Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gleditsch, Johann Gottlieb: Vermischte botanische Abhandlungen. Bd. 1. Berlin, 1789.

Bild:
<< vorherige Seite

Wenn ich den oberen Theil der antherarum
abschnitt, so quoll aus dieser Oefnung ein halbdurch-
sichtiger Tropfen heraus, der unter dem Vergrösse-
rungsglase im Wasser eine ungestalte Masse vor-
stellte, in der eine Menge von außerordentlich kleinen
athomis gleichsam feste eingewickelt war. Dieses
schleimige Wesen ließ sich wie ein Vogelleim mit
der Nadelspitze zu Faden ziehen, und das Wasser
agirte weit langsamer darin, als bey Tulipanen und
andern geschiehet, ohne daß ich bemerken können,
daß die darinnen verwickelte Körperchen sich hätten
deutlicher, als bey andern, unterscheiden lassen.

Ob man nun in dergleichen unzeitigen weißen
Staubkügelchen schon durch Vergrößerungsgläser
noch nichts unterscheiden kann, das zu der Zeit denen
athomis spermaticis futuri seminis, oder eigentlich
zu reden, denen zukünftigen Augen oder Keimen der
zum Saamen destinirten Theilgen ähnlich wäre, so ist
doch kaum zu glauben daß sie leer seyn sollten; eben
so wie die Saamengefäße junger Kinder und Thiere
männlichen Geschlechts deswegen nicht ganz ledig
seyn können, ob man schon zu der Zeit noch keine
Saamenthierchen darinnen entdecket.

Das, was ich an den unvollkommenen Staub-
kügelchen bemerket, hat mich veranlaßt, hier eine
wahrscheinliche Reflexion zu wagen, welche, wie et-
liche im vorhergehenden, auf eine Aehnlichkeit der Ge-
neration zwischen den Thieren und Pflanzen abzielet.
In Betrachtung dessen, daß sich eben der vorbeschrie-

bene

Wenn ich den oberen Theil der antherarum
abſchnitt, ſo quoll aus dieſer Oefnung ein halbdurch-
ſichtiger Tropfen heraus, der unter dem Vergroͤſſe-
rungsglaſe im Waſſer eine ungeſtalte Maſſe vor-
ſtellte, in der eine Menge von außerordentlich kleinen
athomis gleichſam feſte eingewickelt war. Dieſes
ſchleimige Weſen ließ ſich wie ein Vogelleim mit
der Nadelſpitze zu Faden ziehen, und das Waſſer
agirte weit langſamer darin, als bey Tulipanen und
andern geſchiehet, ohne daß ich bemerken koͤnnen,
daß die darinnen verwickelte Koͤrperchen ſich haͤtten
deutlicher, als bey andern, unterſcheiden laſſen.

Ob man nun in dergleichen unzeitigen weißen
Staubkuͤgelchen ſchon durch Vergroͤßerungsglaͤſer
noch nichts unterſcheiden kann, das zu der Zeit denen
athomis ſpermaticis futuri ſeminis, oder eigentlich
zu reden, denen zukuͤnftigen Augen oder Keimen der
zum Saamen deſtinirten Theilgen aͤhnlich waͤre, ſo iſt
doch kaum zu glauben daß ſie leer ſeyn ſollten; eben
ſo wie die Saamengefaͤße junger Kinder und Thiere
maͤnnlichen Geſchlechts deswegen nicht ganz ledig
ſeyn koͤnnen, ob man ſchon zu der Zeit noch keine
Saamenthierchen darinnen entdecket.

Das, was ich an den unvollkommenen Staub-
kuͤgelchen bemerket, hat mich veranlaßt, hier eine
wahrſcheinliche Reflexion zu wagen, welche, wie et-
liche im vorhergehenden, auf eine Aehnlichkeit der Ge-
neration zwiſchen den Thieren und Pflanzen abzielet.
In Betrachtung deſſen, daß ſich eben der vorbeſchrie-

bene
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0050" n="38"/>
        <p>Wenn ich den oberen Theil der <hi rendition="#aq">antherarum</hi><lb/>
ab&#x017F;chnitt, &#x017F;o quoll aus die&#x017F;er Oefnung ein halbdurch-<lb/>
&#x017F;ichtiger Tropfen heraus, der unter dem Vergro&#x0364;&#x017F;&#x017F;e-<lb/>
rungsgla&#x017F;e im Wa&#x017F;&#x017F;er eine unge&#x017F;talte Ma&#x017F;&#x017F;e vor-<lb/>
&#x017F;tellte, in der eine Menge von außerordentlich kleinen<lb/><hi rendition="#aq">athomis</hi> gleich&#x017F;am fe&#x017F;te eingewickelt war. Die&#x017F;es<lb/>
&#x017F;chleimige We&#x017F;en ließ &#x017F;ich wie ein Vogelleim mit<lb/>
der Nadel&#x017F;pitze zu Faden ziehen, und das Wa&#x017F;&#x017F;er<lb/>
agirte weit lang&#x017F;amer darin, als bey Tulipanen und<lb/>
andern ge&#x017F;chiehet, ohne daß ich bemerken ko&#x0364;nnen,<lb/>
daß die darinnen verwickelte Ko&#x0364;rperchen &#x017F;ich ha&#x0364;tten<lb/>
deutlicher, als bey andern, unter&#x017F;cheiden la&#x017F;&#x017F;en.</p><lb/>
        <p>Ob man nun in dergleichen unzeitigen weißen<lb/>
Staubku&#x0364;gelchen &#x017F;chon durch Vergro&#x0364;ßerungsgla&#x0364;&#x017F;er<lb/>
noch nichts unter&#x017F;cheiden kann, das zu der Zeit denen<lb/><hi rendition="#aq">athomis &#x017F;permaticis futuri &#x017F;eminis,</hi> oder eigentlich<lb/>
zu reden, denen zuku&#x0364;nftigen Augen oder Keimen der<lb/>
zum Saamen de&#x017F;tinirten Theilgen a&#x0364;hnlich wa&#x0364;re, &#x017F;o i&#x017F;t<lb/>
doch kaum zu glauben daß &#x017F;ie leer &#x017F;eyn &#x017F;ollten; eben<lb/>
&#x017F;o wie die Saamengefa&#x0364;ße junger Kinder und Thiere<lb/>
ma&#x0364;nnlichen Ge&#x017F;chlechts deswegen nicht ganz ledig<lb/>
&#x017F;eyn ko&#x0364;nnen, ob man &#x017F;chon zu der Zeit noch keine<lb/>
Saamenthierchen darinnen entdecket.</p><lb/>
        <p>Das, was ich an den unvollkommenen Staub-<lb/>
ku&#x0364;gelchen bemerket, hat mich veranlaßt, hier eine<lb/>
wahr&#x017F;cheinliche Reflexion zu wagen, welche, wie et-<lb/>
liche im vorhergehenden, auf eine Aehnlichkeit der Ge-<lb/>
neration zwi&#x017F;chen den Thieren und Pflanzen abzielet.<lb/>
In Betrachtung de&#x017F;&#x017F;en, daß &#x017F;ich eben der vorbe&#x017F;chrie-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">bene</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[38/0050] Wenn ich den oberen Theil der antherarum abſchnitt, ſo quoll aus dieſer Oefnung ein halbdurch- ſichtiger Tropfen heraus, der unter dem Vergroͤſſe- rungsglaſe im Waſſer eine ungeſtalte Maſſe vor- ſtellte, in der eine Menge von außerordentlich kleinen athomis gleichſam feſte eingewickelt war. Dieſes ſchleimige Weſen ließ ſich wie ein Vogelleim mit der Nadelſpitze zu Faden ziehen, und das Waſſer agirte weit langſamer darin, als bey Tulipanen und andern geſchiehet, ohne daß ich bemerken koͤnnen, daß die darinnen verwickelte Koͤrperchen ſich haͤtten deutlicher, als bey andern, unterſcheiden laſſen. Ob man nun in dergleichen unzeitigen weißen Staubkuͤgelchen ſchon durch Vergroͤßerungsglaͤſer noch nichts unterſcheiden kann, das zu der Zeit denen athomis ſpermaticis futuri ſeminis, oder eigentlich zu reden, denen zukuͤnftigen Augen oder Keimen der zum Saamen deſtinirten Theilgen aͤhnlich waͤre, ſo iſt doch kaum zu glauben daß ſie leer ſeyn ſollten; eben ſo wie die Saamengefaͤße junger Kinder und Thiere maͤnnlichen Geſchlechts deswegen nicht ganz ledig ſeyn koͤnnen, ob man ſchon zu der Zeit noch keine Saamenthierchen darinnen entdecket. Das, was ich an den unvollkommenen Staub- kuͤgelchen bemerket, hat mich veranlaßt, hier eine wahrſcheinliche Reflexion zu wagen, welche, wie et- liche im vorhergehenden, auf eine Aehnlichkeit der Ge- neration zwiſchen den Thieren und Pflanzen abzielet. In Betrachtung deſſen, daß ſich eben der vorbeſchrie- bene

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gleditsch_abhandlungen01_1789
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gleditsch_abhandlungen01_1789/50
Zitationshilfe: Gleditsch, Johann Gottlieb: Vermischte botanische Abhandlungen. Bd. 1. Berlin, 1789, S. 38. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gleditsch_abhandlungen01_1789/50>, abgerufen am 23.11.2024.