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Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1790.

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de Iustitia et Iure.
die er mit allen andern Thieren gemein habe. Die Stoi-
ker nannten diese ta prota kata phusin 36). Allein nach
seiner eigenen menschlichen Natur wäre er ein ver-
nünftiges Wesen, welches nicht nur jene natürliche
Triebe mit Vernunft zu mäßigen, sondern auch nach
den Kräften seines Verstandes mit moralischer Freyheit
zu handeln vermöchte. Nach dieser zwifachen Natur
des Menschen nahm man nun auch ein doppeltes Na-
turrecht an, das eine war, was man ius naturale im
eigentlichen Verstande
nennte, und in der gemei-
nen thierischen Natur aller lebendigen Geschöpfe seinen
Grund hätte. Dieses bestehe in denen von der Natur,
worunter die Stoiker Gott verstanden 37), allen leben-
digen Geschöpfen eingepflanzten Trieben, welche Menschen
und Thiere mit einander gemein haben. Z. B. so fühlt
der Mensch einem ihn angebohrnen Trieb in sich, sich sowohl
selbst zu erhalten, als auch sein Geschlecht fortzupflan-
zen. Dieselben Triebe habe aber auch die Natur allen
andern Thieren eingepflanzt. Principio generi animan-
tium omni est a natura tributum,
sagt daher Cice-
ro
38), ut se, vitam, corpusque tueatur, declinet-
que ea, quae nocitura videantur, omniaque, quae-
cumque ad vivendum sint necessaria, anquirat, et
paret, ut pastum, ut latibula, ut alia eiusdem ge-
neris. Commune autem animantium omnium est
coniunctionis appetitus, procreandi causa, et cura
quaedam eorum quae procreata sunt.
Da nun die
Natur dem Menschen auch ein angebohrnes Recht gege-

ben
36) Wie der alte Philosoph Taurus beym gellivs Noct.
Atticar
. Lib. XII. c.
5. bezeugt.
37) Quid enim aliud est natura, sagt seneca de Benefic.
Lib. IV. c. 7. quam Deus, et divina ratio, toti mundo et
partibus eius inserta?
38) de Offic. Lib. I. c. 4.
F 3

de Iuſtitia et Iure.
die er mit allen andern Thieren gemein habe. Die Stoi-
ker nannten dieſe τὰ πρῶτα κατα φύσιν 36). Allein nach
ſeiner eigenen menſchlichen Natur waͤre er ein ver-
nuͤnftiges Weſen, welches nicht nur jene natuͤrliche
Triebe mit Vernunft zu maͤßigen, ſondern auch nach
den Kraͤften ſeines Verſtandes mit moraliſcher Freyheit
zu handeln vermoͤchte. Nach dieſer zwifachen Natur
des Menſchen nahm man nun auch ein doppeltes Na-
turrecht an, das eine war, was man ius naturale im
eigentlichen Verſtande
nennte, und in der gemei-
nen thieriſchen Natur aller lebendigen Geſchoͤpfe ſeinen
Grund haͤtte. Dieſes beſtehe in denen von der Natur,
worunter die Stoiker Gott verſtanden 37), allen leben-
digen Geſchoͤpfen eingepflanzten Trieben, welche Menſchen
und Thiere mit einander gemein haben. Z. B. ſo fuͤhlt
der Menſch einem ihn angebohrnen Trieb in ſich, ſich ſowohl
ſelbſt zu erhalten, als auch ſein Geſchlecht fortzupflan-
zen. Dieſelben Triebe habe aber auch die Natur allen
andern Thieren eingepflanzt. Principio generi animan-
tium omni eſt a natura tributum,
ſagt daher Cice-
ro
38), ut ſe, vitam, corpusque tueatur, declinet-
que ea, quae nocitura videantur, omniaque, quae-
cumque ad vivendum ſint neceſſaria, anquirat, et
paret, ut paſtum, ut latibula, ut alia eiusdem ge-
neris. Commune autem animantium omnium eſt
coniunctionis appetitus, procreandi cauſa, et cura
quaedam eorum quae procreata ſunt.
Da nun die
Natur dem Menſchen auch ein angebohrnes Recht gege-

ben
36) Wie der alte Philoſoph Taurus beym gellivs Noct.
Atticar
. Lib. XII. c.
5. bezeugt.
37) Quid enim aliud eſt natura, ſagt seneca de Benefic.
Lib. IV. c. 7. quam Deus, et divina ratio, toti mundo et
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38) de Offic. Lib. I. c. 4.
F 3
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[85/0105] de Iuſtitia et Iure. die er mit allen andern Thieren gemein habe. Die Stoi- ker nannten dieſe τὰ πρῶτα κατα φύσιν 36). Allein nach ſeiner eigenen menſchlichen Natur waͤre er ein ver- nuͤnftiges Weſen, welches nicht nur jene natuͤrliche Triebe mit Vernunft zu maͤßigen, ſondern auch nach den Kraͤften ſeines Verſtandes mit moraliſcher Freyheit zu handeln vermoͤchte. Nach dieſer zwifachen Natur des Menſchen nahm man nun auch ein doppeltes Na- turrecht an, das eine war, was man ius naturale im eigentlichen Verſtande nennte, und in der gemei- nen thieriſchen Natur aller lebendigen Geſchoͤpfe ſeinen Grund haͤtte. Dieſes beſtehe in denen von der Natur, worunter die Stoiker Gott verſtanden 37), allen leben- digen Geſchoͤpfen eingepflanzten Trieben, welche Menſchen und Thiere mit einander gemein haben. Z. B. ſo fuͤhlt der Menſch einem ihn angebohrnen Trieb in ſich, ſich ſowohl ſelbſt zu erhalten, als auch ſein Geſchlecht fortzupflan- zen. Dieſelben Triebe habe aber auch die Natur allen andern Thieren eingepflanzt. Principio generi animan- tium omni eſt a natura tributum, ſagt daher Cice- ro 38), ut ſe, vitam, corpusque tueatur, declinet- que ea, quae nocitura videantur, omniaque, quae- cumque ad vivendum ſint neceſſaria, anquirat, et paret, ut paſtum, ut latibula, ut alia eiusdem ge- neris. Commune autem animantium omnium eſt coniunctionis appetitus, procreandi cauſa, et cura quaedam eorum quae procreata ſunt. Da nun die Natur dem Menſchen auch ein angebohrnes Recht gege- ben 36) Wie der alte Philoſoph Taurus beym gellivs Noct. Atticar. Lib. XII. c. 5. bezeugt. 37) Quid enim aliud eſt natura, ſagt seneca de Benefic. Lib. IV. c. 7. quam Deus, et divina ratio, toti mundo et partibus eius inſerta? 38) de Offic. Lib. I. c. 4. F 3

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Zitationshilfe: Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1790, S. 85. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten01_1790/105>, abgerufen am 21.11.2024.