Du hast die freien Lieder, die mein scherz- hafter Liebhaber nach der Natur und nach dem Anakreon gedichtet, deines Beifalls werth gehalten. Du hast sie nach kritischer Einsicht gebilliget: mir haben sie aus Zärtlichkeit gegen den Verfasser, und wenn ich es sagen darf, aus einer kleinen Eitel- keit gefallen. Die meisten enthalten mein ge- heimes Lob. Gewisse verräterische Züge ma- len dir die Doris. Sie muß dir gefallen, so oft dir der Poet gefällt, und du must sie loben, so oft du den Dichter erhebst. Welch ein an- genehmes Opfer für ein Frauenzimmer, gelobt zu werden! Ich kan meine Empfindungen nicht verläugnen, und ich statte dir hiermit für dein Lob öffentlichen Dank ab, indem ich dir zugleich
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Mein Leſer,
Du haſt die freien Lieder, die mein ſcherz- hafter Liebhaber nach der Natur und nach dem Anakreon gedichtet, deines Beifalls werth gehalten. Du haſt ſie nach kritiſcher Einſicht gebilliget: mir haben ſie aus Zärtlichkeit gegen den Verfaſſer, und wenn ich es ſagen darf, aus einer kleinen Eitel- keit gefallen. Die meiſten enthalten mein ge- heimes Lob. Gewiſſe verräteriſche Züge ma- len dir die Doris. Sie muß dir gefallen, ſo oft dir der Poet gefällt, und du muſt ſie loben, ſo oft du den Dichter erhebſt. Welch ein an- genehmes Opfer für ein Frauenzimmer, gelobt zu werden! Ich kan meine Empfindungen nicht verläugnen, und ich ſtatte dir hiermit für dein Lob öffentlichen Dank ab, indem ich dir zugleich
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[[III]/0005]
Mein Leſer,
Du haſt die freien Lieder, die mein ſcherz-
hafter Liebhaber nach der Natur und
nach dem Anakreon gedichtet, deines
Beifalls werth gehalten. Du haſt
ſie nach kritiſcher Einſicht gebilliget: mir haben
ſie aus Zärtlichkeit gegen den Verfaſſer, und
wenn ich es ſagen darf, aus einer kleinen Eitel-
keit gefallen. Die meiſten enthalten mein ge-
heimes Lob. Gewiſſe verräteriſche Züge ma-
len dir die Doris. Sie muß dir gefallen, ſo
oft dir der Poet gefällt, und du muſt ſie loben,
ſo oft du den Dichter erhebſt. Welch ein an-
genehmes Opfer für ein Frauenzimmer, gelobt
zu werden! Ich kan meine Empfindungen nicht
verläugnen, und ich ſtatte dir hiermit für dein
Lob öffentlichen Dank ab, indem ich dir zugleich
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Gleim, Johann Wilhelm Ludwig: Versuch in Scherzhaften Liedern. Bd. 2. Berlin, 1745, S. [III]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gleim_versuch02_1745/5>, abgerufen am 05.07.2024.
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