Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1790.de Iustitia et Iure. ius civile, quasi ius proprium ipsius civitatis. Ineinem noch eminentern Sinn aber benennte man das po- sitive Recht des Römischen Staats mit diesem Namen, so wie auch noch heutiges Tages das Römische Recht kat exokhen das bürgerliche oder civil Recht ge- nennet zu werden pfleget. Die übrige Bedeutungen von ius civile übergehe ich, weil man sie in dem Höpfner- schen Commentar über die Heinecciussischen Institu- tionen §. 31. S. 39. der zweiten Ausgabe schon voll- ständig angeführt findet. Statt dessen aber erlaube man mir noch eine Bemerkung hinzuzufügen. Es ist bekannt, daß die Peregrini, worunter man bey den Kömern ehe- mals alle diejenigen verstand, die keine Römische Bürger waren, nicht nach dem Recht der römischen Bürger gerich- tet, sondern die bey ihnen statthabende Rechte und Ver- bindlichkeiten vielmehr nach dem Iure Gentium beurtheilt wurden: Georg Schubart denkt sich dabey das gemeine Natur. und Völkerrecht 46). Allein seine Erklä- rung stimmet mit demjenigen nicht überein, was wir theils in denen Römischen Striptoren, theils in denen Fragmen- ten des Antejustinianeischen Rechts vom iure peregrino- rum aufgezeichnet finden. Diese belehren uns, daß man bey den Peregrinis einen Unterschied gemacht, ob sie Bürger einer gewißen unter Römischer Souveränität gestandenen Stadt waren, oder nicht: leztere nennte man apolides, d. i. nullius certae civitatis cives, diesen verstatteten die Römer blos das, was iuris gen- tium war, wie Marcian in L. 17. D. de poenis anmerkt. Ihre Rechtssachen entschied daher der Prä- tor peregrinus nach der Vernunft und dem gemeinen Menschenrecht, insofern ihm nicht etwa ähnliche rechts- kräftig abgeurtheilte Fälle, oder die Römischen Gesetze selbsten hierin eine Entscheidungsnorm an die Hand ga- ben. 46) de Fatis Iurisprud. Rom. Exerc. II. pag. 399. F 5
de Iuſtitia et Iure. ius civile, quaſi ius proprium ipſius civitatis. Ineinem noch eminentern Sinn aber benennte man das po- ſitive Recht des Roͤmiſchen Staats mit dieſem Namen, ſo wie auch noch heutiges Tages das Roͤmiſche Recht κάτ ἐξοχην das buͤrgerliche oder civil Recht ge- nennet zu werden pfleget. Die uͤbrige Bedeutungen von ius civile uͤbergehe ich, weil man ſie in dem Hoͤpfner- ſchen Commentar uͤber die Heinecciuſſiſchen Inſtitu- tionen §. 31. S. 39. der zweiten Ausgabe ſchon voll- ſtaͤndig angefuͤhrt findet. Statt deſſen aber erlaube man mir noch eine Bemerkung hinzuzufuͤgen. Es iſt bekannt, daß die Peregrini, worunter man bey den Koͤmern ehe- mals alle diejenigen verſtand, die keine Roͤmiſche Buͤrger waren, nicht nach dem Recht der roͤmiſchen Buͤrger gerich- tet, ſondern die bey ihnen ſtatthabende Rechte und Ver- bindlichkeiten vielmehr nach dem Iure Gentium beurtheilt wurden: Georg Schubart denkt ſich dabey das gemeine Natur. und Voͤlkerrecht 46). Allein ſeine Erklaͤ- rung ſtimmet mit demjenigen nicht uͤberein, was wir theils in denen Roͤmiſchen Striptoren, theils in denen Fragmen- ten des Antejuſtinianeiſchen Rechts vom iure peregrino- rum aufgezeichnet finden. Dieſe belehren uns, daß man bey den Peregrinis einen Unterſchied gemacht, ob ſie Buͤrger einer gewißen unter Roͤmiſcher Souveraͤnitaͤt geſtandenen Stadt waren, oder nicht: leztere nennte man ἀπόλιδες, d. i. nullius certae civitatis cives, dieſen verſtatteten die Roͤmer blos das, was iuris gen- tium war, wie Marcian in L. 17. D. de poenis anmerkt. Ihre Rechtsſachen entſchied daher der Praͤ- tor peregrinus nach der Vernunft und dem gemeinen Menſchenrecht, inſofern ihm nicht etwa aͤhnliche rechts- kraͤftig abgeurtheilte Faͤlle, oder die Roͤmiſchen Geſetze ſelbſten hierin eine Entſcheidungsnorm an die Hand ga- ben. 46) de Fatis Iurisprud. Rom. Exerc. II. pag. 399. F 5
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de Iuſtitia et Iure.
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ſitive Recht des Roͤmiſchen Staats mit dieſem Namen,
ſo wie auch noch heutiges Tages das Roͤmiſche Recht
κάτ ἐξοχην das buͤrgerliche oder civil Recht ge-
nennet zu werden pfleget. Die uͤbrige Bedeutungen von
ius civile uͤbergehe ich, weil man ſie in dem Hoͤpfner-
ſchen Commentar uͤber die Heinecciuſſiſchen Inſtitu-
tionen §. 31. S. 39. der zweiten Ausgabe ſchon voll-
ſtaͤndig angefuͤhrt findet. Statt deſſen aber erlaube man
mir noch eine Bemerkung hinzuzufuͤgen. Es iſt bekannt,
daß die Peregrini, worunter man bey den Koͤmern ehe-
mals alle diejenigen verſtand, die keine Roͤmiſche Buͤrger
waren, nicht nach dem Recht der roͤmiſchen Buͤrger gerich-
tet, ſondern die bey ihnen ſtatthabende Rechte und Ver-
bindlichkeiten vielmehr nach dem Iure Gentium beurtheilt
wurden: Georg Schubart denkt ſich dabey das gemeine
Natur. und Voͤlkerrecht 46). Allein ſeine Erklaͤ-
rung ſtimmet mit demjenigen nicht uͤberein, was wir theils
in denen Roͤmiſchen Striptoren, theils in denen Fragmen-
ten des Antejuſtinianeiſchen Rechts vom iure peregrino-
rum aufgezeichnet finden. Dieſe belehren uns, daß man
bey den Peregrinis einen Unterſchied gemacht, ob ſie
Buͤrger einer gewißen unter Roͤmiſcher Souveraͤnitaͤt
geſtandenen Stadt waren, oder nicht: leztere nennte
man ἀπόλιδες, d. i. nullius certae civitatis cives,
dieſen verſtatteten die Roͤmer blos das, was iuris gen-
tium war, wie Marcian in L. 17. D. de poenis
anmerkt. Ihre Rechtsſachen entſchied daher der Praͤ-
tor peregrinus nach der Vernunft und dem gemeinen
Menſchenrecht, inſofern ihm nicht etwa aͤhnliche rechts-
kraͤftig abgeurtheilte Faͤlle, oder die Roͤmiſchen Geſetze
ſelbſten hierin eine Entſcheidungsnorm an die Hand ga-
ben.
46) de Fatis Iurisprud. Rom. Exerc. II. pag. 399.
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