Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742].Leichen Wagen nicht unähnlich. Bey unsrer Ankunfft waren die hiesigen nobili Leichen Wagen nicht unähnlich. Bey unsrer Ankunfft waren die hiesigen nobili <TEI> <text> <body> <div type="letter"> <div type="diaryEntry"> <p><pb facs="#f0751"/> Leichen Wagen nicht unähnlich. Bey unsrer Ankunfft waren <hi rendition="#u">die hiesigen nobili</hi><lb/> noch in der Winter=Tracht, welche in einem schwartzen Weit=Ermelichten Talar<lb/> bestehet, der vorne herunter, iedoch nur auf einer Seite, mit weißen<lb/> Peltz=Werck einer Handbreit aufgeschlagen ist. Die groß mächtigen qua<unclear reason="covered">red</unclear><lb/> Peruquen verstatten ihnen nicht, ihre langen Mützen auf zu setzen,<lb/> welche sie deswegen unter dem Arm, iedoch mit dem Talar bedeckt,<lb/> tragen, und als Säcke gebrauchen, dasjenige, was man sonst in de-<lb/> nen Taschen trägt, hinein zu stecken. Bey denen Armen werden<lb/> diese machinen gar zu Brodt=Säcken und Eß=Köbern, wenn sie<lb/> nehmlich ihre Sp<subst><del rendition="#ow"><gap reason="illegible"/></del><add place="across">ey</add></subst>se auf dem Marckt selbst einkauffen und nach Hause<lb/> tragen. Ja was noch mehr ist, so sind wir zuverläßig versichert<lb/> worden, daß manche würcklich in denen Häusern herum betteln ge-<lb/> hen, welche extreamitaet offt von dem enormen Spiel herühret,<lb/> durch welches auch viele noch figur machende Häuser verschuldet sind, und,<lb/> weil sie diese Lebens Art dennoch fortführen, immer auf Borg leben, so,<lb/> daß der Mittel= und HandWercks=Mann dabey mercklich leiden muß. Doch<lb/> wir kommen wieder auf die <hi rendition="#u">Gebäude der Stad</hi>t, <hi rendition="#u">und deren Merckwür</hi>=<lb/><hi rendition="#u">digkeite</hi>n. 1.) <hi rendition="#u">Il <placeName xml:id="TidB17620" corresp="register.xml#regID_66.lemID_13312" ref="http://d-nb.info/gnd/4078765-5">Palazzo di S. Marco</placeName></hi>, als die Residentz des doge,<lb/> ist auf denen <add place="superlinear">beyden</add> Seiten nach dem Waßer und nach dem <placeName xml:id="TidB17619" corresp="register.xml#regID_66.lemID_13311" ref="http://d-nb.info/gnd/4252349-7">Marcus-Platz</placeName> zu<lb/> vollkommen Gothique. Auf der Seite nach dem kleinen canal zu: aber und<lb/> inwendig im Hofe noch ziemlich modern und durchaus von marmor. Die<lb/> große marmorne Treppe nebst etlichen dergleichen Statuen fallen<lb/> in eben diesem Hofe gantz wohl in die Augen, und befindet sich unter die-<lb/> sen letztern diejenige, welche <persName xml:id="TidB17623" corresp="register.xml#regID_37.lemID_13315" ref="http://d-nb.info/gnd/118859927">Franciscus Maria Hertzog von Vrbino</persName><lb/> sich zu <placeName xml:id="TidB17622" corresp="register.xml#regID_66.lemID_13314" ref="http://d-nb.info/gnd/4115912-3">Pesaro</placeName> setzen laßen, der letzte <persName xml:id="TidB17621" corresp="register.xml#regID_37.lemID_13313" ref="http://d-nb.info/gnd/118965956">Hertzog</persName> von diesem Hause aber deswe-<lb/> gen hieher verehret hat; weil gedachter sein Vorfahr ao: 1536. Ve-<lb/> netianischer General zu Lande gewesen. Hin und wieder siehet man<lb/> an diesem Pallast Löwen=Köpfe in d<subst><del rendition="#ow"><gap reason="illegible"/></del><add place="across">ie</add></subst> Mauer gesetzet, in deren offe-<lb/> nen Rachen die geheimen denun<subst><del rendition="#ow"><gap reason="illegible"/></del><add place="across">tia</add></subst>tiones, welche der Republic zum<lb/> besten gereichen können, hinein zu werffen, ein jedweder ungenannter<lb/> die Freyheit hat. Wie denn über jedwedem solchen Löwen=Kopf eine<lb/> Anweisung zu lesen ist, was vor materien man darinnen suche,<lb/> zum Exempel: Commercien-Sachen, Impost, Criminalia p. Die<lb/> besten meublen derer Versamlungs-Säle und anderer apartements </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0751]
Leichen Wagen nicht unähnlich. Bey unsrer Ankunfft waren die hiesigen nobili
noch in der Winter=Tracht, welche in einem schwartzen Weit=Ermelichten Talar
bestehet, der vorne herunter, iedoch nur auf einer Seite, mit weißen
Peltz=Werck einer Handbreit aufgeschlagen ist. Die groß mächtigen quared
Peruquen verstatten ihnen nicht, ihre langen Mützen auf zu setzen,
welche sie deswegen unter dem Arm, iedoch mit dem Talar bedeckt,
tragen, und als Säcke gebrauchen, dasjenige, was man sonst in de-
nen Taschen trägt, hinein zu stecken. Bey denen Armen werden
diese machinen gar zu Brodt=Säcken und Eß=Köbern, wenn sie
nehmlich ihre Speyse auf dem Marckt selbst einkauffen und nach Hause
tragen. Ja was noch mehr ist, so sind wir zuverläßig versichert
worden, daß manche würcklich in denen Häusern herum betteln ge-
hen, welche extreamitaet offt von dem enormen Spiel herühret,
durch welches auch viele noch figur machende Häuser verschuldet sind, und,
weil sie diese Lebens Art dennoch fortführen, immer auf Borg leben, so,
daß der Mittel= und HandWercks=Mann dabey mercklich leiden muß. Doch
wir kommen wieder auf die Gebäude der Stadt, und deren Merckwür=
digkeiten. 1.) Il Palazzo di S. Marco, als die Residentz des doge,
ist auf denen beyden Seiten nach dem Waßer und nach dem Marcus-Platz zu
vollkommen Gothique. Auf der Seite nach dem kleinen canal zu: aber und
inwendig im Hofe noch ziemlich modern und durchaus von marmor. Die
große marmorne Treppe nebst etlichen dergleichen Statuen fallen
in eben diesem Hofe gantz wohl in die Augen, und befindet sich unter die-
sen letztern diejenige, welche Franciscus Maria Hertzog von Vrbino
sich zu Pesaro setzen laßen, der letzte Hertzog von diesem Hause aber deswe-
gen hieher verehret hat; weil gedachter sein Vorfahr ao: 1536. Ve-
netianischer General zu Lande gewesen. Hin und wieder siehet man
an diesem Pallast Löwen=Köpfe in die Mauer gesetzet, in deren offe-
nen Rachen die geheimen denuntiationes, welche der Republic zum
besten gereichen können, hinein zu werffen, ein jedweder ungenannter
die Freyheit hat. Wie denn über jedwedem solchen Löwen=Kopf eine
Anweisung zu lesen ist, was vor materien man darinnen suche,
zum Exempel: Commercien-Sachen, Impost, Criminalia p. Die
besten meublen derer Versamlungs-Säle und anderer apartements
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Martin Prell: Datentransformation
Saskia Jungmann, Nikolas Schröder, Andreas Lewen: Mitarbeit
Thüringer Staatskanzlei: Projektförderer
Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena: Bilddigitalisierung von Editionsvorlage und deren Abschrift sowie Bereitstellung der Digitalisate
Weitere Informationen:Das Endendum der vorliegenden Edition bildet das Tagebuch zur Kavalierstour des pietistischen Grafen Heinrich XI. Reuß zu Obergreiz (1722-1800) durch das Heilige Römische Reich deutscher Nation, Frankreich, die Schweiz, Italien und Österreich in den Jahren 1740–1742. Es besteht aus 443 Tagebucheinträgen auf 784 Seiten, die in 71 Briefen in die Heimat übersandt wurden. Verfasser des Tagebuchs ist der Köstritzer Hofmeister Anton von Geusau (1695–1749). Im Tagebuch bietet dieser nicht nur Einblicke in die international vernetzte Welt des Hochadels, sondern überliefert auch tiefgehende Einblicke in die wirtschaftlichen, sozialen, religiösen und politischen Entwicklungen in den besuchten Ländern. Dies ist vor allem für die im politischen System Europas stattfindenden Veränderungen relevant. So führte der Aufstieg Preußens zur Großmacht zu einer Neuordnung des europäischen Mächtesystems. In die Zeit seiner Kavalierstour fallen beispielsweise der Tod des Römisch-Deutschen Kaisers Karl VI. (1685–1740) und der sich daran anschließende Österreichische Erbfolgekrieg mit seinen Auswirkungen auf das europäische Mächtesystem. Besonders aufschlussreich sind die zahlreichen wiedergegebenen Gespräche zwischen den Reisenden und anderen Adligen, Geistlichen und Gelehrten zumeist katholischer Provenienz. Diese ermöglichen vielfältige Einblicke in die Gedanken- und Vorstellungswelt des Verfassers, seiner Mitreisenden und Gesprächspartner. Hieran werden Kontaktzonen für interkonfessionellen Austausch, aber auch Grenzen des Sag- oder Machbaren deutlich: Heinrich XI. und von Geusau waren pietistisch-fromme Lutheraner, die die auf der Reise gemachten Erfahrungen vor ihrem konfessionellen Erfahrungshintergrund spiegelten, werteten und einordneten Die Edition wurde zunächst mit Hilfe der virtuellen Forschungsumgebung FuD erstellt, die im Rahmen des Projektes Editionenportal Thüringen an der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena (ThULB) implementiert wurde. Nach Einstellung dieses Infrastrukturprojekts fand eine Transformation des FuD-XML in das DTABf im Rahmen eines FAIR-Data-Stipendiums der NFDI4Memory statt. Die Digitalisierung des originalen Brieftagebuchs und einer zeitgenössischen Abschrift erfolgte über die ThULB. Die vorliegende Edition umfasst eine vorlagennahe und zeilengenaue Umschrift der kurrenten Handschrift in moderne lateinische Buchstaben. Eine gründliche Ersttranskription ist erfolgt; eine abschließende Kollationierung steht noch aus. Die XML-Daten umfassen zum gegenwärtigen Zeitpunkt zudem eine grundständige Strukturkodierung (Briefe, Tagebucheinträge, Kopfzeilen, Absätze, Seiten- und Zeilenwechsel) und eine TEI-konforme Auszeichnung grundlegender formal-textkritischer Phänomene (Hervorhebungen, Autorkorrekturen, editorische Konjekturen, Unlesbarkeiten, Abkürzungen mit Auflösungen). Abweichungen der zeitgenössische Abschrift vom originalen Autographen wurden bis dato nicht erfasst. Topographische Informationen der Autorkorrekturen wurden erfasst. Einrückungen am Zeilenbeginn und innerhalb von Zeilen wurden nicht wiedergegeben. Horizontale Leerräume wurden nicht genau, sondern als einfache Leerzeilen wiedergegeben. Für bisher 49 der insgesamt 71 Briefe wurden zudem die darin erwähnten inhaltlich-semantischen Entitäten (Personen/Körperschaften, Gruppen, Geografika, Ereignisse und Objekte (z.B. Bücher, Gebäude, Statuen, Karten, Gemälde etc.)) kodiert und unter Nutzung von GND-Verweisen identifiziert. Ein entsprechendes Register finden Sie auf Github, dort sind auch sämtliche Daten der Edition zu diesem Werk publiziert. Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: nicht markiert; Geminations-/Abkürzungsstriche: mnarkiert, expandiert; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht markiert; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: DTABf-getreu; Zeilenumbrüche markiert: ja;
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |