officiis cap. 10.
de Iuſtitia et Iure.

Uebrigens ſind nun durch den Gerichtsgebrauch oder
eigentlich durch eine Uſualerklaͤrung viele neue Rechtsleh-
ren und Rechtsmittel eingefuͤhret worden, von denen
ich z. B. nur die Provocation ex lege diffamari und
ex lege ſi contendat, ferner das iuramentum per-
horreſcentiae
nennen will, andere mehrere zu ge-
ſchweigen.

§. 34.
Verſchiedene Arten der Doctrinalerklaͤrung.

Die Doctrinalerklaͤrung der Geſetze iſt wie-
der zweierley. Sie iſt entweder bemuͤht, den Sinn ei-
nes Geſetzes blos aus denen Worten deſſelben, und de-
ren Bedeutung zu beſtimmen; oder ſie unterſucht den
Zweck und Abſicht des Geſezgebers, und beſtimmt den
Sinn des Geſetzes aus dem Grunde deſſelben. Jene
wird die grammatiſche, von andern auch die phi-
lologiſche
; dieſe aber die logiſche oder philoſo-
phiſche Erklaͤrung
genennt 85). Leztere geſchiehet,
wenn die philologiſche oder grammatiſche vollendet iſt,
und kann ohne dieſe nicht beſtehen. Es darf jedoch
auch die grammatiſche Erklaͤrung von der logiſchen nicht
getrennt werden 86). Denn eine blos grammatiſche
Auslegung, welche Worte klaubt, und nach Spizfindig-
keit haſcht, dabey aber die Abſicht des Geſezgebers ver-
fehlt, iſt Chikane 87), oder wie Cicero 88) die Sache

rich-
85) S. I. H. boehmeri Praefat. de interpretationis
grammaticae fatis et uſu vario in iure Ro-
mano
,
vor brissonius de Verb. Significat.
86) Die Geſetze ſelbſt geben dieſes deutlich zu erkennen.
L. 6. §. 1. D. de V. S. und L. 7. §. 2. D. de iurisdict.
87) L. 29. D. de LL. wo geſagt wird, daß derienige ge-
gen das Geſez handele und chikanire, qui, ſalvis verbis
legis, ſententiam eius circumvenit
.
88) Lib. I. de officiis cap. 10.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0241" n="221"/>
            <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#aq">de Iu&#x017F;titia et Iure.</hi> </fw><lb/>
            <p>Uebrigens &#x017F;ind nun durch den Gerichtsgebrauch oder<lb/>
eigentlich durch eine U&#x017F;ualerkla&#x0364;rung viele neue Rechtsleh-<lb/>
ren und Rechtsmittel eingefu&#x0364;hret worden, von denen<lb/>
ich z. B. nur die Provocation <hi rendition="#aq">ex lege diffamari</hi> und<lb/><hi rendition="#aq">ex lege &#x017F;i contendat,</hi> ferner das <hi rendition="#aq">iuramentum per-<lb/>
horre&#x017F;centiae</hi> nennen will, andere mehrere zu ge-<lb/>
&#x017F;chweigen.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 34.<lb/>
Ver&#x017F;chiedene Arten der <hi rendition="#g">Doctrinalerkla&#x0364;rung</hi>.</head><lb/>
            <p>Die <hi rendition="#g">Doctrinalerkla&#x0364;rung</hi> der Ge&#x017F;etze i&#x017F;t wie-<lb/>
der zweierley. Sie i&#x017F;t entweder bemu&#x0364;ht, den Sinn ei-<lb/>
nes Ge&#x017F;etzes blos aus denen Worten de&#x017F;&#x017F;elben, und de-<lb/>
ren Bedeutung zu be&#x017F;timmen; oder &#x017F;ie unter&#x017F;ucht den<lb/>
Zweck und Ab&#x017F;icht des Ge&#x017F;ezgebers, und be&#x017F;timmt den<lb/>
Sinn des Ge&#x017F;etzes aus dem Grunde de&#x017F;&#x017F;elben. Jene<lb/>
wird die <hi rendition="#g">grammati&#x017F;che</hi>, von andern auch die <hi rendition="#g">phi-<lb/>
lologi&#x017F;che</hi>; die&#x017F;e aber die <hi rendition="#g">logi&#x017F;che</hi> oder <hi rendition="#g">philo&#x017F;o-<lb/>
phi&#x017F;che Erkla&#x0364;rung</hi> genennt <note place="foot" n="85)">S. <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">I. H.</hi><hi rendition="#k">boehmeri</hi><hi rendition="#i">Praefat</hi>. <hi rendition="#g">de interpretationis<lb/>
grammaticae fatis et u&#x017F;u vario in iure Ro-<lb/>
mano</hi>,</hi> vor <hi rendition="#aq"><hi rendition="#k">brissonius</hi><hi rendition="#i">de Verb. Significat</hi></hi>.</note>. Leztere ge&#x017F;chiehet,<lb/>
wenn die philologi&#x017F;che oder grammati&#x017F;che vollendet i&#x017F;t,<lb/>
und kann ohne die&#x017F;e nicht be&#x017F;tehen. Es darf jedoch<lb/>
auch die grammati&#x017F;che Erkla&#x0364;rung von der logi&#x017F;chen nicht<lb/>
getrennt werden <note place="foot" n="86)">Die Ge&#x017F;etze &#x017F;elb&#x017F;t geben die&#x017F;es deutlich zu erkennen.<lb/><hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">L. 6. §. 1. D. de V. S</hi>.</hi> und <hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">L. 7. §. 2. D. de iurisdict</hi>.</hi></note>. Denn eine blos grammati&#x017F;che<lb/>
Auslegung, welche Worte klaubt, und nach Spizfindig-<lb/>
keit ha&#x017F;cht, dabey aber die Ab&#x017F;icht des Ge&#x017F;ezgebers ver-<lb/>
fehlt, i&#x017F;t Chikane <note place="foot" n="87)"><hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">L. 29. D. de LL</hi>.</hi> wo ge&#x017F;agt wird, daß derienige ge-<lb/>
gen das Ge&#x017F;ez handele und chikanire, <hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">qui, &#x017F;alvis verbis<lb/>
legis, &#x017F;ententiam eius circumvenit</hi>.</hi></note>, oder wie <hi rendition="#fr">Cicero</hi> <note place="foot" n="88)"><hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">Lib. I. de officiis cap. 10</hi>.</hi></note> die Sache<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">rich-</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[221/0241] de Iuſtitia et Iure. Uebrigens ſind nun durch den Gerichtsgebrauch oder eigentlich durch eine Uſualerklaͤrung viele neue Rechtsleh- ren und Rechtsmittel eingefuͤhret worden, von denen ich z. B. nur die Provocation ex lege diffamari und ex lege ſi contendat, ferner das iuramentum per- horreſcentiae nennen will, andere mehrere zu ge- ſchweigen. §. 34. Verſchiedene Arten der Doctrinalerklaͤrung. Die Doctrinalerklaͤrung der Geſetze iſt wie- der zweierley. Sie iſt entweder bemuͤht, den Sinn ei- nes Geſetzes blos aus denen Worten deſſelben, und de- ren Bedeutung zu beſtimmen; oder ſie unterſucht den Zweck und Abſicht des Geſezgebers, und beſtimmt den Sinn des Geſetzes aus dem Grunde deſſelben. Jene wird die grammatiſche, von andern auch die phi- lologiſche; dieſe aber die logiſche oder philoſo- phiſche Erklaͤrung genennt 85). Leztere geſchiehet, wenn die philologiſche oder grammatiſche vollendet iſt, und kann ohne dieſe nicht beſtehen. Es darf jedoch auch die grammatiſche Erklaͤrung von der logiſchen nicht getrennt werden 86). Denn eine blos grammatiſche Auslegung, welche Worte klaubt, und nach Spizfindig- keit haſcht, dabey aber die Abſicht des Geſezgebers ver- fehlt, iſt Chikane 87), oder wie Cicero 88) die Sache rich- 85) S. I. H. boehmeri Praefat. de interpretationis grammaticae fatis et uſu vario in iure Ro- mano, vor brissonius de Verb. Significat. 86) Die Geſetze ſelbſt geben dieſes deutlich zu erkennen. L. 6. §. 1. D. de V. S. und L. 7. §. 2. D. de iurisdict. 87) L. 29. D. de LL. wo geſagt wird, daß derienige ge- gen das Geſez handele und chikanire, qui, ſalvis verbis legis, ſententiam eius circumvenit. 88) Lib. I. de officiis cap. 10.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten01_1790
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten01_1790/241
Zitationshilfe: Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1790, S. 221. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten01_1790/241>, abgerufen am 15.10.2024.