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Gizycki, Lily von: Die Bürgerpflicht der Frau. Berlin, 1895.

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unseren ersten Vorkämpfer stolz sein dürfen, fanden lebhaften
Widerhall. Als die National-Versammlung die Menschenrechte
erklärte, legte Olympe de Gouges eine Petition französischer
Frauen auf den Tisch des Hauses nieder, welche die vollständige
politische Gleichberechtigung des weiblichen Geschlechtes forderte.
Zu gleicher Zeit veröffentlichte sie die Deklaration der Rechte
der Frauen, in der es unter anderem heißt: "Die Frau ist frei
geboren und von Rechtswegen dem Manne gleich .... Jeder
männliche und weibliche Bürger sollte, gemäß seinen Fähigkeiten,
zu allen öffentlichen Ämtern zugelassen werden .... Die Frau
hat das Recht, das Schaffot zu besteigen, die Tribüne zu be-
steigen sollte sie gleicherweise das Recht haben."1)

Jhre Forderung fand kein Gehör. Die Mächtigsten jener
Tage, Robespierre und Mirabeau an der Spitze, wiesen sie
mit denselben Worten ab, die auch heute noch gang und gäbe
sind. "Diese sanften Wesen den Gefahren des Lebens auszu-
setzen, welche sie nicht zu ertragen imstande sind, hieße ihre zarte
Empfindsamkeit vernichten", rief Mirabeau aus, und fügte
noch hinzu: "Kein Zweifel, die Frau soll herrschen, aber in
unserem Herzen, in unserem Hause, hier und hier allein."2) Doch
die Verteidiger der Rechte der Frauen ließen sich nicht ein-
schüchtern.

Condorcet war durch die Ergebnisse seines Denkens zu der-
selben Schlußfolgerung gekommen, zu welcher das an Kampf
und Leiden reiche Leben die Engländerin Mary Wollstonecraft
führte. Wenige Jahre, nachdem seine "Lettres d'un Bourgeois
de New Haven
" erschienen waren, veröffentlichte sie ihr Werk:
"Die Verteidigung der Rechte der Frauen", dessen feurige
Sprache verriet, daß sie tief in das Elend ihres Geschlechtes
hineingeschaut hatte. Sie kämpfte nicht nur gegen die Tyrannei
der Männer, sie kämpfte auch gegen den Sklavensinn der Frauen.
Sie ermahnte ihr Geschlecht, sich seiner Würde, seiner Menschen-
pflichten bewußt zu werden.

1) Der Text dieser Deklaration befindet sich in Daniel Sterne's "Histoire
de la Revolution
", S. 379.
2) "Travail sur l'Education publique". 1791.

unseren ersten Vorkämpfer stolz sein dürfen, fanden lebhaften
Widerhall. Als die National-Versammlung die Menschenrechte
erklärte, legte Olympe de Gouges eine Petition französischer
Frauen auf den Tisch des Hauses nieder, welche die vollständige
politische Gleichberechtigung des weiblichen Geschlechtes forderte.
Zu gleicher Zeit veröffentlichte sie die Deklaration der Rechte
der Frauen, in der es unter anderem heißt: „Die Frau ist frei
geboren und von Rechtswegen dem Manne gleich .... Jeder
männliche und weibliche Bürger sollte, gemäß seinen Fähigkeiten,
zu allen öffentlichen Ämtern zugelassen werden .... Die Frau
hat das Recht, das Schaffot zu besteigen, die Tribüne zu be-
steigen sollte sie gleicherweise das Recht haben.‟1)

Jhre Forderung fand kein Gehör. Die Mächtigsten jener
Tage, Robespierre und Mirabeau an der Spitze, wiesen sie
mit denselben Worten ab, die auch heute noch gang und gäbe
sind. „Diese sanften Wesen den Gefahren des Lebens auszu-
setzen, welche sie nicht zu ertragen imstande sind, hieße ihre zarte
Empfindsamkeit vernichten‟, rief Mirabeau aus, und fügte
noch hinzu: „Kein Zweifel, die Frau soll herrschen, aber in
unserem Herzen, in unserem Hause, hier und hier allein.‟2) Doch
die Verteidiger der Rechte der Frauen ließen sich nicht ein-
schüchtern.

Condorcet war durch die Ergebnisse seines Denkens zu der-
selben Schlußfolgerung gekommen, zu welcher das an Kampf
und Leiden reiche Leben die Engländerin Mary Wollstonecraft
führte. Wenige Jahre, nachdem seine „Lettres d'un Bourgeois
de New Haven
‟ erschienen waren, veröffentlichte sie ihr Werk:
„Die Verteidigung der Rechte der Frauen‟, dessen feurige
Sprache verriet, daß sie tief in das Elend ihres Geschlechtes
hineingeschaut hatte. Sie kämpfte nicht nur gegen die Tyrannei
der Männer, sie kämpfte auch gegen den Sklavensinn der Frauen.
Sie ermahnte ihr Geschlecht, sich seiner Würde, seiner Menschen-
pflichten bewußt zu werden.

1) Der Text dieser Deklaration befindet sich in Daniel Sterne's „Histoire
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[6/0007] unseren ersten Vorkämpfer stolz sein dürfen, fanden lebhaften Widerhall. Als die National-Versammlung die Menschenrechte erklärte, legte Olympe de Gouges eine Petition französischer Frauen auf den Tisch des Hauses nieder, welche die vollständige politische Gleichberechtigung des weiblichen Geschlechtes forderte. Zu gleicher Zeit veröffentlichte sie die Deklaration der Rechte der Frauen, in der es unter anderem heißt: „Die Frau ist frei geboren und von Rechtswegen dem Manne gleich .... Jeder männliche und weibliche Bürger sollte, gemäß seinen Fähigkeiten, zu allen öffentlichen Ämtern zugelassen werden .... Die Frau hat das Recht, das Schaffot zu besteigen, die Tribüne zu be- steigen sollte sie gleicherweise das Recht haben.‟ 1) Jhre Forderung fand kein Gehör. Die Mächtigsten jener Tage, Robespierre und Mirabeau an der Spitze, wiesen sie mit denselben Worten ab, die auch heute noch gang und gäbe sind. „Diese sanften Wesen den Gefahren des Lebens auszu- setzen, welche sie nicht zu ertragen imstande sind, hieße ihre zarte Empfindsamkeit vernichten‟, rief Mirabeau aus, und fügte noch hinzu: „Kein Zweifel, die Frau soll herrschen, aber in unserem Herzen, in unserem Hause, hier und hier allein.‟ 2) Doch die Verteidiger der Rechte der Frauen ließen sich nicht ein- schüchtern. Condorcet war durch die Ergebnisse seines Denkens zu der- selben Schlußfolgerung gekommen, zu welcher das an Kampf und Leiden reiche Leben die Engländerin Mary Wollstonecraft führte. Wenige Jahre, nachdem seine „Lettres d'un Bourgeois de New Haven‟ erschienen waren, veröffentlichte sie ihr Werk: „Die Verteidigung der Rechte der Frauen‟, dessen feurige Sprache verriet, daß sie tief in das Elend ihres Geschlechtes hineingeschaut hatte. Sie kämpfte nicht nur gegen die Tyrannei der Männer, sie kämpfte auch gegen den Sklavensinn der Frauen. Sie ermahnte ihr Geschlecht, sich seiner Würde, seiner Menschen- pflichten bewußt zu werden. 1) Der Text dieser Deklaration befindet sich in Daniel Sterne's „Histoire de la Revolution‟, S. 379. 2) „Travail sur l'Education publique‟. 1791.

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Zitationshilfe: Gizycki, Lily von: Die Bürgerpflicht der Frau. Berlin, 1895, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gizycki_buergerpflicht_1895/7>, abgerufen am 23.11.2024.