Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742].eines Saals, war mit rothem Damast und goldenen Galonen eines Saals, war mit rothem Damast und goldenen Galonen <TEI> <text> <body> <div type="letter"> <div type="diaryEntry"> <p><pb facs="#f0559"/> eines Saals, war mit rothem Damast und goldenen Galonen<lb/> tapeziret. Dem Eingang gegen über saß der <persName xml:id="TidB4205" corresp="register.xml#regID_37.lemID_10402" ref="http://d-nb.info/gnd/118655434">Pabst</persName> unter einem<lb/> denen Tapeten gleichen Baldachin, auf einem mit Gold-Stuck<lb/> und Violetnen Grunde überzogenen Lehn-Seßel, in einem weißen<lb/> Talar und roth sammetnen mit Hermelin gefütterten Mäntelgen,<lb/> eine mit Gold gestickte Stola um den Hals und die <choice><abbr>gewöhnl:</abbr><expan>gewöhnliche</expan></choice><lb/> rothe Pabst-Mütze aufhabend. Die Füße setzte er auf eine weiß<lb/> und blau laquirte ziemlich breite Hiitsche. Die anwesenden<lb/> Cardinäle, an der Zahl 21, saßen zu beyden Seiten und unten<lb/> quer vor in einem längligten 4eck auf höltzernen mit<lb/> Lehnen versehenen Bäncken, welche, gleich dem Fuß-Schemel, des<lb/><persName xml:id="TidB4206" corresp="register.xml#regID_37.lemID_10402" ref="http://d-nb.info/gnd/118655434">Pabsts</persName>, lacquiret und mit seinem Nahmen und Wappen bezeichnet<lb/> waren. Hinter diesen Bäncken wurden uns durch einen sehr<lb/> höflichen <choice><abbr>Päbstl:</abbr><expan>Päbstlichen</expan></choice> <persName xml:id="TidB10358" corresp="register.xml#regID_37.lemID_10116">Hof-Cavalier</persName> unsre Plätze zum stehen angewie-<lb/> sen. Der Cardinäle Habit war Violet, um den Hals mit weißem<lb/> Hermelin gefüttert, weil sie die rothen Kleider auf Weinachten<lb/> erst wieder anziehen. Jedweder von ihnen, der etwas vor zu-<lb/> tragen hatte, stund von seinem Platze auf, ging nach der<lb/> lincken Seite des <choice><abbr>Päbstl:</abbr><expan>Päbstlichen</expan></choice> Throns, küßte mit einem tieffen Re-<lb/> verentz dem <persName xml:id="TidB4214" corresp="register.xml#regID_37.lemID_10402" ref="http://d-nb.info/gnd/118655434">Pabst</persName> rechte Hand und empfing dagegen eine<lb/> gantz schnelle benediction, trug sodann mit entblößtem Haupt<lb/> sein Anliegen halb laut vor, wurde auch sogleich mit Antwort<lb/> versehen und nahm mit vorgedachten Ceremonien wider seinen<lb/> Abschied. Bey dem Cardinal <persName xml:id="TidB4209" corresp="register.xml#regID_37.lemID_10572" ref="http://d-nb.info/gnd/117255726">Tencin</persName> observirten wir, daß er<lb/> weder vor, noch nachher den Hand-Kuß beobachtete. Indeßen<lb/> setzte er sich nach dieser seiner Verrichtung vor den Ort wo<lb/> wir stunden nieder, und offerirete, so bald wir es begehren<lb/> würden, die Praesentation bey dem <persName xml:id="TidB4210" corresp="register.xml#regID_37.lemID_10402" ref="http://d-nb.info/gnd/118655434">Pabst</persName>. So bald der erste<lb/> Cardinal Diaconus (denn sie halten bey diesen audientzien<lb/> ihren Rang) sich zum <persName xml:id="TidB4211" corresp="register.xml#regID_37.lemID_10402" ref="http://d-nb.info/gnd/118655434">Pabst</persName> nahete, wurde laut geruffen:<lb/> extra omnes, welches die marque ist, daß nunmehro die Con-<lb/> sistorial-deliberation ihren Anfang nehmen soll. Wir musten<lb/> also, nebst allen denen die nicht Cardinäle waren, uns retiri-<lb/> ren. Der <persName xml:id="TidB4212" corresp="register.xml#regID_37.lemID_10402" ref="http://d-nb.info/gnd/118655434">Pabst</persName> ist 67 Jahr alt, aber vollkommen munter und<lb/> vigo<add place="superlinear">u</add>reux, mittelmäßig untersetzter Statur, und hat schlechte ins<lb/> graue fallende Haare, ein vollständiges Gesicht, mehr kleine<lb/> als große Augen. Aus seinen prompten Antworten, davon wir<lb/> zwar nichts verstehen konten, und Hand-Gebehrden kan man nicht<lb/> anders schließen, als daß er ein guter Redner und von recht<lb/> comportablen Temperament sey. Er hatte zwar die Hände in<lb/> einem Muff von weißen Sammet, bye dem heraus ziehen <del rendition="#s">aber</del> </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0559]
eines Saals, war mit rothem Damast und goldenen Galonen
tapeziret. Dem Eingang gegen über saß der Pabst unter einem
denen Tapeten gleichen Baldachin, auf einem mit Gold-Stuck
und Violetnen Grunde überzogenen Lehn-Seßel, in einem weißen
Talar und roth sammetnen mit Hermelin gefütterten Mäntelgen,
eine mit Gold gestickte Stola um den Hals und die gewöhnl:
rothe Pabst-Mütze aufhabend. Die Füße setzte er auf eine weiß
und blau laquirte ziemlich breite Hiitsche. Die anwesenden
Cardinäle, an der Zahl 21, saßen zu beyden Seiten und unten
quer vor in einem längligten 4eck auf höltzernen mit
Lehnen versehenen Bäncken, welche, gleich dem Fuß-Schemel, des
Pabsts, lacquiret und mit seinem Nahmen und Wappen bezeichnet
waren. Hinter diesen Bäncken wurden uns durch einen sehr
höflichen Päbstl: Hof-Cavalier unsre Plätze zum stehen angewie-
sen. Der Cardinäle Habit war Violet, um den Hals mit weißem
Hermelin gefüttert, weil sie die rothen Kleider auf Weinachten
erst wieder anziehen. Jedweder von ihnen, der etwas vor zu-
tragen hatte, stund von seinem Platze auf, ging nach der
lincken Seite des Päbstl: Throns, küßte mit einem tieffen Re-
verentz dem Pabst rechte Hand und empfing dagegen eine
gantz schnelle benediction, trug sodann mit entblößtem Haupt
sein Anliegen halb laut vor, wurde auch sogleich mit Antwort
versehen und nahm mit vorgedachten Ceremonien wider seinen
Abschied. Bey dem Cardinal Tencin observirten wir, daß er
weder vor, noch nachher den Hand-Kuß beobachtete. Indeßen
setzte er sich nach dieser seiner Verrichtung vor den Ort wo
wir stunden nieder, und offerirete, so bald wir es begehren
würden, die Praesentation bey dem Pabst. So bald der erste
Cardinal Diaconus (denn sie halten bey diesen audientzien
ihren Rang) sich zum Pabst nahete, wurde laut geruffen:
extra omnes, welches die marque ist, daß nunmehro die Con-
sistorial-deliberation ihren Anfang nehmen soll. Wir musten
also, nebst allen denen die nicht Cardinäle waren, uns retiri-
ren. Der Pabst ist 67 Jahr alt, aber vollkommen munter und
vigoureux, mittelmäßig untersetzter Statur, und hat schlechte ins
graue fallende Haare, ein vollständiges Gesicht, mehr kleine
als große Augen. Aus seinen prompten Antworten, davon wir
zwar nichts verstehen konten, und Hand-Gebehrden kan man nicht
anders schließen, als daß er ein guter Redner und von recht
comportablen Temperament sey. Er hatte zwar die Hände in
einem Muff von weißen Sammet, bye dem heraus ziehen
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Saskia Jungmann, Nikolas Schröder, Andreas Lewen: Mitarbeit
Thüringer Staatskanzlei: Projektförderer
Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena: Bilddigitalisierung von Editionsvorlage und deren Abschrift sowie Bereitstellung der Digitalisate
Weitere Informationen:Das Endendum der vorliegenden Edition bildet das Tagebuch zur Kavalierstour des pietistischen Grafen Heinrich XI. Reuß zu Obergreiz (1722-1800) durch das Heilige Römische Reich deutscher Nation, Frankreich, die Schweiz, Italien und Österreich in den Jahren 1740–1742. Es besteht aus 443 Tagebucheinträgen auf 784 Seiten, die in 71 Briefen in die Heimat übersandt wurden. Verfasser des Tagebuchs ist der Köstritzer Hofmeister Anton von Geusau (1695–1749). Im Tagebuch bietet dieser nicht nur Einblicke in die international vernetzte Welt des Hochadels, sondern überliefert auch tiefgehende Einblicke in die wirtschaftlichen, sozialen, religiösen und politischen Entwicklungen in den besuchten Ländern. Dies ist vor allem für die im politischen System Europas stattfindenden Veränderungen relevant. So führte der Aufstieg Preußens zur Großmacht zu einer Neuordnung des europäischen Mächtesystems. In die Zeit seiner Kavalierstour fallen beispielsweise der Tod des Römisch-Deutschen Kaisers Karl VI. (1685–1740) und der sich daran anschließende Österreichische Erbfolgekrieg mit seinen Auswirkungen auf das europäische Mächtesystem. Besonders aufschlussreich sind die zahlreichen wiedergegebenen Gespräche zwischen den Reisenden und anderen Adligen, Geistlichen und Gelehrten zumeist katholischer Provenienz. Diese ermöglichen vielfältige Einblicke in die Gedanken- und Vorstellungswelt des Verfassers, seiner Mitreisenden und Gesprächspartner. Hieran werden Kontaktzonen für interkonfessionellen Austausch, aber auch Grenzen des Sag- oder Machbaren deutlich: Heinrich XI. und von Geusau waren pietistisch-fromme Lutheraner, die die auf der Reise gemachten Erfahrungen vor ihrem konfessionellen Erfahrungshintergrund spiegelten, werteten und einordneten Die Edition wurde zunächst mit Hilfe der virtuellen Forschungsumgebung FuD erstellt, die im Rahmen des Projektes Editionenportal Thüringen an der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena (ThULB) implementiert wurde. Nach Einstellung dieses Infrastrukturprojekts fand eine Transformation des FuD-XML in das DTABf im Rahmen eines FAIR-Data-Stipendiums der NFDI4Memory statt. Die Digitalisierung des originalen Brieftagebuchs und einer zeitgenössischen Abschrift erfolgte über die ThULB. Die vorliegende Edition umfasst eine vorlagennahe und zeilengenaue Umschrift der kurrenten Handschrift in moderne lateinische Buchstaben. Eine gründliche Ersttranskription ist erfolgt; eine abschließende Kollationierung steht noch aus. Die XML-Daten umfassen zum gegenwärtigen Zeitpunkt zudem eine grundständige Strukturkodierung (Briefe, Tagebucheinträge, Kopfzeilen, Absätze, Seiten- und Zeilenwechsel) und eine TEI-konforme Auszeichnung grundlegender formal-textkritischer Phänomene (Hervorhebungen, Autorkorrekturen, editorische Konjekturen, Unlesbarkeiten, Abkürzungen mit Auflösungen). Abweichungen der zeitgenössische Abschrift vom originalen Autographen wurden bis dato nicht erfasst. Topographische Informationen der Autorkorrekturen wurden erfasst. Einrückungen am Zeilenbeginn und innerhalb von Zeilen wurden nicht wiedergegeben. Horizontale Leerräume wurden nicht genau, sondern als einfache Leerzeilen wiedergegeben. Für bisher 49 der insgesamt 71 Briefe wurden zudem die darin erwähnten inhaltlich-semantischen Entitäten (Personen/Körperschaften, Gruppen, Geografika, Ereignisse und Objekte (z.B. Bücher, Gebäude, Statuen, Karten, Gemälde etc.)) kodiert und unter Nutzung von GND-Verweisen identifiziert. Ein entsprechendes Register finden Sie auf Github, dort sind auch sämtliche Daten der Edition zu diesem Werk publiziert. Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: nicht markiert; Geminations-/Abkürzungsstriche: mnarkiert, expandiert; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht markiert; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: DTABf-getreu; Zeilenumbrüche markiert: ja;
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