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Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742].

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Haupt=reliquien, nehml: der Speer womit Christi Seite am
Creutz soll eröffnet worden seyn, ein Stück vom Creutz
Christi, und endl: das bekante Tuch der heil: Veronica dem
in großer Menge auf denen Knien liegenden Volck vor-
gezeiget wurden. Solche Vorzeigung geschiehet von einem
derer 4 balcons, welche den hohen Altar über Petri und
Pauli Grabe umgeben, und zum wenigsten 30 bis 40 Ellen
hoch gelegen sind, daß also einem aufmercksamen Auge
die eigentl: Beschaffenheit zu erkennen unmöglich fält,
zumal die Illumination in der Kirche nicht übrig starck
ist, sondern ein fast in der Mitte der Kirche hängendes
und mit sehr vielen kleinen Lampen erleuchtetes Creutz
dabey das Hauptwerck ausmachet. Die Vorzeigung derer
Reliquien selbst geschiehet durch 3 Priester und zwar per
intervalla, nachdem sich nehml: sonderlich die Brüder-
schafften in mannigfaltigen Processionen zu Venerirung
derselben einfinden. Der mittelste Priester bringet
das Heiligthum aus der auf den balcon gehenden Thüre
mit beyden Händen hervor getragen, die beyden assisten-
ten aber unterstützen seine Ellbogen, und in dieser
Positur gehet dieses trifolium, mit denen Gesichtern
allezeit vorwärts gekehret, auf besagtem balcon 2
bis 3 mal hin und wieder, und schlüpfet sodann
wieder zur Thür hinein, um das folgende zu holen.
So oft eine Reliquie zum Vorschein kommt, schlagen
die armen Leute unten auf der Erde gewaltig an
die Brust und seuftzen zum Theil gantz laut. Soge-
nannte Beseßene waren dismal nicht vorhanden, sonst wir
noch weit mehr Geschrey würden gehöret haben. Das Tuch der
Veronica ist 4eckt und dergestalt mit Glas überzogen, daß es
einem Spiegel ähnlich siehet. Der H. Speer, welcher in eine
verguldete machine, die wie ein Poccal aussiehet, eingefast
war, ist derselbe, welchen der Türckil: Kayser Bajazeth Pabst
Innocentio VIII zum Present überschicket. Man lieset davon

Haupt=reliquien, nehml: der Speer womit Christi Seite am
Creutz soll eröffnet worden seyn, ein Stück vom Creutz
Christi, und endl: das bekante Tuch der heil: Veronica dem
in großer Menge auf denen Knien liegenden Volck vor-
gezeiget wurden. Solche Vorzeigung geschiehet von einem
derer 4 balcons, welche den hohen Altar über Petri und
Pauli Grabe umgeben, und zum wenigsten 30 bis 40 Ellen
hoch gelegen sind, daß also einem aufmercksamen Auge
die eigentl: Beschaffenheit zu erkennen unmöglich fält,
zumal die Illumination in der Kirche nicht übrig starck
ist, sondern ein fast in der Mitte der Kirche hängendes
und mit sehr vielen kleinen Lampen erleuchtetes Creutz
dabey das Hauptwerck ausmachet. Die Vorzeigung derer
Reliquien selbst geschiehet durch 3 Priester und zwar per
intervalla, nachdem sich nehml: sonderlich die Brüder-
schafften in mannigfaltigen Processionen zu Venerirung
derselben einfinden. Der mittelste Priester bringet
das Heiligthum aus der auf den balcon gehenden Thüre
mit beyden Händen hervor getragen, die beyden assisten-
ten aber unterstützen seine Ellbogen, und in dieser
Positur gehet dieses trifolium, mit denen Gesichtern
allezeit vorwärts gekehret, auf besagtem balcon 2
bis 3 mal hin und wieder, und schlüpfet sodann
wieder zur Thür hinein, um das folgende zu holen.
So oft eine Reliquie zum Vorschein kommt, schlagen
die armen Leute unten auf der Erde gewaltig an
die Brust und seuftzen zum Theil gantz laut. Soge-
nannte Beseßene waren dismal nicht vorhanden, sonst wir
noch weit mehr Geschrey würden gehöret haben. Das Tuch der
Veronica ist 4eckt und dergestalt mit Glas überzogen, daß es
einem Spiegel ähnlich siehet. Der H. Speer, welcher in eine
verguldete machine, die wie ein Poccal aussiehet, eingefast
war, ist derselbe, welchen der Türckil: Kayser Bajazeth Pabst
Innocentio VIII zum Present überschicket. Man lieset davon

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[0715] Haupt=reliquien, nehml: der Speer womit Christi Seite am Creutz soll eröffnet worden seyn, ein Stück vom Creutz Christi, und endl: das bekante Tuch der heil: Veronica dem in großer Menge auf denen Knien liegenden Volck vor- gezeiget wurden. Solche Vorzeigung geschiehet von einem derer 4 balcons, welche den hohen Altar über Petri und Pauli Grabe umgeben, und zum wenigsten 30 bis 40 Ellen hoch gelegen sind, daß also einem aufmercksamen Auge die eigentl: Beschaffenheit zu erkennen unmöglich fält, zumal die Illumination in der Kirche nicht übrig starck ist, sondern ein fast in der Mitte der Kirche hängendes und mit sehr vielen kleinen Lampen erleuchtetes Creutz dabey das Hauptwerck ausmachet. Die Vorzeigung derer Reliquien selbst geschiehet durch 3 Priester und zwar per intervalla, nachdem sich nehml: sonderlich die Brüder- schafften in mannigfaltigen Processionen zu Venerirung derselben einfinden. Der mittelste Priester bringet das Heiligthum aus der auf den balcon gehenden Thüre mit beyden Händen hervor getragen, die beyden assisten- ten aber unterstützen seine Ellbogen, und in dieser Positur gehet dieses trifolium, mit denen Gesichtern allezeit vorwärts gekehret, auf besagtem balcon 2 bis 3 mal hin und wieder, und schlüpfet sodann wieder zur Thür hinein, um das folgende zu holen. So oft eine Reliquie zum Vorschein kommt, schlagen die armen Leute unten auf der Erde gewaltig an die Brust und seuftzen zum Theil gantz laut. Soge- nannte Beseßene waren dismal nicht vorhanden, sonst wir noch weit mehr Geschrey würden gehöret haben. Das Tuch der Veronica ist 4eckt und dergestalt mit Glas überzogen, daß es einem Spiegel ähnlich siehet. Der H. Speer, welcher in eine verguldete machine, die wie ein Poccal aussiehet, eingefast war, ist derselbe, welchen der Türckil: Kayser Bajazeth Pabst Innocentio VIII zum Present überschicket. Man lieset davon

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Paul Beckus, Marita Gruner, Thomas Grunewald, Sabrina Mögelin, Martin Prell: Herausgeber:innen
Paul Beckus, Marita Gruner, Thomas Grunewald, Sabrina Mögelin, Martin Prell: Bearbeiter:innen
Martin Prell: Datentransformation
Saskia Jungmann, Nikolas Schröder, Andreas Lewen: Mitarbeit
Thüringer Staatskanzlei: Projektförderer
Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena: Bilddigitalisierung von Editionsvorlage und deren Abschrift sowie Bereitstellung der Digitalisate

Weitere Informationen:

Das Endendum der vorliegenden Edition bildet das Tagebuch zur Kavalierstour des pietistischen Grafen Heinrich XI. Reuß zu Obergreiz (1722-1800) durch das Heilige Römische Reich deutscher Nation, Frankreich, die Schweiz, Italien und Österreich in den Jahren 1740–1742. Es besteht aus 443 Tagebucheinträgen auf 784 Seiten, die in 71 Briefen in die Heimat übersandt wurden. Verfasser des Tagebuchs ist der Köstritzer Hofmeister Anton von Geusau (1695–1749). Im Tagebuch bietet dieser nicht nur Einblicke in die international vernetzte Welt des Hochadels, sondern überliefert auch tiefgehende Einblicke in die wirtschaftlichen, sozialen, religiösen und politischen Entwicklungen in den besuchten Ländern. Dies ist vor allem für die im politischen System Europas stattfindenden Veränderungen relevant. So führte der Aufstieg Preußens zur Großmacht zu einer Neuordnung des europäischen Mächtesystems. In die Zeit seiner Kavalierstour fallen beispielsweise der Tod des Römisch-Deutschen Kaisers Karl VI. (1685–1740) und der sich daran anschließende Österreichische Erbfolgekrieg mit seinen Auswirkungen auf das europäische Mächtesystem. Besonders aufschlussreich sind die zahlreichen wiedergegebenen Gespräche zwischen den Reisenden und anderen Adligen, Geistlichen und Gelehrten zumeist katholischer Provenienz. Diese ermöglichen vielfältige Einblicke in die Gedanken- und Vorstellungswelt des Verfassers, seiner Mitreisenden und Gesprächspartner. Hieran werden Kontaktzonen für interkonfessionellen Austausch, aber auch Grenzen des Sag- oder Machbaren deutlich: Heinrich XI. und von Geusau waren pietistisch-fromme Lutheraner, die die auf der Reise gemachten Erfahrungen vor ihrem konfessionellen Erfahrungshintergrund spiegelten, werteten und einordneten

Die Edition wurde zunächst mit Hilfe der virtuellen Forschungsumgebung FuD erstellt, die im Rahmen des Projektes Editionenportal Thüringen an der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena (ThULB) implementiert wurde. Nach Einstellung dieses Infrastrukturprojekts fand eine Transformation des FuD-XML in das DTABf im Rahmen eines FAIR-Data-Stipendiums der NFDI4Memory statt. Die Digitalisierung des originalen Brieftagebuchs und einer zeitgenössischen Abschrift erfolgte über die ThULB. Die vorliegende Edition umfasst eine vorlagennahe und zeilengenaue Umschrift der kurrenten Handschrift in moderne lateinische Buchstaben. Eine gründliche Ersttranskription ist erfolgt; eine abschließende Kollationierung steht noch aus. Die XML-Daten umfassen zum gegenwärtigen Zeitpunkt zudem eine grundständige Strukturkodierung (Briefe, Tagebucheinträge, Kopfzeilen, Absätze, Seiten- und Zeilenwechsel) und eine TEI-konforme Auszeichnung grundlegender formal-textkritischer Phänomene (Hervorhebungen, Autorkorrekturen, editorische Konjekturen, Unlesbarkeiten, Abkürzungen mit Auflösungen). Abweichungen der zeitgenössische Abschrift vom originalen Autographen wurden bis dato nicht erfasst. Topographische Informationen der Autorkorrekturen wurden erfasst. Einrückungen am Zeilenbeginn und innerhalb von Zeilen wurden nicht wiedergegeben. Horizontale Leerräume wurden nicht genau, sondern als einfache Leerzeilen wiedergegeben. Für bisher 49 der insgesamt 71 Briefe wurden zudem die darin erwähnten inhaltlich-semantischen Entitäten (Personen/Körperschaften, Gruppen, Geografika, Ereignisse und Objekte (z.B. Bücher, Gebäude, Statuen, Karten, Gemälde etc.)) kodiert und unter Nutzung von GND-Verweisen identifiziert. Ein entsprechendes Register finden Sie auf Github, dort sind auch sämtliche Daten der Edition zu diesem Werk publiziert.

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: nicht markiert; Geminations-/Abkürzungsstriche: mnarkiert, expandiert; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht markiert; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: DTABf-getreu; Zeilenumbrüche markiert: ja;




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Zitationshilfe: Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742], S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/geusau_reisetagebuchHeinrichxiReuss_1740/715>, abgerufen am 17.09.2024.