Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1790.de Iustitia et Iure. 1) Da jedem Richter vermöge seines Amts das Recht zustehet, Gesetze zu erklären, so lange er nach rich- tigen Regeln der Auslegung den wahren Verstand derselben zu bestimmen vermag; so folgt, daß zur Nothwendigkeit einer avthentischen Interpretation nur sodann geschritten werden dürfe, wenn der Sinn ei- nes Gesetzes so zweifelhaft ist, daß er sich schlechter- dings nicht nach vernünftigen Regeln der Auslegung mit Gewißheit bestimmen lässet. 2) Unter dieser Voraussetzung findet auch nur bey denen Privilegien die avthentische Auslegung statt 71). Denn diejenigen schränken offenbar die Grenzen der richterlichen Gewalt zu sehr ein, welche den Richter in einem jeden Falle, da über den Ver- stand eines Privilegiums sich Zweifel ereignen, zum Throne des Landesherrn verweisen wollen 72). 3) Ob aber ein solcher Fall vorhanden sey, wo eine interpretatio avthentica vom Gesezgeber selbst zu erwarten, kommt nicht sowohl auf die Aeusserung der einen oder der andern streitenden Parthey, oder de- ren Sachwalters, sondern auf das arbitrium iudi- cis selber an. 4) im Commentar §. 24. Eichmann in den Erklä- rungen des bürgerl. Rechts. I. Th. S. 106. u. folgg. und Io. Chr. woltaer Observat. iuris civ. et Brandenb. Fascic. I. Obs. I. u. a. m. 71) L. 191. D. de Reg. Iur. nettelbladt in System. elem. Iurispr. gen. §. 238. 72) Man sehe besonders nach pütter Progr. de iure et officio iudicis circa interpretationem privilegiorum in genere. Goetting. 1758. und Desselben auserlesene Rechtsfälle I. B. 2. Th. Resp. XXV. S. 293. O 4
de Iuſtitia et Iure. 1) Da jedem Richter vermoͤge ſeines Amts das Recht zuſtehet, Geſetze zu erklaͤren, ſo lange er nach rich- tigen Regeln der Auslegung den wahren Verſtand derſelben zu beſtimmen vermag; ſo folgt, daß zur Nothwendigkeit einer avthentiſchen Interpretation nur ſodann geſchritten werden duͤrfe, wenn der Sinn ei- nes Geſetzes ſo zweifelhaft iſt, daß er ſich ſchlechter- dings nicht nach vernuͤnftigen Regeln der Auslegung mit Gewißheit beſtimmen laͤſſet. 2) Unter dieſer Vorausſetzung findet auch nur bey denen Privilegien die avthentiſche Auslegung ſtatt 71). Denn diejenigen ſchraͤnken offenbar die Grenzen der richterlichen Gewalt zu ſehr ein, welche den Richter in einem jeden Falle, da uͤber den Ver- ſtand eines Privilegiums ſich Zweifel ereignen, zum Throne des Landesherrn verweiſen wollen 72). 3) Ob aber ein ſolcher Fall vorhanden ſey, wo eine interpretatio avthentica vom Geſezgeber ſelbſt zu erwarten, kommt nicht ſowohl auf die Aeuſſerung der einen oder der andern ſtreitenden Parthey, oder de- ren Sachwalters, ſondern auf das arbitrium iudi- cis ſelber an. 4) im Commentar §. 24. Eichmann in den Erklaͤ- rungen des buͤrgerl. Rechts. I. Th. S. 106. u. folgg. und Io. Chr. woltaer Obſervat. iuris civ. et Brandenb. Faſcic. I. Obſ. I. u. a. m. 71) L. 191. D. de Reg. Iur. nettelbladt in Syſtem. elem. Iurispr. gen. §. 238. 72) Man ſehe beſonders nach puͤtter Progr. de iure et officio iudicis circa interpretationem privilegiorum in genere. Goetting. 1758. und Deſſelben auserleſene Rechtsfaͤlle I. B. 2. Th. Reſp. XXV. S. 293. O 4
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de Iuſtitia et Iure.
1) Da jedem Richter vermoͤge ſeines Amts das Recht
zuſtehet, Geſetze zu erklaͤren, ſo lange er nach rich-
tigen Regeln der Auslegung den wahren Verſtand
derſelben zu beſtimmen vermag; ſo folgt, daß zur
Nothwendigkeit einer avthentiſchen Interpretation nur
ſodann geſchritten werden duͤrfe, wenn der Sinn ei-
nes Geſetzes ſo zweifelhaft iſt, daß er ſich ſchlechter-
dings nicht nach vernuͤnftigen Regeln der Auslegung
mit Gewißheit beſtimmen laͤſſet.
2) Unter dieſer Vorausſetzung findet auch nur bey
denen Privilegien die avthentiſche Auslegung
ſtatt 71). Denn diejenigen ſchraͤnken offenbar die
Grenzen der richterlichen Gewalt zu ſehr ein, welche
den Richter in einem jeden Falle, da uͤber den Ver-
ſtand eines Privilegiums ſich Zweifel ereignen, zum
Throne des Landesherrn verweiſen wollen 72).
3) Ob aber ein ſolcher Fall vorhanden ſey, wo eine
interpretatio avthentica vom Geſezgeber ſelbſt zu
erwarten, kommt nicht ſowohl auf die Aeuſſerung der
einen oder der andern ſtreitenden Parthey, oder de-
ren Sachwalters, ſondern auf das arbitrium iudi-
cis ſelber an.
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71) L. 191. D. de Reg. Iur. nettelbladt in Syſtem.
elem. Iurispr. gen. §. 238.
72) Man ſehe beſonders nach puͤtter Progr. de iure
et officio iudicis circa interpretationem
privilegiorum in genere. Goetting. 1758. und
Deſſelben auserleſene Rechtsfaͤlle I. B. 2. Th.
Reſp. XXV. S. 293.
70) im Commentar §. 24. Eichmann in den Erklaͤ-
rungen des buͤrgerl. Rechts. I. Th. S. 106. u. folgg.
und Io. Chr. woltaer Obſervat. iuris civ. et
Brandenb. Faſcic. I. Obſ. I. u. a. m.
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