Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742].112 noch größern Schranck sind allerhand sich bewegende Figuren,von der Größe einer halben Elle, in gantz schicklicher Ordnung aufrangiret: als, 3 Schmiede-Knechte, welche auf einem Am- bos mit der gewöhnlichen Cadance ein Eisen schmieden, der 4te stehet bey dem Herdt und ziehet den Blase-Balg. Ein Schleif- stein, welchen einer herum drehet, ein andrer aber das Meßer ordentlich darauf hält und zuweilen absetzet: Ein philosoph, der im Schlafrock auf einem Stuhl sitzet, und ein Buch in der Hand hat, welches er bald näher, bald entfernter vor das Gesichte hält, mit der andern Hand und dem Kopf aber solche Bewegungen machet, als ob er über demjenigen, was im Buch stehe, in tiefer meditation sey. Eine Schulmeisterin welche ihrer vor sich habenden Scholarin mit der Ruthe drohet, diese aber mit zusammen geschlagenen Händen um Gnade bittet. Ein Mohr, welcher ordentlich die Paucken schlägt, auch so gar die gewöhnlichen manieren und Wirbel ziemlich gut machet. Zwey an einem Tisch sitzende Manns-Personen, denen ein Türcke aufwartet, ihnen aus einer Bouteille einschencket, sei aber das eingeschenckte mit sehr guter grace aus zutrincken scheinen. Eine Dame, welche sich vor der Toilette coiffiret. Eine ander, welche auf einem Seiden-Spinn-Rade spinnet, und mit einer Hand das Rad drehet, mit der andern aber ordentlich den Faden ziehet. Alle Bewegungen dieser Figuren werden durchs Waßer verursachet, welches vermittelst einer Pompe in einen Kasten hinauf getrieben wird, und aus demselben in ober- meldte Fontainen, aus diesem aber wiederum auf einen kleines Rad fält, mit dem diejenigen Wällen connectiren, deren Herumdrehung der Figuren in Bewegung setzet. Es ist diese Waßer-Machine gantz simple und so compendieux, daß sie aller Orten hin transportiret werden kan, die Bewegung auch so gelinde, daß man, weder etwas klappern, noch, außer obgedachten Fontainen, etwas rauschen höret. Nachdem der Monsieur de Ferrus von uns wieder in sein Quartier gebracht worden, besuchten wir den Marquis de Montbrun, welcher eben von [unleserliches Material]demjenigen Graf Schönaich aus Schlesien einen Brief empfangen hatte, darinn unter andern enthalten war, daß er bey dem Glogauischen Sturm als Volontaire, und einer mit der ersten gewesen, welche diesen Platz erstiegen: item, daß der König von Preußen ihm geschrieben, die bevor- stehende gantze Campagne über bey seiner Person zu bleiben 112 noch größern Schranck sind allerhand sich bewegende Figuren,von der Größe einer halben Elle, in gantz schicklicher Ordnung aufrangiret: als, 3 Schmiede-Knechte, welche auf einem Am- bos mit der gewöhnlichen Cadance ein Eisen schmieden, der 4te stehet bey dem Herdt und ziehet den Blase-Balg. Ein Schleif- stein, welchen einer herum drehet, ein andrer aber das Meßer ordentlich darauf hält und zuweilen absetzet: Ein philosoph, der im Schlafrock auf einem Stuhl sitzet, und ein Buch in der Hand hat, welches er bald näher, bald entfernter vor das Gesichte hält, mit der andern Hand und dem Kopf aber solche Bewegungen machet, als ob er über demjenigen, was im Buch stehe, in tiefer meditation sey. Eine Schulmeisterin welche ihrer vor sich habenden Scholarin mit der Ruthe drohet, diese aber mit zusammen geschlagenen Händen um Gnade bittet. Ein Mohr, welcher ordentlich die Paucken schlägt, auch so gar die gewöhnlichen manieren und Wirbel ziemlich gut machet. Zwey an einem Tisch sitzende Manns-Personen, denen ein Türcke aufwartet, ihnen aus einer Bouteille einschencket, sei aber das eingeschenckte mit sehr guter grace aus zutrincken scheinen. Eine Dame, welche sich vor der Toilette coiffiret. Eine ander, welche auf einem Seiden-Spinn-Rade spinnet, und mit einer Hand das Rad drehet, mit der andern aber ordentlich den Faden ziehet. Alle Bewegungen dieser Figuren werden durchs Waßer verursachet, welches vermittelst einer Pompe in einen Kasten hinauf getrieben wird, und aus demselben in ober- meldte Fontainen, aus diesem aber wiederum auf einen kleines Rad fält, mit dem diejenigen Wällen connectiren, deren Herumdrehung der Figuren in Bewegung setzet. Es ist diese Waßer-Machine gantz simple und so compendieux, daß sie aller Orten hin transportiret werden kan, die Bewegung auch so gelinde, daß man, weder etwas klappern, noch, außer obgedachten Fontainen, etwas rauschen höret. Nachdem der Monsieur de Ferrus von uns wieder in sein Quartier gebracht worden, besuchten wir den Marquis de Montbrun, welcher eben von [unleserliches Material]demjenigen Graf Schönaich aus Schlesien einen Brief empfangen hatte, darinn unter andern enthalten war, daß er bey dem Glogauischen Sturm als Volontaire, und einer mit der ersten gewesen, welche diesen Platz erstiegen: item, daß der König von Preußen ihm geschrieben, die bevor- stehende gantze Campagne über bey seiner Person zu bleiben <TEI> <text> <body> <div type="letter"> <div type="diaryEntry"> <p><pb facs="#f0238"/><fw type="folNum" place="top">112</fw><lb/> noch größern Schranck sind allerhand sich bewegende Figuren,<lb/> von der Größe einer halben Elle, in gantz schicklicher Ordnung<lb/> aufrangiret: als, 3 Schmiede-Knechte, welche auf einem Am-<lb/> bos mit der gewöhnlichen Cadance ein Eisen schmieden, der<lb/> 4<hi rendition="#u">te</hi> stehet bey dem Herdt und ziehet den Blase-Balg. 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noch größern Schranck sind allerhand sich bewegende Figuren,
von der Größe einer halben Elle, in gantz schicklicher Ordnung
aufrangiret: als, 3 Schmiede-Knechte, welche auf einem Am-
bos mit der gewöhnlichen Cadance ein Eisen schmieden, der
4te stehet bey dem Herdt und ziehet den Blase-Balg. Ein Schleif-
stein, welchen einer herum drehet, ein andrer aber das Meßer
ordentlich darauf hält und zuweilen absetzet: Ein philosoph,
der im Schlafrock auf einem Stuhl sitzet, und ein Buch in der
Hand hat, welches er bald näher, bald entfernter vor das Gesichte
hält, mit der andern Hand u. dem Kopf aber solche Bewegungen
machet, als ob er über demjenigen, was im Buch stehe, in
tiefer meditation sey. Eine Schulmeisterin welche ihrer vor
sich habenden Scholarin mit der Ruthe drohet, diese aber mit
zusammen geschlagenen Händen um Gnade bittet. Ein Mohr, welcher
ordentl: die Paucken schlägt, auch so gar die gewöhnlichen manieren
und Wirbel ziemlich gut machet. Zwey an einem Tisch sitzende
Manns-Personen, denen ein Türcke aufwartet, ihnen aus
einer Bouteille einschencket, sei aber das eingeschenckte
mit sehr guter grace aus zutrincken scheinen. Eine Dame,
welche sich vor der Toilette coiffiret. Eine ander, welche auf
einem Seiden-Spinn-Rade spinnet, und mit einer Hand
das Rad drehet, mit der andern aber ordentlich den Faden ziehet.
Alle Bewegungen dieser Figuren werden durchs Waßer
verursachet, welches vermittelst einer Pompe in einen
Kasten hinauf getrieben wird, und aus demselben in ober-
meldte Fontainen, aus diesem aber wiederum auf ein
kleines Rad fält, mit dem diejenigen Wällen connectiren,
deren Herumdrehung der Figuren in Bewegung setzet. Es
ist diese Waßer-Machine gantz simple und so compendieux,
daß sie aller Orten hin transportiret werden kan, die
Bewegung auch so gelinde, daß man, weder etwas klappern,
noch, außer obgedachten Fontainen, etwas rauschen höret.
Nachdem der Mr. de Ferrus von uns wieder in sein Quartier
gebracht worden, besuchten wir den Marquis de Montbrun,
welcher eben von demjenigen Graf Schönaich aus Schlesien
einen Brief empfangen hatte, darinn unter andern enthalten
war, daß er bey dem Glogauischen Sturm als Volontaire,
und einer mit der ersten gewesen, welche diesen Platz erstiegen:
item, daß der König von Preußen ihm geschrieben, die bevor-
stehende gantze Campagne über bey seiner Person zu bleiben
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Saskia Jungmann, Nikolas Schröder, Andreas Lewen: Mitarbeit
Thüringer Staatskanzlei: Projektförderer
Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena: Bilddigitalisierung von Editionsvorlage und deren Abschrift sowie Bereitstellung der Digitalisate
Weitere Informationen:Das Endendum der vorliegenden Edition bildet das Tagebuch zur Kavalierstour des pietistischen Grafen Heinrich XI. Reuß zu Obergreiz (1722-1800) durch das Heilige Römische Reich deutscher Nation, Frankreich, die Schweiz, Italien und Österreich in den Jahren 1740–1742. Es besteht aus 443 Tagebucheinträgen auf 784 Seiten, die in 71 Briefen in die Heimat übersandt wurden. Verfasser des Tagebuchs ist der Köstritzer Hofmeister Anton von Geusau (1695–1749). Im Tagebuch bietet dieser nicht nur Einblicke in die international vernetzte Welt des Hochadels, sondern überliefert auch tiefgehende Einblicke in die wirtschaftlichen, sozialen, religiösen und politischen Entwicklungen in den besuchten Ländern. Dies ist vor allem für die im politischen System Europas stattfindenden Veränderungen relevant. So führte der Aufstieg Preußens zur Großmacht zu einer Neuordnung des europäischen Mächtesystems. In die Zeit seiner Kavalierstour fallen beispielsweise der Tod des Römisch-Deutschen Kaisers Karl VI. (1685–1740) und der sich daran anschließende Österreichische Erbfolgekrieg mit seinen Auswirkungen auf das europäische Mächtesystem. Besonders aufschlussreich sind die zahlreichen wiedergegebenen Gespräche zwischen den Reisenden und anderen Adligen, Geistlichen und Gelehrten zumeist katholischer Provenienz. Diese ermöglichen vielfältige Einblicke in die Gedanken- und Vorstellungswelt des Verfassers, seiner Mitreisenden und Gesprächspartner. Hieran werden Kontaktzonen für interkonfessionellen Austausch, aber auch Grenzen des Sag- oder Machbaren deutlich: Heinrich XI. und von Geusau waren pietistisch-fromme Lutheraner, die die auf der Reise gemachten Erfahrungen vor ihrem konfessionellen Erfahrungshintergrund spiegelten, werteten und einordneten Die Edition wurde zunächst mit Hilfe der virtuellen Forschungsumgebung FuD erstellt, die im Rahmen des Projektes Editionenportal Thüringen an der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena (ThULB) implementiert wurde. Nach Einstellung dieses Infrastrukturprojekts fand eine Transformation des FuD-XML in das DTABf im Rahmen eines FAIR-Data-Stipendiums der NFDI4Memory statt. Die Digitalisierung des originalen Brieftagebuchs und einer zeitgenössischen Abschrift erfolgte über die ThULB. Die vorliegende Edition umfasst eine vorlagennahe und zeilengenaue Umschrift der kurrenten Handschrift in moderne lateinische Buchstaben. Eine gründliche Ersttranskription ist erfolgt; eine abschließende Kollationierung steht noch aus. Die XML-Daten umfassen zum gegenwärtigen Zeitpunkt zudem eine grundständige Strukturkodierung (Briefe, Tagebucheinträge, Kopfzeilen, Absätze, Seiten- und Zeilenwechsel) und eine TEI-konforme Auszeichnung grundlegender formal-textkritischer Phänomene (Hervorhebungen, Autorkorrekturen, editorische Konjekturen, Unlesbarkeiten, Abkürzungen mit Auflösungen). Abweichungen der zeitgenössische Abschrift vom originalen Autographen wurden bis dato nicht erfasst. Topographische Informationen der Autorkorrekturen wurden erfasst. Einrückungen am Zeilenbeginn und innerhalb von Zeilen wurden nicht wiedergegeben. Horizontale Leerräume wurden nicht genau, sondern als einfache Leerzeilen wiedergegeben. Für bisher 49 der insgesamt 71 Briefe wurden zudem die darin erwähnten inhaltlich-semantischen Entitäten (Personen/Körperschaften, Gruppen, Geografika, Ereignisse und Objekte (z.B. Bücher, Gebäude, Statuen, Karten, Gemälde etc.)) kodiert und unter Nutzung von GND-Verweisen identifiziert. Ein entsprechendes Register finden Sie auf Github, dort sind auch sämtliche Daten der Edition zu diesem Werk publiziert. Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: nicht markiert; Geminations-/Abkürzungsstriche: mnarkiert, expandiert; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht markiert; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: DTABf-getreu; Zeilenumbrüche markiert: ja;
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