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Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742].

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Nummer 11
Den 18 December

Weil der Dähnische Prediger unpaß war, so hörten wir die Predigt in
der Schwedischen Kirche, woselbsten der Neven des Schwedischen Pastoris Me-
denii
aus dem Ewangelio vorstellete: einen in der That wahrhaftigen und
Gott wohlgefälligen Christen 1) nach seiner innern und 2.) nach seiner
äußern Beschaffenheit. Jene bestund in der Erkäntniß Gottes und
seiner selbst, diese aber in der Aufrichtigkeit und Demut. Wäre das
Maaß der Salbung bey diesem Prediger dem Maaß seiner Hardiesse
und angenommenen frantzösischen Freudigkeit gleich gewesen, so
hätte seine Predigt vor eine derer besten passiren können. Der
Schwedische Minster hatte, dem Vernehmen nach, außerordentlich
zu schreiben, kam also nicht zum Vorschein, und entretenireten
wir uns nach der Predigt, mit denen gleichfals zu gegen ge-
wesenen Herren von Wind und von Böhmer, den nachmittag über
employirten wir nebst der Post-Expedition zur Lecture, und
wird viellecht nicht unangenehm seyn, folgende gantz neue
Demonstration von der Existenz Gottes hierbey zu communiciren,
welche ein noch lebender hiesiger Autor unter andern vermischten
Materien in Druck gegeben. Er wundert sich nehmlich, wie es
doch komme, daß man bey Erblickung einer weiblichen Schönheit,
insgemein sich daran attachire, anstatt daß man Gelegenheit
nehmen solte, wie durch Veranlaßung anderer Schönheiten in der
Natur, also auch durch diese zu dem Schöpfer derselben hinauf
zu steigen, und darauf fähret er also fort: au lieu de pro-
poser[unleserliches Material]s une beaute pour flatter et attacher les regards Sensuels'
des gens du monde, je la proposerois plutot pour confondre un
Athee et je dirois:

Vous, a qui notre loi paroit une imposture,
Qui dontez des secrets que son voile a converts,
Qui ne connoissez point de Maitre a l'Univers,
Et voyez qu'ici bas tout roule a l'avanture.
-

Pouvez vous voir du Ciel la brillante structure,
le constant mouvement de tant d'Astres divers,
le retour des etes et celui des hyvers,
Sans convenir qu'un Dieu prefide a la nature?
-

Que si pour vous tirer de votre avenglement,
Ces fortes verites sont un foible argument,
Je veux bien vous gueris de votre erreur mortelle.

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Nummer 11
Den 18 December

Weil der Dähnische Prediger unpaß war, so hörten wir die Predigt in
der Schwedischen Kirche, woselbsten der Neven des Schwedischen Pastoris Me-
denii
aus dem Ewangelio vorstellete: einen in der That wahrhaftigen und
Gott wohlgefälligen Christen 1) nach seiner innern und 2.) nach seiner
äußern Beschaffenheit. Jene bestund in der Erkäntniß Gottes und
seiner selbst, diese aber in der Aufrichtigkeit und Demut. Wäre das
Maaß der Salbung bey diesem Prediger dem Maaß seiner Hardiesse
und angenommenen frantzösischen Freudigkeit gleich gewesen, so
hätte seine Predigt vor eine derer besten passiren können. Der
Schwedische Minster hatte, dem Vernehmen nach, außerordentlich
zu schreiben, kam also nicht zum Vorschein, und entretenireten
wir uns nach der Predigt, mit denen gleichfals zu gegen ge-
wesenen Herren von Wind und von Böhmer, den nachmittag über
employirten wir nebst der Post-Expedition zur Lecture, und
wird viellecht nicht unangenehm seyn, folgende gantz neue
Demonstration von der Existenz Gottes hierbey zu communiciren,
welche ein noch lebender hiesiger Autor unter andern vermischten
Materien in Druck gegeben. Er wundert sich nehmlich, wie es
doch komme, daß man bey Erblickung einer weiblichen Schönheit,
insgemein sich daran attachire, anstatt daß man Gelegenheit
nehmen solte, wie durch Veranlaßung anderer Schönheiten in der
Natur, also auch durch diese zu dem Schöpfer derselben hinauf
zu steigen, und darauf fähret er also fort: au lieu de pro-
poser[unleserliches Material]s une beauté pour flatter et attacher les regards Sensuels‘
des gens du monde, je la proposerois plutôt pour confondre un
Athée et je dirois:

Vous, à qui notre loi paroit une imposture,
Qui dontez des secrets que son voile a converts,
Qui ne connoissez point de Maitre à l’Univers,
Et voyez qu’ici bas tout roule à l’avanture.

Pouvez vous voir du Ciel la brillante structure,
le constant mouvement de tant d’Astres divers,
le retour des étés et celui des hyvers,
Sans convenir qu’un Dieu prefide à la nature?

Que si pour vous tirer de võtre avenglement,
Ces fortes vérités sont un foible argument,
Je veux bien vous gueris de võtre erreur mortelle.

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[0090] 40 No 11 Den 18 Decembr: Weil der Dähnische Prediger unpaß war, so hörten wir die Predigt in der Schwedischen Kirche, woselbsten der Neven des Schwedischen Pastoris Me- denii aus dem Ewangelio vorstellete: einen in der That wahrhaftigen und Gott wohlgefälligen Christen 1) nach seiner innern und 2.) nach seiner äußern Beschaffenheit. Jene bestund in der Erkäntniß Gottes und seiner selbst, diese aber in der Aufrichtigkeit und Demut. Wäre das Maaß der Salbung bey diesem Prediger dem Maaß seiner Hardiesse und angenommenen frantzösischen Freudigkeit gleich gewesen, so hätte seine Predigt vor eine derer besten passiren können. Der Schwedische Minster hatte, dem Vernehmen nach, außerordentlich zu schreiben, kam also nicht zum Vorschein, und entretenireten wir uns nach der Predigt, mit denen gleichfals zu gegen ge- wesenen Herren von Wind und von Böhmer, den nachmittag über employirten wir nebst der Post-Expedition zur Lecture, und wird viellecht nicht unangenehm seyn, folgende gantz neue Demonstration von der Existenz Gottes hierbey zu communiciren, welche ein noch lebender hiesiger Autor unter andern vermischten Materien in Druck gegeben. Er wundert sich nehmlich, wie es doch komme, daß man bey Erblickung einer weiblichen Schönheit, insgemein sich daran attachire, anstatt daß man Gelegenheit nehmen solte, wie durch Veranlaßung anderer Schönheiten in der Natur, also auch durch diese zu dem Schöpfer derselben hinauf zu steigen, und darauf fähret er also fort: au lieu de pro- posers une beauté pour flatter et attacher les regards Sensuels‘ des gens du monde, je la proposerois plutôt pour confondre un Athée et je dirois: Vous, à qui notre loi paroit une imposture, Qui dontez des secrets que son voile a converts, Qui ne connoissez point de Maitre à l’Univers, Et voyez qu’ici bas tout roule à l’avanture. – Pouvez vous voir du Ciel la brillante structure, le constant mouvement de tant d’Astres divers, le retour des étés et celui des hyvers, Sans convenir qu’un Dieu prefide à la nature? – Que si pour vous tirer de võtre avenglement, Ces fortes vérités sont un foible argument, Je veux bien vous gueris de võtre erreur mortelle.

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Paul Beckus, Marita Gruner, Thomas Grunewald, Sabrina Mögelin, Martin Prell: Herausgeber:innen
Paul Beckus, Marita Gruner, Thomas Grunewald, Sabrina Mögelin, Martin Prell: Bearbeiter:innen
Martin Prell: Datentransformation
Saskia Jungmann, Nikolas Schröder, Andreas Lewen: Mitarbeit
Thüringer Staatskanzlei: Projektförderer
Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena: Bilddigitalisierung von Editionsvorlage und deren Abschrift sowie Bereitstellung der Digitalisate

Weitere Informationen:

Das Endendum der vorliegenden Edition bildet das Tagebuch zur Kavalierstour des pietistischen Grafen Heinrich XI. Reuß zu Obergreiz (1722-1800) durch das Heilige Römische Reich deutscher Nation, Frankreich, die Schweiz, Italien und Österreich in den Jahren 1740–1742. Es besteht aus 443 Tagebucheinträgen auf 784 Seiten, die in 71 Briefen in die Heimat übersandt wurden. Verfasser des Tagebuchs ist der Köstritzer Hofmeister Anton von Geusau (1695–1749). Im Tagebuch bietet dieser nicht nur Einblicke in die international vernetzte Welt des Hochadels, sondern überliefert auch tiefgehende Einblicke in die wirtschaftlichen, sozialen, religiösen und politischen Entwicklungen in den besuchten Ländern. Dies ist vor allem für die im politischen System Europas stattfindenden Veränderungen relevant. So führte der Aufstieg Preußens zur Großmacht zu einer Neuordnung des europäischen Mächtesystems. In die Zeit seiner Kavalierstour fallen beispielsweise der Tod des Römisch-Deutschen Kaisers Karl VI. (1685–1740) und der sich daran anschließende Österreichische Erbfolgekrieg mit seinen Auswirkungen auf das europäische Mächtesystem. Besonders aufschlussreich sind die zahlreichen wiedergegebenen Gespräche zwischen den Reisenden und anderen Adligen, Geistlichen und Gelehrten zumeist katholischer Provenienz. Diese ermöglichen vielfältige Einblicke in die Gedanken- und Vorstellungswelt des Verfassers, seiner Mitreisenden und Gesprächspartner. Hieran werden Kontaktzonen für interkonfessionellen Austausch, aber auch Grenzen des Sag- oder Machbaren deutlich: Heinrich XI. und von Geusau waren pietistisch-fromme Lutheraner, die die auf der Reise gemachten Erfahrungen vor ihrem konfessionellen Erfahrungshintergrund spiegelten, werteten und einordneten

Die Edition wurde zunächst mit Hilfe der virtuellen Forschungsumgebung FuD erstellt, die im Rahmen des Projektes Editionenportal Thüringen an der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena (ThULB) implementiert wurde. Nach Einstellung dieses Infrastrukturprojekts fand eine Transformation des FuD-XML in das DTABf im Rahmen eines FAIR-Data-Stipendiums der NFDI4Memory statt. Die Digitalisierung des originalen Brieftagebuchs und einer zeitgenössischen Abschrift erfolgte über die ThULB. Die vorliegende Edition umfasst eine vorlagennahe und zeilengenaue Umschrift der kurrenten Handschrift in moderne lateinische Buchstaben. Eine gründliche Ersttranskription ist erfolgt; eine abschließende Kollationierung steht noch aus. Die XML-Daten umfassen zum gegenwärtigen Zeitpunkt zudem eine grundständige Strukturkodierung (Briefe, Tagebucheinträge, Kopfzeilen, Absätze, Seiten- und Zeilenwechsel) und eine TEI-konforme Auszeichnung grundlegender formal-textkritischer Phänomene (Hervorhebungen, Autorkorrekturen, editorische Konjekturen, Unlesbarkeiten, Abkürzungen mit Auflösungen). Abweichungen der zeitgenössische Abschrift vom originalen Autographen wurden bis dato nicht erfasst. Topographische Informationen der Autorkorrekturen wurden erfasst. Einrückungen am Zeilenbeginn und innerhalb von Zeilen wurden nicht wiedergegeben. Horizontale Leerräume wurden nicht genau, sondern als einfache Leerzeilen wiedergegeben. Für bisher 49 der insgesamt 71 Briefe wurden zudem die darin erwähnten inhaltlich-semantischen Entitäten (Personen/Körperschaften, Gruppen, Geografika, Ereignisse und Objekte (z.B. Bücher, Gebäude, Statuen, Karten, Gemälde etc.)) kodiert und unter Nutzung von GND-Verweisen identifiziert. Ein entsprechendes Register finden Sie auf Github, dort sind auch sämtliche Daten der Edition zu diesem Werk publiziert.

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: nicht markiert; Geminations-/Abkürzungsstriche: mnarkiert, expandiert; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht markiert; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: DTABf-getreu; Zeilenumbrüche markiert: ja;




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Zitationshilfe: Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742], S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/geusau_reisetagebuchHeinrichxiReuss_1740/90>, abgerufen am 14.08.2024.