Was aber die erstere von vielen Auslegernseit langer Zeit angenommene Meynung betrift, daß nämlich die Mandragora die würkliche Dudaim der Hebräer gewesen seyn müsse oder könne, so kommt noch eine zweyte Tradition aus den Schrif- ten der Rabbiner dazu, welche, sie sey nun wahr oder fabelhaft, dennoch in Verbindung mit der er- sten, die die 70 Dollmetscher davon gehabt, nach aller Wahrscheinlichkeit einiger zusammen passenden Umstände, viele Gelegenheit zu Fabeln, und andern noch heimlich bis jetzo obwaltenden Betrügereyen ge- geben. Ist sie indessen gewiß, so kann sie ohne Wider- spruch und gegen alle ihr angedichteten Vorwürfe in ihrem eigenen Werthe bleiben, uns aber würde sie auch bey einer Erdichtung immer gleichgültig seyn. Ihre Anwendung hingegen, wenn sie übel gemacht und zu falschen Schlüssen angewendet werden sollte, welche daraus nicht herkommen, würde alsdenn nicht mehr gleichgültig seyn, wenn man zumahl ohne Untersuchung der wahren und anderer erläu- ternden Umstände, folgern wollte, daß diese Tradi- tion, wegen mehrerer in den Rabbinischen Schrif- ten, mit andern schlechterdings falsch seyn müsse.
Diese Rabbinen melden unter andern, daß die Kinder aus der Nachkommenschaft des Stam- mes Ruben, in ihren Fahnen eine ganze Mandra- gorapflanze, (welche vor die rechte Dudaim ange- nommen worden), als ein beständiges Gedenkzeichen eines mit der Dudaim für sie so merkwürdigen Vor-
falles,
Was aber die erſtere von vielen Auslegernſeit langer Zeit angenommene Meynung betrift, daß naͤmlich die Mandragora die wuͤrkliche Dudaim der Hebraͤer geweſen ſeyn muͤſſe oder koͤnne, ſo kommt noch eine zweyte Tradition aus den Schrif- ten der Rabbiner dazu, welche, ſie ſey nun wahr oder fabelhaft, dennoch in Verbindung mit der er- ſten, die die 70 Dollmetſcher davon gehabt, nach aller Wahrſcheinlichkeit einiger zuſammen paſſenden Umſtaͤnde, viele Gelegenheit zu Fabeln, und andern noch heimlich bis jetzo obwaltenden Betruͤgereyen ge- geben. Iſt ſie indeſſen gewiß, ſo kann ſie ohne Wider- ſpruch und gegen alle ihr angedichteten Vorwuͤrfe in ihrem eigenen Werthe bleiben, uns aber wuͤrde ſie auch bey einer Erdichtung immer gleichguͤltig ſeyn. Ihre Anwendung hingegen, wenn ſie uͤbel gemacht und zu falſchen Schluͤſſen angewendet werden ſollte, welche daraus nicht herkommen, wuͤrde alsdenn nicht mehr gleichguͤltig ſeyn, wenn man zumahl ohne Unterſuchung der wahren und anderer erlaͤu- ternden Umſtaͤnde, folgern wollte, daß dieſe Tradi- tion, wegen mehrerer in den Rabbiniſchen Schrif- ten, mit andern ſchlechterdings falſch ſeyn muͤſſe.
Dieſe Rabbinen melden unter andern, daß die Kinder aus der Nachkommenſchaft des Stam- mes Ruben, in ihren Fahnen eine ganze Mandra- gorapflanze, (welche vor die rechte Dudaim ange- nommen worden), als ein beſtaͤndiges Gedenkzeichen eines mit der Dudaim fuͤr ſie ſo merkwuͤrdigen Vor-
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Was aber die erſtere von vielen Auslegernſeit
langer Zeit angenommene Meynung betrift, daß
naͤmlich die Mandragora die wuͤrkliche Dudaim
der Hebraͤer geweſen ſeyn muͤſſe oder koͤnne, ſo
kommt noch eine zweyte Tradition aus den Schrif-
ten der Rabbiner dazu, welche, ſie ſey nun wahr
oder fabelhaft, dennoch in Verbindung mit der er-
ſten, die die 70 Dollmetſcher davon gehabt, nach
aller Wahrſcheinlichkeit einiger zuſammen paſſenden
Umſtaͤnde, viele Gelegenheit zu Fabeln, und andern
noch heimlich bis jetzo obwaltenden Betruͤgereyen ge-
geben. Iſt ſie indeſſen gewiß, ſo kann ſie ohne Wider-
ſpruch und gegen alle ihr angedichteten Vorwuͤrfe in
ihrem eigenen Werthe bleiben, uns aber wuͤrde ſie auch
bey einer Erdichtung immer gleichguͤltig ſeyn. Ihre
Anwendung hingegen, wenn ſie uͤbel gemacht und
zu falſchen Schluͤſſen angewendet werden ſollte,
welche daraus nicht herkommen, wuͤrde alsdenn
nicht mehr gleichguͤltig ſeyn, wenn man zumahl
ohne Unterſuchung der wahren und anderer erlaͤu-
ternden Umſtaͤnde, folgern wollte, daß dieſe Tradi-
tion, wegen mehrerer in den Rabbiniſchen Schrif-
ten, mit andern ſchlechterdings falſch ſeyn muͤſſe.
Dieſe Rabbinen melden unter andern, daß
die Kinder aus der Nachkommenſchaft des Stam-
mes Ruben, in ihren Fahnen eine ganze Mandra-
gorapflanze, (welche vor die rechte Dudaim ange-
nommen worden), als ein beſtaͤndiges Gedenkzeichen
eines mit der Dudaim fuͤr ſie ſo merkwuͤrdigen Vor-
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Gleditsch, Johann Gottlieb: Vermischte botanische und ökonomische Abhandlungen. Bd. 2. Berlin, 1789, S. 26. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gleditsch_abhandlungen02_1789/36>, abgerufen am 11.12.2024.
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