Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1790.

Bild:
<< vorherige Seite
de Iustitia et Iure.
bindlichkeiten. Wenn Hellfeld in der Note
k. sagt: Obiective considerata iurisprudentia est
scientia legum earumque adplicationis ad factum,

so ist dies eigentlich der Begrif der Rechtsgelehrsam-
keit im subjectivischen Verstande.
2) Subjectivisch genommen ist Rechtsgelahrtheit
die wissenschaftliche Kenntnis der Gesetze,
verbunden mit der Fertigkeit, sie auf vor-
kommende Fälle anzuwenden
. Hellfelds Be-
grif: Iurisprudentia, subiective considerata, est
habitus leges ad facta obvia recte applicandi,
ist
nicht vollständig, denn er hat offenbar nur das de-
finirt, was man die Praxis der Rechtswissen-
schaft
nennt. Unsere Rechtsgelahrtheit gehört nun
nicht zu denen speculativischen Wissenschaften, die
man blos zum Nachforschen und Vergnügen zu er-
lernen und zu treiben pflegt, sondern sie muß durch-
aus mit Ausübung verbunden seyn, wenn sie keine
tode Wissenschaft seyn soll. Denn was kann der
Welt damit gedient seyn, wenn einer Nächte durch-
wachte, um auszumachen, was in diesem oder je-
nem Falle die Rechte mit sich bringen, wenn diese
Rechte gar nicht ausgeübet werden? Solchemnach
zerfällt also die Rechtsgelehrsamkeit in zwey Haupt-
theile, nehmlich die Theorie und Praxis 36).
Unter der Theorie des Rechts verstehet man die
Fähigkeit, den wahren Sinn der Gesetze zu bestim-
men; verbunden mit einer genauen Kenntnis von der
Be-
36) S. D. Just. Claproths Vorrede von dem Ver-
hältnis der Theorie und der Ausübung der
Rechtsgelehrsamkeit
, vor Desselben Grundsätzen
von Verfertigung der Relationen aus Gerichtsacten (Göt-
tingen 1778.
N 3
de Iuſtitia et Iure.
bindlichkeiten. Wenn Hellfeld in der Note
k. ſagt: Obiective conſiderata iurisprudentia eſt
ſcientia legum earumque adplicationis ad factum,

ſo iſt dies eigentlich der Begrif der Rechtsgelehrſam-
keit im ſubjectiviſchen Verſtande.
2) Subjectiviſch genommen iſt Rechtsgelahrtheit
die wiſſenſchaftliche Kenntnis der Geſetze,
verbunden mit der Fertigkeit, ſie auf vor-
kommende Faͤlle anzuwenden
. Hellfelds Be-
grif: Iurisprudentia, ſubiective conſiderata, eſt
habitus leges ad facta obvia recte applicandi,
iſt
nicht vollſtaͤndig, denn er hat offenbar nur das de-
finirt, was man die Praxis der Rechtswiſſen-
ſchaft
nennt. Unſere Rechtsgelahrtheit gehoͤrt nun
nicht zu denen ſpeculativiſchen Wiſſenſchaften, die
man blos zum Nachforſchen und Vergnuͤgen zu er-
lernen und zu treiben pflegt, ſondern ſie muß durch-
aus mit Ausuͤbung verbunden ſeyn, wenn ſie keine
tode Wiſſenſchaft ſeyn ſoll. Denn was kann der
Welt damit gedient ſeyn, wenn einer Naͤchte durch-
wachte, um auszumachen, was in dieſem oder je-
nem Falle die Rechte mit ſich bringen, wenn dieſe
Rechte gar nicht ausgeuͤbet werden? Solchemnach
zerfaͤllt alſo die Rechtsgelehrſamkeit in zwey Haupt-
theile, nehmlich die Theorie und Praxis 36).
Unter der Theorie des Rechts verſtehet man die
Faͤhigkeit, den wahren Sinn der Geſetze zu beſtim-
men; verbunden mit einer genauen Kenntnis von der
Be-
36) S. D. Juſt. Claproths Vorrede von dem Ver-
haͤltnis der Theorie und der Ausuͤbung der
Rechtsgelehrſamkeit
, vor Deſſelben Grundſaͤtzen
von Verfertigung der Relationen aus Gerichtsacten (Goͤt-
tingen 1778.
N 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <list>
              <item><pb facs="#f0217" n="197"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">de Iu&#x017F;titia et Iure.</hi></fw><lb/><hi rendition="#g">bindlichkeiten</hi>. Wenn <hi rendition="#fr">Hellfeld</hi> in der Note<lb/><hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">k.</hi></hi> &#x017F;agt: <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Obiective</hi> con&#x017F;iderata iurisprudentia e&#x017F;t<lb/>
&#x017F;cientia legum earumque adplicationis ad factum,</hi><lb/>
&#x017F;o i&#x017F;t dies eigentlich der Begrif der Rechtsgelehr&#x017F;am-<lb/>
keit im &#x017F;ubjectivi&#x017F;chen Ver&#x017F;tande.</item><lb/>
              <item>2) <hi rendition="#g">Subjectivi&#x017F;ch</hi> genommen i&#x017F;t <hi rendition="#fr">Rechtsgelahrtheit</hi><lb/>
die <hi rendition="#g">wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaftliche Kenntnis der Ge&#x017F;etze,<lb/>
verbunden mit der Fertigkeit, &#x017F;ie auf vor-<lb/>
kommende Fa&#x0364;lle anzuwenden</hi>. <hi rendition="#fr">Hellfelds</hi> Be-<lb/>
grif: <hi rendition="#aq">Iurisprudentia, <hi rendition="#i">&#x017F;ubiective</hi> con&#x017F;iderata, e&#x017F;t<lb/><hi rendition="#i">habitus leges ad facta obvia recte applicandi,</hi></hi> i&#x017F;t<lb/>
nicht voll&#x017F;ta&#x0364;ndig, denn er hat offenbar nur das de-<lb/>
finirt, was man die <hi rendition="#fr">Praxis der Rechtswi&#x017F;&#x017F;en-<lb/>
&#x017F;chaft</hi> nennt. Un&#x017F;ere Rechtsgelahrtheit geho&#x0364;rt nun<lb/>
nicht zu denen &#x017F;peculativi&#x017F;chen Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaften, die<lb/>
man blos zum Nachfor&#x017F;chen und Vergnu&#x0364;gen zu er-<lb/>
lernen und zu treiben pflegt, &#x017F;ondern &#x017F;ie muß durch-<lb/>
aus mit Ausu&#x0364;bung verbunden &#x017F;eyn, wenn &#x017F;ie keine<lb/>
tode Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft &#x017F;eyn &#x017F;oll. Denn was kann der<lb/>
Welt damit gedient &#x017F;eyn, wenn einer Na&#x0364;chte durch-<lb/>
wachte, um auszumachen, was in die&#x017F;em oder je-<lb/>
nem Falle die Rechte mit &#x017F;ich bringen, wenn die&#x017F;e<lb/>
Rechte gar nicht ausgeu&#x0364;bet werden? Solchemnach<lb/>
zerfa&#x0364;llt al&#x017F;o die Rechtsgelehr&#x017F;amkeit in zwey Haupt-<lb/>
theile, nehmlich die <hi rendition="#g">Theorie</hi> und <hi rendition="#g">Praxis</hi> <note place="foot" n="36)">S. <hi rendition="#aq">D.</hi> Ju&#x017F;t. Claproths Vorrede <hi rendition="#g">von dem Ver-<lb/>
ha&#x0364;ltnis der Theorie und der Ausu&#x0364;bung der<lb/>
Rechtsgelehr&#x017F;amkeit</hi>, vor De&#x017F;&#x017F;elben Grund&#x017F;a&#x0364;tzen<lb/>
von Verfertigung der Relationen aus Gerichtsacten (Go&#x0364;t-<lb/>
tingen 1778.</note>.<lb/>
Unter der <hi rendition="#g">Theorie des Rechts</hi> ver&#x017F;tehet man die<lb/>
Fa&#x0364;higkeit, den wahren Sinn der Ge&#x017F;etze zu be&#x017F;tim-<lb/>
men; verbunden mit einer genauen Kenntnis von der<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">N 3</fw><fw place="bottom" type="catch">Be-</fw><lb/></item>
            </list>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[197/0217] de Iuſtitia et Iure. bindlichkeiten. Wenn Hellfeld in der Note k. ſagt: Obiective conſiderata iurisprudentia eſt ſcientia legum earumque adplicationis ad factum, ſo iſt dies eigentlich der Begrif der Rechtsgelehrſam- keit im ſubjectiviſchen Verſtande. 2) Subjectiviſch genommen iſt Rechtsgelahrtheit die wiſſenſchaftliche Kenntnis der Geſetze, verbunden mit der Fertigkeit, ſie auf vor- kommende Faͤlle anzuwenden. Hellfelds Be- grif: Iurisprudentia, ſubiective conſiderata, eſt habitus leges ad facta obvia recte applicandi, iſt nicht vollſtaͤndig, denn er hat offenbar nur das de- finirt, was man die Praxis der Rechtswiſſen- ſchaft nennt. Unſere Rechtsgelahrtheit gehoͤrt nun nicht zu denen ſpeculativiſchen Wiſſenſchaften, die man blos zum Nachforſchen und Vergnuͤgen zu er- lernen und zu treiben pflegt, ſondern ſie muß durch- aus mit Ausuͤbung verbunden ſeyn, wenn ſie keine tode Wiſſenſchaft ſeyn ſoll. Denn was kann der Welt damit gedient ſeyn, wenn einer Naͤchte durch- wachte, um auszumachen, was in dieſem oder je- nem Falle die Rechte mit ſich bringen, wenn dieſe Rechte gar nicht ausgeuͤbet werden? Solchemnach zerfaͤllt alſo die Rechtsgelehrſamkeit in zwey Haupt- theile, nehmlich die Theorie und Praxis 36). Unter der Theorie des Rechts verſtehet man die Faͤhigkeit, den wahren Sinn der Geſetze zu beſtim- men; verbunden mit einer genauen Kenntnis von der Be- 36) S. D. Juſt. Claproths Vorrede von dem Ver- haͤltnis der Theorie und der Ausuͤbung der Rechtsgelehrſamkeit, vor Deſſelben Grundſaͤtzen von Verfertigung der Relationen aus Gerichtsacten (Goͤt- tingen 1778. N 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten01_1790
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten01_1790/217
Zitationshilfe: Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1790, S. 197. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten01_1790/217>, abgerufen am 24.11.2024.