Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1790.de Iustitia et Iure indem Einige die Concurrenz der Landstände bey Ausü-bung der gesezgebenden Gewalt für schlechterdings ge- gründet; Andere aber dieselbe nur in denenjenigen Fäl- len für nöthig halten, wo ausdrückliche Landesgrundge- setze, oder das Herkommen, oder die Analogie der Lan- desverfassung diese Einwilligung der Landstände erfor- dern. Die erstere Meinung sucht Reinharth 73) zu vertheidigen; die leztere aber behauptet Hellfeld, und hierin stimmen die meisten Publicisten überein; ich glau- be, daß die leztere Meinung allerdings gegründeter ist. Denn ist gleich nicht zu läugnen, daß nach der uralten gleich beym Aufkommen der Landeshoheit eingeführten Verfassung der teutschen Territorien die Landstände gro- sen Antheil an dem Rechte, Gesetze zu geben, gehabt haben 74); so ist doch auch gewiß genug, daß die Ver- fassung von vielen Landen heut zu Tage unleugbar nicht mehr diejenige sey, welche sie vor Alters gewesen, und daß der Landesherr heutiges Tages vermöge neuerer Landesgrundgesetze und des heutigen Herkommens in der Landesregierung überhaupt freiere Hände habe. Daher kommt die heutige grose Verschiedenheit der teutschen Territorien in Ansehung der Landständischen Gerechtsa- me; ja es giebt Lande, in welchen sich die Landstände vermöge der notorischen Landesverfassung nur noch einen kleinen Rest der ihnen ehemals zugehörigen Rechte er- halten haben. Woraus denn folgt, daß sich bey strei- tiger Concurrenz der Landstände in Ansehung der Gesez- gebung keine allgemeine Vermuthung weder für den Landesherrn, noch für die Landstände behaupten lasse, son- 73) in select. Observat. ad Christinaeum Vol. I. Obs. 13. 74) Vergleiche Struben im gründlichen Unterricht
von Regierungs- und Justizsachen Sect. II. §. VIII. not. b. S. 27. u. folg. de Iuſtitia et Iure indem Einige die Concurrenz der Landſtaͤnde bey Ausuͤ-bung der geſezgebenden Gewalt fuͤr ſchlechterdings ge- gruͤndet; Andere aber dieſelbe nur in denenjenigen Faͤl- len fuͤr noͤthig halten, wo ausdruͤckliche Landesgrundge- ſetze, oder das Herkommen, oder die Analogie der Lan- desverfaſſung dieſe Einwilligung der Landſtaͤnde erfor- dern. Die erſtere Meinung ſucht Reinharth 73) zu vertheidigen; die leztere aber behauptet Hellfeld, und hierin ſtimmen die meiſten Publiciſten uͤberein; ich glau- be, daß die leztere Meinung allerdings gegruͤndeter iſt. Denn iſt gleich nicht zu laͤugnen, daß nach der uralten gleich beym Aufkommen der Landeshoheit eingefuͤhrten Verfaſſung der teutſchen Territorien die Landſtaͤnde gro- ſen Antheil an dem Rechte, Geſetze zu geben, gehabt haben 74); ſo iſt doch auch gewiß genug, daß die Ver- faſſung von vielen Landen heut zu Tage unleugbar nicht mehr diejenige ſey, welche ſie vor Alters geweſen, und daß der Landesherr heutiges Tages vermoͤge neuerer Landesgrundgeſetze und des heutigen Herkommens in der Landesregierung uͤberhaupt freiere Haͤnde habe. Daher kommt die heutige groſe Verſchiedenheit der teutſchen Territorien in Anſehung der Landſtaͤndiſchen Gerechtſa- me; ja es giebt Lande, in welchen ſich die Landſtaͤnde vermoͤge der notoriſchen Landesverfaſſung nur noch einen kleinen Reſt der ihnen ehemals zugehoͤrigen Rechte er- halten haben. Woraus denn folgt, daß ſich bey ſtrei- tiger Concurrenz der Landſtaͤnde in Anſehung der Geſez- gebung keine allgemeine Vermuthung weder fuͤr den Landesherrn, noch fuͤr die Landſtaͤnde behaupten laſſe, ſon- 73) in ſelect. Obſervat. ad Chriſtinaeum Vol. I. Obſ. 13. 74) Vergleiche Struben im gruͤndlichen Unterricht
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de Iuſtitia et Iure
indem Einige die Concurrenz der Landſtaͤnde bey Ausuͤ-
bung der geſezgebenden Gewalt fuͤr ſchlechterdings ge-
gruͤndet; Andere aber dieſelbe nur in denenjenigen Faͤl-
len fuͤr noͤthig halten, wo ausdruͤckliche Landesgrundge-
ſetze, oder das Herkommen, oder die Analogie der Lan-
desverfaſſung dieſe Einwilligung der Landſtaͤnde erfor-
dern. Die erſtere Meinung ſucht Reinharth 73) zu
vertheidigen; die leztere aber behauptet Hellfeld, und
hierin ſtimmen die meiſten Publiciſten uͤberein; ich glau-
be, daß die leztere Meinung allerdings gegruͤndeter iſt.
Denn iſt gleich nicht zu laͤugnen, daß nach der uralten
gleich beym Aufkommen der Landeshoheit eingefuͤhrten
Verfaſſung der teutſchen Territorien die Landſtaͤnde gro-
ſen Antheil an dem Rechte, Geſetze zu geben, gehabt
haben 74); ſo iſt doch auch gewiß genug, daß die Ver-
faſſung von vielen Landen heut zu Tage unleugbar nicht
mehr diejenige ſey, welche ſie vor Alters geweſen, und
daß der Landesherr heutiges Tages vermoͤge neuerer
Landesgrundgeſetze und des heutigen Herkommens in der
Landesregierung uͤberhaupt freiere Haͤnde habe. Daher
kommt die heutige groſe Verſchiedenheit der teutſchen
Territorien in Anſehung der Landſtaͤndiſchen Gerechtſa-
me; ja es giebt Lande, in welchen ſich die Landſtaͤnde
vermoͤge der notoriſchen Landesverfaſſung nur noch einen
kleinen Reſt der ihnen ehemals zugehoͤrigen Rechte er-
halten haben. Woraus denn folgt, daß ſich bey ſtrei-
tiger Concurrenz der Landſtaͤnde in Anſehung der Geſez-
gebung keine allgemeine Vermuthung weder fuͤr den
Landesherrn, noch fuͤr die Landſtaͤnde behaupten laſſe,
ſon-
73) in ſelect. Obſervat. ad Chriſtinaeum Vol. I.
Obſ. 13.
74) Vergleiche Struben im gruͤndlichen Unterricht
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