Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742].so wenig habe man Ursach, sich auf seine personalia einzulaßen Ende so wenig habe man Ursach, sich auf seine personalia einzulaßen Ende <TEI> <text> <body> <div type="letter"> <div type="diaryEntry"> <p><pb facs="#f0577"/> so wenig habe man Ursach, sich auf seine personalia einzulaßen<lb/> und dürffte ein <choice><abbr>Röml:</abbr><expan>Römischer</expan></choice> catholischer weit mehr embarrassiret seyn,<lb/> die facta der Päbste, deren auctoritaet doch in die Lehre der <choice><abbr>cathol:</abbr><expan>catholischen</expan></choice> Kirche<lb/> die gröste Influentz habe, zu entschuldigen, als es uns sauer<lb/> ankommen würde, <persName xml:id="TidB4580" corresp="register.xml#regID_37.lemID_11200" ref="http://d-nb.info/gnd/118575449">Lutherum</persName> zu rechtfertigen, auf deßen Person<lb/> und Aussprüche in unsrer Kirche gar nichts gebauet werden dürffe.<lb/> Von Special materien urgirete er sonderlich den articul vom <choice><abbr>H.</abbr><expan>Heiligen</expan></choice> Abend-<lb/> mal, und meinte, <persName xml:id="TidB10429" corresp="register.xml#regID_37.lemID_10143">Christus</persName> habe gesagt, <hi rendition="#u">das ist mein Leib, das ist mein<lb/> Blut</hi>, und das habe er gesagt, ehe es die Jünger genoßen, folglich<lb/> müße man unsern <persName xml:id="TidB10430" corresp="register.xml#regID_37.lemID_10143">Heyland</persName> entweder Lügen straffen, oder zugeben,<lb/> daß auch außer dem Genuß der Leib <choice><abbr>u.</abbr><expan>und</expan></choice> <add place="superlinear">das</add> Blut <persName xml:id="TidB10431" corresp="register.xml#regID_37.lemID_10143">Christi</persName> vorhanden sey.<lb/> Die Essentialia unsrer Antwort gingen dahin, daß seine gramatica-<lb/> lische Sophisterey durch den gantzen Zusammenhang <subst><del rendition="#ow"><gap reason="illegible"/></del><add place="across">d</add></subst>er Worte völlig<lb/> aufgehoben werde. Denn unser <persName xml:id="TidB10432" corresp="register.xml#regID_37.lemID_10143">Heyland</persName> sage <hi rendition="#u">zuerst</hi>: nehmet eßet,<lb/> nehmet hin und trincket, und <hi rendition="#u">hinter her</hi> sage er: das ist mein Leib<lb/> das ist mein Blut <choice><abbr>p</abbr><expan>perge</expan></choice> anzuzeigen, daß sein Leib und Blut außer der<lb/> vorhergehenden Verordnung des Eßens und Trinckens nicht vorhanden<lb/> sey. Ubrigens desaprobirete er mancherley eingeschlichene Miß-<lb/> bräuche, und <choice><abbr>sonderl:</abbr><expan>sonderlich</expan></choice> die Verbrennung der Ketzer, meinte aber, Gott<lb/> habe <persName xml:id="TidB4582" corresp="register.xml#regID_37.lemID_11297" ref="http://d-nb.info/gnd/118518534">Calvinum</persName> bey der Hinrichtung <persName xml:id="TidB10434" corresp="register.xml#regID_37.lemID_12250" ref="http://d-nb.info/gnd/11861343X">Serveti</persName> deswegen in eben<lb/> dieses Inconveniens fallen laßen, um denen protestantischen<lb/> Partheyen die materie des Vorwurfs gegen die <choice><abbr>Röml:</abbr><expan>Römischen</expan></choice> Kirche zu<lb/> benehmen. Wir hoffen indeßen, diesen convertisseur nunmehro<lb/> loß zu seyn, nachdem wir ihm finaliter gesaget, daß es als denn<lb/> erst Zeit seyn werde, an unsrer sogenannten Bekehrung zu arbei-<lb/> ten, wenn vorher unter ihnen selbst klar, deutlich und einmüthig<lb/> ausgemacht wäre, was man eigentlich unter der auctoritaet der<lb/> Kirche, welcher man sich submittiren solle, zu verstehen habe,<lb/> und wie weit sich dabey die Gewalt des Pabsts erstrecke. Sonst haben<lb/> wir noch den 31 <choice><abbr>Dec:</abbr><expan>December</expan></choice> sowol in der Nonnen-Kirche zu <choice><abbr>S.</abbr><expan>Sankt</expan></choice> Sylvester<lb/> als auch in der <name type="subjectIndexTerm" xml:id="TidB10435" corresp="register.xml#regID_502.lemID_11016">Jesuiten</name> Kirche al Giesu dem Te Deum laudamus<lb/> beygewohnet, welches wegen des zu Ende gehenden 1741<hi rendition="#sup"><hi rendition="#u">sten</hi></hi> Jahres<lb/> mit Stimmen und Instrumenten abmusiciret wurde. In gedachter<lb/><name type="subjectIndexTerm" xml:id="TidB10436" corresp="register.xml#regID_502.lemID_11016">Jesuiter</name>-Kirche waren verschiedene Cardinäle gegenwärtig, und<lb/> wir hatten Gelegenheit, bey dem Anblick derer mit Silberwerck gleich einem<lb/> bufet aufgeputzten Altäre, item bey Beobachtung derer vorgehenden<lb/> ceremonien, uns der Worte zu erinnern: Danckest du also dem<lb/> Herrn deinen Gott <choice><abbr>p</abbr><expan>perge</expan></choice> derselbe mache uns, vor unzähliche in die-<lb/> sem Jahre von seiner Vater-Hand genoßene Wohlthaten, ihm<lb/> recht <add place="superlinear">von Hertzen</add> danckbar, und gebe uns mit dem morgen anzutretenden Neuen<lb/> Jahre auch neue Gnade, ihn zu fürchten und auf seine Güte zu<lb/> warten.</p><lb/> <p> Ende<lb/> des Reise-Diarii auf das<lb/> 1741<hi rendition="#sup"><hi rendition="#u">ste</hi></hi> Jahr.</p><lb/> </div> </div> <div type="letter"> </div> </body> </text> </TEI> [0577]
so wenig habe man Ursach, sich auf seine personalia einzulaßen
und dürffte ein Röml: catholischer weit mehr embarrassiret seyn,
die facta der Päbste, deren auctoritaet doch in die Lehre der cathol: Kirche
die gröste Influentz habe, zu entschuldigen, als es uns sauer
ankommen würde, Lutherum zu rechtfertigen, auf deßen Person
und Aussprüche in unsrer Kirche gar nichts gebauet werden dürffe.
Von Special materien urgirete er sonderlich den articul vom H. Abend-
mal, und meinte, Christus habe gesagt, das ist mein Leib, das ist mein
Blut, und das habe er gesagt, ehe es die Jünger genoßen, folglich
müße man unsern Heyland entweder Lügen straffen, oder zugeben,
daß auch außer dem Genuß der Leib u. das Blut Christi vorhanden sey.
Die Essentialia unsrer Antwort gingen dahin, daß seine gramatica-
lische Sophisterey durch den gantzen Zusammenhang der Worte völlig
aufgehoben werde. Denn unser Heyland sage zuerst: nehmet eßet,
nehmet hin und trincket, und hinter her sage er: das ist mein Leib
das ist mein Blut p anzuzeigen, daß sein Leib und Blut außer der
vorhergehenden Verordnung des Eßens und Trinckens nicht vorhanden
sey. Ubrigens desaprobirete er mancherley eingeschlichene Miß-
bräuche, und sonderl: die Verbrennung der Ketzer, meinte aber, Gott
habe Calvinum bey der Hinrichtung Serveti deswegen in eben
dieses Inconveniens fallen laßen, um denen protestantischen
Partheyen die materie des Vorwurfs gegen die Röml: Kirche zu
benehmen. Wir hoffen indeßen, diesen convertisseur nunmehro
loß zu seyn, nachdem wir ihm finaliter gesaget, daß es als denn
erst Zeit seyn werde, an unsrer sogenannten Bekehrung zu arbei-
ten, wenn vorher unter ihnen selbst klar, deutlich und einmüthig
ausgemacht wäre, was man eigentlich unter der auctoritaet der
Kirche, welcher man sich submittiren solle, zu verstehen habe,
und wie weit sich dabey die Gewalt des Pabsts erstrecke. Sonst haben
wir noch den 31 Dec: sowol in der Nonnen-Kirche zu S. Sylvester
als auch in der Jesuiten Kirche al Giesu dem Te Deum laudamus
beygewohnet, welches wegen des zu Ende gehenden 1741sten Jahres
mit Stimmen und Instrumenten abmusiciret wurde. In gedachter
Jesuiter-Kirche waren verschiedene Cardinäle gegenwärtig, und
wir hatten Gelegenheit, bey dem Anblick derer mit Silberwerck gleich einem
bufet aufgeputzten Altäre, item bey Beobachtung derer vorgehenden
ceremonien, uns der Worte zu erinnern: Danckest du also dem
Herrn deinen Gott p derselbe mache uns, vor unzähliche in die-
sem Jahre von seiner Vater-Hand genoßene Wohlthaten, ihm
recht von Hertzen danckbar, und gebe uns mit dem morgen anzutretenden Neuen
Jahre auch neue Gnade, ihn zu fürchten und auf seine Güte zu
warten.
Ende
des Reise-Diarii auf das
1741ste Jahr.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Martin Prell: Datentransformation
Saskia Jungmann, Nikolas Schröder, Andreas Lewen: Mitarbeit
Thüringer Staatskanzlei: Projektförderer
Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena: Bilddigitalisierung von Editionsvorlage und deren Abschrift sowie Bereitstellung der Digitalisate
Weitere Informationen:Das Endendum der vorliegenden Edition bildet das Tagebuch zur Kavalierstour des pietistischen Grafen Heinrich XI. Reuß zu Obergreiz (1722-1800) durch das Heilige Römische Reich deutscher Nation, Frankreich, die Schweiz, Italien und Österreich in den Jahren 1740–1742. Es besteht aus 443 Tagebucheinträgen auf 784 Seiten, die in 71 Briefen in die Heimat übersandt wurden. Verfasser des Tagebuchs ist der Köstritzer Hofmeister Anton von Geusau (1695–1749). Im Tagebuch bietet dieser nicht nur Einblicke in die international vernetzte Welt des Hochadels, sondern überliefert auch tiefgehende Einblicke in die wirtschaftlichen, sozialen, religiösen und politischen Entwicklungen in den besuchten Ländern. Dies ist vor allem für die im politischen System Europas stattfindenden Veränderungen relevant. So führte der Aufstieg Preußens zur Großmacht zu einer Neuordnung des europäischen Mächtesystems. In die Zeit seiner Kavalierstour fallen beispielsweise der Tod des Römisch-Deutschen Kaisers Karl VI. (1685–1740) und der sich daran anschließende Österreichische Erbfolgekrieg mit seinen Auswirkungen auf das europäische Mächtesystem. Besonders aufschlussreich sind die zahlreichen wiedergegebenen Gespräche zwischen den Reisenden und anderen Adligen, Geistlichen und Gelehrten zumeist katholischer Provenienz. Diese ermöglichen vielfältige Einblicke in die Gedanken- und Vorstellungswelt des Verfassers, seiner Mitreisenden und Gesprächspartner. Hieran werden Kontaktzonen für interkonfessionellen Austausch, aber auch Grenzen des Sag- oder Machbaren deutlich: Heinrich XI. und von Geusau waren pietistisch-fromme Lutheraner, die die auf der Reise gemachten Erfahrungen vor ihrem konfessionellen Erfahrungshintergrund spiegelten, werteten und einordneten Die Edition wurde zunächst mit Hilfe der virtuellen Forschungsumgebung FuD erstellt, die im Rahmen des Projektes Editionenportal Thüringen an der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena (ThULB) implementiert wurde. Nach Einstellung dieses Infrastrukturprojekts fand eine Transformation des FuD-XML in das DTABf im Rahmen eines FAIR-Data-Stipendiums der NFDI4Memory statt. Die Digitalisierung des originalen Brieftagebuchs und einer zeitgenössischen Abschrift erfolgte über die ThULB. Die vorliegende Edition umfasst eine vorlagennahe und zeilengenaue Umschrift der kurrenten Handschrift in moderne lateinische Buchstaben. Eine gründliche Ersttranskription ist erfolgt; eine abschließende Kollationierung steht noch aus. Die XML-Daten umfassen zum gegenwärtigen Zeitpunkt zudem eine grundständige Strukturkodierung (Briefe, Tagebucheinträge, Kopfzeilen, Absätze, Seiten- und Zeilenwechsel) und eine TEI-konforme Auszeichnung grundlegender formal-textkritischer Phänomene (Hervorhebungen, Autorkorrekturen, editorische Konjekturen, Unlesbarkeiten, Abkürzungen mit Auflösungen). Abweichungen der zeitgenössische Abschrift vom originalen Autographen wurden bis dato nicht erfasst. Topographische Informationen der Autorkorrekturen wurden erfasst. Einrückungen am Zeilenbeginn und innerhalb von Zeilen wurden nicht wiedergegeben. Horizontale Leerräume wurden nicht genau, sondern als einfache Leerzeilen wiedergegeben. Für bisher 49 der insgesamt 71 Briefe wurden zudem die darin erwähnten inhaltlich-semantischen Entitäten (Personen/Körperschaften, Gruppen, Geografika, Ereignisse und Objekte (z.B. Bücher, Gebäude, Statuen, Karten, Gemälde etc.)) kodiert und unter Nutzung von GND-Verweisen identifiziert. Ein entsprechendes Register finden Sie auf Github, dort sind auch sämtliche Daten der Edition zu diesem Werk publiziert. Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: nicht markiert; Geminations-/Abkürzungsstriche: mnarkiert, expandiert; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht markiert; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: DTABf-getreu; Zeilenumbrüche markiert: ja;
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |