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Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742].

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Autores von dieser Sorte fiel, und erinnert wurde, daß diese Autores
bey der ietzt herschenden catholischen Kirche nicht orthodox wären, sagte die
Marquise: aupres de moi il sont bien orthodoxes, der Marquis aber:
Messieurs, il faut que vous sachiez que ma femme est Janseniste
bey Gelegenheit dererjenigen kleinen Bücher, welche bey ihrer Bibliothec
in ziemlicher Anzahl vorhanden, und deren schon ehemlas gedacht worden,
fragte man, wozu solcher Vorrath destiniret sey, und erhielt die Ant-
wort, daß man denen Armen damit zu dienen suche. Sie zog hier-
auf ihr beständiges Handbuch, welches sie bey sich zu tragen pflegt, aus
der Tasche, um uns solches zu weisen, darinn des breviarium, das
neuen Testament, die Psalmen und Kempis von der Nachfolge Christi
zusammen gedruckt waren, und hielt davor, daß dis Büchlein völlig nach
unserm Geschmack seyn wurde, die eintzige Materie von der Meße aus-
genommen. Nach uns fand sich der Marquis de Beaufremont ein, deßen schon
im Diario Nummer 3. Meldung geschehen. Er ist ein gantz Serieuser und qualificirter
Herr, und ebenfals von der Jansenistischen Parthey, scheinet auch in der Historie
und andern Wißenschaften, nicht unerfahren zu seyn. Bey der Tafel, welche
sehr wohl serviret trar, gerieth Monsieur de Beaufremont mit der Marquise über
die Frage in Streit, ob man mit gutem Gewißen Spectacles besuchen
könne? Da denn iene solches mit vieler parrhesie vor unrecht erkläret
dieser aber das Obstat hielt, auch kaum glauben wolte, was ihm von uns
gesagt wurde, daß nehmlich nach dem Canonischen Recht die Acteurs und Actrice
im Bann wären, folglich die Zuschauer an solcher Excommunication Theil
nehmen müsten. Der Discours lenckte sich bald auf die zugerechnete Ge-
rechtigkeit Christi, von welcher Monsieur Beaufremont denen Lutheranern diesen
Begriff beymeßen wolte, daß man bey dieser Lehre in den grösten
Lastern leben, und gleichwol der Seeligkeit nicht verfehlen könte. Als
wir ihn aber von diesem Irthum desabusirten und ihm die wahre Lehre
unsrer Kirchen und den Zusammenhang der Rechtfertigung und Heiligung
erklärten, gab zwar die Marquise uns Beyfall, und declarirte seinen
Widerspruch vor einen Wort-Streit, er blieb aber dabey, daß Luthern
die obgedachte Lehre geführet, und daß mancherley Secten unter uns
wären, deren eine beßer die andre schlimmere Gedancken, von dieser
Materie haben könten. Sonst wurde auch von der Souverainitaet und
dem Lustre des Reußischen Hauses, auf recht zu dringliche Veranlaßung
des Marques de Montbrun, vieles gesprochen, vermuthlich mit den
Neven bey dem andern Gast desto mehr zu brilliren, dagegen
dieser letzter nach der Tafel, iedoch gantz de bonne grace, auch nicht
unterließ, von seinem Hause vieles zu erzehlen, welches alles sich
dahin concentrirte, daß er von rechtswegen ein prince du sang
seyn solte. Bey einbrechendem Abend fuhren wir wider nach Paris
zurück, nachdem wir mit dem Marquis de Montbrun, sowol der
Trauer, als künftigen Praesentationen wegen, einige Abrede ge-
nommen.

Autores von dieser Sorte fiel, und erinnert wurde, daß diese Autores
bey der ietzt herschenden catholischen Kirche nicht orthodox wären, sagte die
Marquise: auprés de moi il sont bien orthodoxes, der Marquis aber:
Messieurs, il faut que vous sachiez que ma femme est Janseniste
bey Gelegenheit dererjenigen kleinen Bücher, welche bey ihrer Bibliothec
in ziemlicher Anzahl vorhanden, und deren schon ehemlas gedacht worden,
fragte man, wozu solcher Vorrath destiniret sey, und erhielt die Ant-
wort, daß man denen Armen damit zu dienen suche. Sie zog hier-
auf ihr beständiges Handbuch, welches sie bey sich zu tragen pflegt, aus
der Tasche, um uns solches zu weisen, darinn des breviarium, das
neuen Testament, die Psalmen und Kempis von der Nachfolge Christi
zusammen gedruckt waren, und hielt davor, daß dis Büchlein völlig nach
unserm Geschmack seyn wurde, die eintzige Materie von der Meße aus-
genommen. Nach uns fand sich der Marquis de Beaufremont ein, deßen schon
im Diario Nummer 3. Meldung geschehen. Er ist ein gantz Serieuser und qualificirter
Herr, und ebenfals von der Jansenistischen Parthey, scheinet auch in der Historie
und andern Wißenschaften, nicht unerfahren zu seyn. Bey der Tafel, welche
sehr wohl serviret trar, gerieth Monsieur de Beaufremont mit der Marquise über
die Frage in Streit, ob man mit gutem Gewißen Spectacles besuchen
könne? Da denn iene solches mit vieler parrhesie vor unrecht erkläret
dieser aber das Obstat hielt, auch kaum glauben wolte, was ihm von uns
gesagt wurde, daß nehmlich nach dem Canonischen Recht die Acteurs und Actrice
im Bann wären, folglich die Zuschauer an solcher Excommunication Theil
nehmen müsten. Der Discours lenckte sich bald auf die zugerechnete Ge-
rechtigkeit Christi, von welcher Monsieur Beaufremont denen Lutheranern diesen
Begriff beymeßen wolte, daß man bey dieser Lehre in den grösten
Lastern leben, und gleichwol der Seeligkeit nicht verfehlen könte. Als
wir ihn aber von diesem Irthum desabusirten und ihm die wahre Lehre
unsrer Kirchen und den Zusammenhang der Rechtfertigung und Heiligung
erklärten, gab zwar die Marquise uns Beyfall, und declarirte seinen
Widerspruch vor einen Wort-Streit, er blieb aber dabey, daß Luthern
die obgedachte Lehre geführet, und daß mancherley Secten unter uns
wären, deren eine beßer die andre schlimmere Gedancken, von dieser
Materie haben könten. Sonst wurde auch von der Souverainitaet und
dem Lustre des Reußischen Hauses, auf recht zu dringliche Veranlaßung
des Marques de Montbrun, vieles gesprochen, vermuthlich mit den
Neven bey dem andern Gast desto mehr zu brilliren, dagegen
dieser letzter nach der Tafel, iedoch gantz de bonne grace, auch nicht
unterließ, von seinem Hause vieles zu erzehlen, welches alles sich
dahin concentrirte, daß er von rechtswegen ein prince du sang
seyn solte. Bey einbrechendem Abend fuhren wir wider nach Paris
zurück, nachdem wir mit dem Marquis de Montbrun, sowol der
Trauer, als künftigen Praesentationen wegen, einige Abrede ge-
nommen.

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Paul Beckus, Marita Gruner, Thomas Grunewald, Sabrina Mögelin, Martin Prell: Herausgeber:innen
Paul Beckus, Marita Gruner, Thomas Grunewald, Sabrina Mögelin, Martin Prell: Bearbeiter:innen
Martin Prell: Datentransformation
Saskia Jungmann, Nikolas Schröder, Andreas Lewen: Mitarbeit
Thüringer Staatskanzlei: Projektförderer
Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena: Bilddigitalisierung von Editionsvorlage und deren Abschrift sowie Bereitstellung der Digitalisate

Weitere Informationen:

Das Endendum der vorliegenden Edition bildet das Tagebuch zur Kavalierstour des pietistischen Grafen Heinrich XI. Reuß zu Obergreiz (1722-1800) durch das Heilige Römische Reich deutscher Nation, Frankreich, die Schweiz, Italien und Österreich in den Jahren 1740–1742. Es besteht aus 443 Tagebucheinträgen auf 784 Seiten, die in 71 Briefen in die Heimat übersandt wurden. Verfasser des Tagebuchs ist der Köstritzer Hofmeister Anton von Geusau (1695–1749). Im Tagebuch bietet dieser nicht nur Einblicke in die international vernetzte Welt des Hochadels, sondern überliefert auch tiefgehende Einblicke in die wirtschaftlichen, sozialen, religiösen und politischen Entwicklungen in den besuchten Ländern. Dies ist vor allem für die im politischen System Europas stattfindenden Veränderungen relevant. So führte der Aufstieg Preußens zur Großmacht zu einer Neuordnung des europäischen Mächtesystems. In die Zeit seiner Kavalierstour fallen beispielsweise der Tod des Römisch-Deutschen Kaisers Karl VI. (1685–1740) und der sich daran anschließende Österreichische Erbfolgekrieg mit seinen Auswirkungen auf das europäische Mächtesystem. Besonders aufschlussreich sind die zahlreichen wiedergegebenen Gespräche zwischen den Reisenden und anderen Adligen, Geistlichen und Gelehrten zumeist katholischer Provenienz. Diese ermöglichen vielfältige Einblicke in die Gedanken- und Vorstellungswelt des Verfassers, seiner Mitreisenden und Gesprächspartner. Hieran werden Kontaktzonen für interkonfessionellen Austausch, aber auch Grenzen des Sag- oder Machbaren deutlich: Heinrich XI. und von Geusau waren pietistisch-fromme Lutheraner, die die auf der Reise gemachten Erfahrungen vor ihrem konfessionellen Erfahrungshintergrund spiegelten, werteten und einordneten

Die Edition wurde zunächst mit Hilfe der virtuellen Forschungsumgebung FuD erstellt, die im Rahmen des Projektes Editionenportal Thüringen an der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena (ThULB) implementiert wurde. Nach Einstellung dieses Infrastrukturprojekts fand eine Transformation des FuD-XML in das DTABf im Rahmen eines FAIR-Data-Stipendiums der NFDI4Memory statt. Die Digitalisierung des originalen Brieftagebuchs und einer zeitgenössischen Abschrift erfolgte über die ThULB. Die vorliegende Edition umfasst eine vorlagennahe und zeilengenaue Umschrift der kurrenten Handschrift in moderne lateinische Buchstaben. Eine gründliche Ersttranskription ist erfolgt; eine abschließende Kollationierung steht noch aus. Die XML-Daten umfassen zum gegenwärtigen Zeitpunkt zudem eine grundständige Strukturkodierung (Briefe, Tagebucheinträge, Kopfzeilen, Absätze, Seiten- und Zeilenwechsel) und eine TEI-konforme Auszeichnung grundlegender formal-textkritischer Phänomene (Hervorhebungen, Autorkorrekturen, editorische Konjekturen, Unlesbarkeiten, Abkürzungen mit Auflösungen). Abweichungen der zeitgenössische Abschrift vom originalen Autographen wurden bis dato nicht erfasst. Topographische Informationen der Autorkorrekturen wurden erfasst. Einrückungen am Zeilenbeginn und innerhalb von Zeilen wurden nicht wiedergegeben. Horizontale Leerräume wurden nicht genau, sondern als einfache Leerzeilen wiedergegeben. Für bisher 49 der insgesamt 71 Briefe wurden zudem die darin erwähnten inhaltlich-semantischen Entitäten (Personen/Körperschaften, Gruppen, Geografika, Ereignisse und Objekte (z.B. Bücher, Gebäude, Statuen, Karten, Gemälde etc.)) kodiert und unter Nutzung von GND-Verweisen identifiziert. Ein entsprechendes Register finden Sie auf Github, dort sind auch sämtliche Daten der Edition zu diesem Werk publiziert.

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: nicht markiert; Geminations-/Abkürzungsstriche: mnarkiert, expandiert; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht markiert; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: DTABf-getreu; Zeilenumbrüche markiert: ja;




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Zitationshilfe: Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742], S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/geusau_reisetagebuchHeinrichxiReuss_1740/37>, abgerufen am 21.11.2024.