Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742].Neapolis mit ihrem Meer-Busen und der überaus fruchtbaren Neapolis mit ihrem Meer-Busen und der überaus fruchtbaren <TEI> <text> <body> <div type="letter"> <div type="diaryEntry"> <p><pb facs="#f0667"/> Neapolis mit ihrem Meer-Busen und der überaus fruchtbaren<lb/> Küste, welche letztere, zu der Zeit, da dieser Berg sich noch nicht<lb/> entzündet gehabt, sondern durchaus mit Wein-Gärten und<lb/> angenehmen Holtzungen bewachsen gewesen, gewiß ein<lb/> irdisches Paradieß vorgestellet hat. Hiernächst konnten wir<lb/> die betrübten Reliquien derer von Zeit zu Zeit aus diesem<lb/> Berge hervor gebrochenen Feuer-Ströhme und ihren genomme-<lb/> nen Lauf gantz genau in Augenschein nehmen. Es<lb/> sind derselben hauptsächlich 3, nehmlich einer, der zu <del rendition="#s">des</del><lb/> Kaysers Titi Zeiten bey Portici in die See gefloßen, der<lb/> andre, welcher vor ohngefähr 40 Jahren gegen Resina zu-<lb/> gegangen, und endl: der neueste, deßen oben schon Er-<lb/> wehnung geschehen. Alle diese Ausbrüche sind nicht aus<lb/> der ietzigen bocca, sondern etwas niedriger durch den Berg<lb/> hervor gequollen. Wie denn die Veränderungen des Berges<lb/> durch die vielen Entzündungen und Auswürfe so mannig-<lb/> faltig sind, daß man einer besondern Historie deßelben<lb/> nötig hätte, um von denen Abwechselungen der <hi rendition="#u">bocca</hi><lb/> eine deutlichen Begriff zu haben. Jetziger Beschaffenheit<lb/> nach, formiret dieselbe keinen Trichter, sondern einen<lb/> ohngefähr 16-20 Klaftern tiefen Graben, welcher fast<lb/> die Figur eines halben Circuls hat. Der Theil des Berges,<lb/> an welchen dieser halbe Circul sich anschließet, ist höher<lb/> und spitziger, als das übrige, und soll auf dieser Spitze ehe-<lb/> mals auch eine Haupt-Oeffnung gewesen seyn. Die hohen<lb/> Ufer des Grabens /: denn so wollen wir die heutige bocca<lb/> nennen :/ sind an den meisten Orten abrupt, auch hin<lb/> und wieder grünlich und gelblich gefärbt, der materie nach<lb/> aber schuttig, steinig und felsig, ohne daß man durchgängig<lb/> unterscheiden könte, was von solchen Steinen und Felsen<lb/> natürlich gewachsen, oder durch das Feuer zusammen ge-<lb/> schmolzen sey. Unten au fond des Grabens ist eine ohnge-<lb/> fähr 12 bis 20 Schritt breite Fläche, auf welcher geschmoltzene<lb/> Steine und Schlacken hin und wieder herum liegen. Der<lb/> Rauch war diesmal weit stärcker, als er in der Zeit unsers<lb/> bisherigen Hierseyns gewesen, und weil wir auch im<lb/> Hinaufsteigen nicht weit von der bocca eitliche starcke<lb/> Knalle im Berge hörten, welche den Effect im Ohre macheten, </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0667]
Neapolis mit ihrem Meer-Busen und der überaus fruchtbaren
Küste, welche letztere, zu der Zeit, da dieser Berg sich noch nicht
entzündet gehabt, sondern durchaus mit Wein-Gärten und
angenehmen Holtzungen bewachsen gewesen, gewiß ein
irdisches Paradieß vorgestellet hat. Hiernächst konnten wir
die betrübten Reliquien derer von Zeit zu Zeit aus diesem
Berge hervor gebrochenen Feuer-Ströhme und ihren genomme-
nen Lauf gantz genau in Augenschein nehmen. Es
sind derselben hauptsächlich 3, nehmlich einer, der zu
Kaysers Titi Zeiten bey Portici in die See gefloßen, der
andre, welcher vor ohngefähr 40 Jahren gegen Resina zu-
gegangen, und endl: der neueste, deßen oben schon Er-
wehnung geschehen. Alle diese Ausbrüche sind nicht aus
der ietzigen bocca, sondern etwas niedriger durch den Berg
hervor gequollen. Wie denn die Veränderungen des Berges
durch die vielen Entzündungen und Auswürfe so mannig-
faltig sind, daß man einer besondern Historie deßelben
nötig hätte, um von denen Abwechselungen der bocca
eine deutlichen Begriff zu haben. Jetziger Beschaffenheit
nach, formiret dieselbe keinen Trichter, sondern einen
ohngefähr 16-20 Klaftern tiefen Graben, welcher fast
die Figur eines halben Circuls hat. Der Theil des Berges,
an welchen dieser halbe Circul sich anschließet, ist höher
und spitziger, als das übrige, und soll auf dieser Spitze ehe-
mals auch eine Haupt-Oeffnung gewesen seyn. Die hohen
Ufer des Grabens /: denn so wollen wir die heutige bocca
nennen :/ sind an den meisten Orten abrupt, auch hin
und wieder grünlich und gelblich gefärbt, der materie nach
aber schuttig, steinig und felsig, ohne daß man durchgängig
unterscheiden könte, was von solchen Steinen und Felsen
natürlich gewachsen, oder durch das Feuer zusammen ge-
schmolzen sey. Unten au fond des Grabens ist eine ohnge-
fähr 12 bis 20 Schritt breite Fläche, auf welcher geschmoltzene
Steine und Schlacken hin und wieder herum liegen. Der
Rauch war diesmal weit stärcker, als er in der Zeit unsers
bisherigen Hierseyns gewesen, und weil wir auch im
Hinaufsteigen nicht weit von der bocca eitliche starcke
Knalle im Berge hörten, welche den Effect im Ohre macheten,
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Saskia Jungmann, Nikolas Schröder, Andreas Lewen: Mitarbeit
Thüringer Staatskanzlei: Projektförderer
Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena: Bilddigitalisierung von Editionsvorlage und deren Abschrift sowie Bereitstellung der Digitalisate
Weitere Informationen:Das Endendum der vorliegenden Edition bildet das Tagebuch zur Kavalierstour des pietistischen Grafen Heinrich XI. Reuß zu Obergreiz (1722-1800) durch das Heilige Römische Reich deutscher Nation, Frankreich, die Schweiz, Italien und Österreich in den Jahren 1740–1742. Es besteht aus 443 Tagebucheinträgen auf 784 Seiten, die in 71 Briefen in die Heimat übersandt wurden. Verfasser des Tagebuchs ist der Köstritzer Hofmeister Anton von Geusau (1695–1749). Im Tagebuch bietet dieser nicht nur Einblicke in die international vernetzte Welt des Hochadels, sondern überliefert auch tiefgehende Einblicke in die wirtschaftlichen, sozialen, religiösen und politischen Entwicklungen in den besuchten Ländern. Dies ist vor allem für die im politischen System Europas stattfindenden Veränderungen relevant. So führte der Aufstieg Preußens zur Großmacht zu einer Neuordnung des europäischen Mächtesystems. In die Zeit seiner Kavalierstour fallen beispielsweise der Tod des Römisch-Deutschen Kaisers Karl VI. (1685–1740) und der sich daran anschließende Österreichische Erbfolgekrieg mit seinen Auswirkungen auf das europäische Mächtesystem. Besonders aufschlussreich sind die zahlreichen wiedergegebenen Gespräche zwischen den Reisenden und anderen Adligen, Geistlichen und Gelehrten zumeist katholischer Provenienz. Diese ermöglichen vielfältige Einblicke in die Gedanken- und Vorstellungswelt des Verfassers, seiner Mitreisenden und Gesprächspartner. Hieran werden Kontaktzonen für interkonfessionellen Austausch, aber auch Grenzen des Sag- oder Machbaren deutlich: Heinrich XI. und von Geusau waren pietistisch-fromme Lutheraner, die die auf der Reise gemachten Erfahrungen vor ihrem konfessionellen Erfahrungshintergrund spiegelten, werteten und einordneten Die Edition wurde zunächst mit Hilfe der virtuellen Forschungsumgebung FuD erstellt, die im Rahmen des Projektes Editionenportal Thüringen an der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena (ThULB) implementiert wurde. Nach Einstellung dieses Infrastrukturprojekts fand eine Transformation des FuD-XML in das DTABf im Rahmen eines FAIR-Data-Stipendiums der NFDI4Memory statt. Die Digitalisierung des originalen Brieftagebuchs und einer zeitgenössischen Abschrift erfolgte über die ThULB. Die vorliegende Edition umfasst eine vorlagennahe und zeilengenaue Umschrift der kurrenten Handschrift in moderne lateinische Buchstaben. Eine gründliche Ersttranskription ist erfolgt; eine abschließende Kollationierung steht noch aus. Die XML-Daten umfassen zum gegenwärtigen Zeitpunkt zudem eine grundständige Strukturkodierung (Briefe, Tagebucheinträge, Kopfzeilen, Absätze, Seiten- und Zeilenwechsel) und eine TEI-konforme Auszeichnung grundlegender formal-textkritischer Phänomene (Hervorhebungen, Autorkorrekturen, editorische Konjekturen, Unlesbarkeiten, Abkürzungen mit Auflösungen). Abweichungen der zeitgenössische Abschrift vom originalen Autographen wurden bis dato nicht erfasst. Topographische Informationen der Autorkorrekturen wurden erfasst. Einrückungen am Zeilenbeginn und innerhalb von Zeilen wurden nicht wiedergegeben. Horizontale Leerräume wurden nicht genau, sondern als einfache Leerzeilen wiedergegeben. Für bisher 49 der insgesamt 71 Briefe wurden zudem die darin erwähnten inhaltlich-semantischen Entitäten (Personen/Körperschaften, Gruppen, Geografika, Ereignisse und Objekte (z.B. Bücher, Gebäude, Statuen, Karten, Gemälde etc.)) kodiert und unter Nutzung von GND-Verweisen identifiziert. Ein entsprechendes Register finden Sie auf Github, dort sind auch sämtliche Daten der Edition zu diesem Werk publiziert. Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: nicht markiert; Geminations-/Abkürzungsstriche: mnarkiert, expandiert; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht markiert; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: DTABf-getreu; Zeilenumbrüche markiert: ja;
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