Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742].nehmen, doch aber vorher der hier wohnenden verwittibten Chur-Fürstin nehmen, doch aber vorher der hier wohnenden verwittibten Chur-Fürstin <TEI> <text> <body> <div type="letter"> <div type="diaryEntry"> <p><pb facs="#f0527"/> nehmen, doch aber vorher der hier wohnenden verwittibten Chur-Fürstin<lb/><persName xml:id="TidB3101" corresp="register.xml#regID_37.lemID_10896" ref="http://d-nb.info/gnd/118846787">von der Pfaltz</persName>, des letzt verstorbenen <persName xml:id="TidB3102" corresp="register.xml#regID_37.lemID_10897" ref="http://d-nb.info/gnd/119381842">Groß-Hertzogs</persName> Schwester, die Cour<lb/> zu machen, und die hiesigen Merckwürdigkeiten zu besichtigen.<lb/> Die Praesentation an hochgedachte Princessin geschahe durch ihren grand-<lb/> maitre den Marchese di <persName xml:id="TidB3103" corresp="register.xml#regID_37.lemID_10898">Guadagna</persName>, dem wir vorher Visite gaben<lb/> und von ihm auf einen Mittag in das Palais Pitti bestellet wur-<lb/> den. Es ist dieses Palais die <choice><abbr>ordentl:</abbr><expan>ordentliche</expan></choice> Residentz der Groß-Hertzoge,<lb/> in welchem zugleich die <persName xml:id="TidB3105" corresp="register.xml#regID_37.lemID_10896" ref="http://d-nb.info/gnd/118846787">Chur-Fürstin</persName> ihre Wohnung hat. Nachdem<lb/> wir in der antichambre, weil sie noch in der Meße war, et-<lb/> was verzogen, wurden wir zu ihr in das audientz-Zimmer ge-<lb/> führet, da sie unter einem schwartzen dais vor einem Lehn-Stuhl<lb/> stehend uns sehr gnädig auf teutsch anredete: wo kommen sie her,<lb/> der fernere discours aber war frantzösisch und bestund in lauter<lb/> Fragen und Antworten von unserm bisherigen sowol, als<lb/> noch ferner vorhabenden Reisen, auch musten <persName xml:id="TidB3106" corresp="register.xml#regID_37.lemID_10003" ref="http://d-nb.info/gnd/140148671">Geusau</persName> und<lb/><persName xml:id="TidB3107" corresp="register.xml#regID_37.lemID_10899">Gellhorn</persName> ihr sagen, in welchem Theil <placeName xml:id="TidB10212" corresp="register.xml#regID_66.lemID_11010">Teuschlandes</placeName> sie eigentlich<lb/> zu Hause gehöreten, und endlich beschloß sie mit dem Compli-<lb/> ment: je serois charmée, Messieurs, si je pouvois vous être<lb/> utile a quelque chose en ce pais ici. Sie ist blond und von<lb/> mittelmäßiger hagerer Statur, auch ihres etliche und 70 jährigen<lb/> Alters ungeachtet, noch bey ziemlichen Kräfften, wie sie denn, ohne<lb/> auf das Wetter zu reflectiren, täglich mit etlichen Kutschen<lb/> in denen Kirchen und Clöstern herum, oder auch sonst spatzieren<lb/> fahret. Ihre Kleidung war ein schwartzes Hof-Kleid; wie denn<lb/> der Hof, vermuthlich wegen der letzt verstorbenen <persName xml:id="TidB3108" corresp="register.xml#regID_37.lemID_10900" ref="http://d-nb.info/gnd/118927426">Ertz-Hertzogin<lb/> zu Brüßel</persName>, in Cammer-Trauer ist. Ihre Hofstadt ist gantz<lb/> zahlreich, und hat sie in denen Vorzimmern ihre eigne Schwei-<lb/> tzer-Wache, vor dem Palais aber stehet eine Compagnie<lb/> von dem hier in Garnison liegenden Lothringischen Regi<del rendition="#s">e</del>-<lb/> ment, welches iedoch gröstentheils noch bey unserm Hierseyn<lb/> nach <placeName xml:id="TidB3109" corresp="register.xml#regID_66.lemID_10901">Livorno</placeName> abmarschierte. Das Palais Pitti ist in einem<lb/> besondern alt <choice><abbr>Röml:</abbr><expan>Römischen</expan></choice> gusto á la Rustique erbauet, und die<lb/> meisten apartemens in demselben sind gewölbet, die<lb/> Haupt-meublen aber bestehen in Bildern von denen be-<lb/> rühmtesten Meistern, welche wir, um die Gedult der Leser<lb/> nicht zu mißbrauchen, hier nicht specificiren wollen. Die<lb/> Camine und Thür-Verkleidungen sind zwar von schönem<lb/> Marmor, aber in einem schlechten gusto verfertiget. Der<lb/> dahinter gelegene bergigte Garten, an welchem das Castel<lb/> bel vedere anstoßet, ist mit alléen von Lorbeer-Bäumen<lb/> und berceaux gantz reichlich und angenehm versehen, besonders </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0527]
nehmen, doch aber vorher der hier wohnenden verwittibten Chur-Fürstin
von der Pfaltz, des letzt verstorbenen Groß-Hertzogs Schwester, die Cour
zu machen, und die hiesigen Merckwürdigkeiten zu besichtigen.
Die Praesentation an hochgedachte Princessin geschahe durch ihren grand-
maitre den Marchese di Guadagna, dem wir vorher Visite gaben
und von ihm auf einen Mittag in das Palais Pitti bestellet wur-
den. Es ist dieses Palais die ordentl: Residentz der Groß-Hertzoge,
in welchem zugleich die Chur-Fürstin ihre Wohnung hat. Nachdem
wir in der antichambre, weil sie noch in der Meße war, et-
was verzogen, wurden wir zu ihr in das audientz-Zimmer ge-
führet, da sie unter einem schwartzen dais vor einem Lehn-Stuhl
stehend uns sehr gnädig auf teutsch anredete: wo kommen sie her,
der fernere discours aber war frantzösisch und bestund in lauter
Fragen und Antworten von unserm bisherigen sowol, als
noch ferner vorhabenden Reisen, auch musten Geusau und
Gellhorn ihr sagen, in welchem Theil Teuschlandes sie eigentlich
zu Hause gehöreten, und endlich beschloß sie mit dem Compli-
ment: je serois charmée, Messieurs, si je pouvois vous être
utile a quelque chose en ce pais ici. Sie ist blond und von
mittelmäßiger hagerer Statur, auch ihres etliche und 70 jährigen
Alters ungeachtet, noch bey ziemlichen Kräfften, wie sie denn, ohne
auf das Wetter zu reflectiren, täglich mit etlichen Kutschen
in denen Kirchen und Clöstern herum, oder auch sonst spatzieren
fahret. Ihre Kleidung war ein schwartzes Hof-Kleid; wie denn
der Hof, vermuthlich wegen der letzt verstorbenen Ertz-Hertzogin
zu Brüßel, in Cammer-Trauer ist. Ihre Hofstadt ist gantz
zahlreich, und hat sie in denen Vorzimmern ihre eigne Schwei-
tzer-Wache, vor dem Palais aber stehet eine Compagnie
von dem hier in Garnison liegenden Lothringischen Regi-
ment, welches iedoch gröstentheils noch bey unserm Hierseyn
nach Livorno abmarschierte. Das Palais Pitti ist in einem
besondern alt Röml: gusto á la Rustique erbauet, und die
meisten apartemens in demselben sind gewölbet, die
Haupt-meublen aber bestehen in Bildern von denen be-
rühmtesten Meistern, welche wir, um die Gedult der Leser
nicht zu mißbrauchen, hier nicht specificiren wollen. Die
Camine und Thür-Verkleidungen sind zwar von schönem
Marmor, aber in einem schlechten gusto verfertiget. Der
dahinter gelegene bergigte Garten, an welchem das Castel
bel vedere anstoßet, ist mit alléen von Lorbeer-Bäumen
und berceaux gantz reichlich und angenehm versehen, besonders
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Saskia Jungmann, Nikolas Schröder, Andreas Lewen: Mitarbeit
Thüringer Staatskanzlei: Projektförderer
Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena: Bilddigitalisierung von Editionsvorlage und deren Abschrift sowie Bereitstellung der Digitalisate
Weitere Informationen:Das Endendum der vorliegenden Edition bildet das Tagebuch zur Kavalierstour des pietistischen Grafen Heinrich XI. Reuß zu Obergreiz (1722-1800) durch das Heilige Römische Reich deutscher Nation, Frankreich, die Schweiz, Italien und Österreich in den Jahren 1740–1742. Es besteht aus 443 Tagebucheinträgen auf 784 Seiten, die in 71 Briefen in die Heimat übersandt wurden. Verfasser des Tagebuchs ist der Köstritzer Hofmeister Anton von Geusau (1695–1749). Im Tagebuch bietet dieser nicht nur Einblicke in die international vernetzte Welt des Hochadels, sondern überliefert auch tiefgehende Einblicke in die wirtschaftlichen, sozialen, religiösen und politischen Entwicklungen in den besuchten Ländern. Dies ist vor allem für die im politischen System Europas stattfindenden Veränderungen relevant. So führte der Aufstieg Preußens zur Großmacht zu einer Neuordnung des europäischen Mächtesystems. In die Zeit seiner Kavalierstour fallen beispielsweise der Tod des Römisch-Deutschen Kaisers Karl VI. (1685–1740) und der sich daran anschließende Österreichische Erbfolgekrieg mit seinen Auswirkungen auf das europäische Mächtesystem. Besonders aufschlussreich sind die zahlreichen wiedergegebenen Gespräche zwischen den Reisenden und anderen Adligen, Geistlichen und Gelehrten zumeist katholischer Provenienz. Diese ermöglichen vielfältige Einblicke in die Gedanken- und Vorstellungswelt des Verfassers, seiner Mitreisenden und Gesprächspartner. Hieran werden Kontaktzonen für interkonfessionellen Austausch, aber auch Grenzen des Sag- oder Machbaren deutlich: Heinrich XI. und von Geusau waren pietistisch-fromme Lutheraner, die die auf der Reise gemachten Erfahrungen vor ihrem konfessionellen Erfahrungshintergrund spiegelten, werteten und einordneten Die Edition wurde zunächst mit Hilfe der virtuellen Forschungsumgebung FuD erstellt, die im Rahmen des Projektes Editionenportal Thüringen an der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena (ThULB) implementiert wurde. Nach Einstellung dieses Infrastrukturprojekts fand eine Transformation des FuD-XML in das DTABf im Rahmen eines FAIR-Data-Stipendiums der NFDI4Memory statt. Die Digitalisierung des originalen Brieftagebuchs und einer zeitgenössischen Abschrift erfolgte über die ThULB. Die vorliegende Edition umfasst eine vorlagennahe und zeilengenaue Umschrift der kurrenten Handschrift in moderne lateinische Buchstaben. Eine gründliche Ersttranskription ist erfolgt; eine abschließende Kollationierung steht noch aus. Die XML-Daten umfassen zum gegenwärtigen Zeitpunkt zudem eine grundständige Strukturkodierung (Briefe, Tagebucheinträge, Kopfzeilen, Absätze, Seiten- und Zeilenwechsel) und eine TEI-konforme Auszeichnung grundlegender formal-textkritischer Phänomene (Hervorhebungen, Autorkorrekturen, editorische Konjekturen, Unlesbarkeiten, Abkürzungen mit Auflösungen). Abweichungen der zeitgenössische Abschrift vom originalen Autographen wurden bis dato nicht erfasst. Topographische Informationen der Autorkorrekturen wurden erfasst. Einrückungen am Zeilenbeginn und innerhalb von Zeilen wurden nicht wiedergegeben. Horizontale Leerräume wurden nicht genau, sondern als einfache Leerzeilen wiedergegeben. Für bisher 49 der insgesamt 71 Briefe wurden zudem die darin erwähnten inhaltlich-semantischen Entitäten (Personen/Körperschaften, Gruppen, Geografika, Ereignisse und Objekte (z.B. Bücher, Gebäude, Statuen, Karten, Gemälde etc.)) kodiert und unter Nutzung von GND-Verweisen identifiziert. Ein entsprechendes Register finden Sie auf Github, dort sind auch sämtliche Daten der Edition zu diesem Werk publiziert. Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: nicht markiert; Geminations-/Abkürzungsstriche: mnarkiert, expandiert; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht markiert; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: DTABf-getreu; Zeilenumbrüche markiert: ja;
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