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Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742].

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106
Nummer 25
Den 26 Mart:

Der Dähnische Prediger stellete heute bey Fortsetzung der Passions-
Geschichte vor, den Todt Jesu: wie derselbe gewesen 1) schmählich
und schmertzhaft, 2) würcklich und wahrhaftig, und war außer
einer philologischen anatomie derer Historischen Text-Worte,
dismal von der Haupt-Sache wenig zu vernehmen. Nach der
Kirche discourireten wir in des Gesandten Zimmern mit dem
Baron Orleck, Herr von Wernick und Herr von Böhmer, und erfuhren,
daß der König von Preußen auch dem hiesigen Hofe von
derjenigen geheimen Nachstellung part geben laßen, welche
er wieder seine Person entdecket. Daß die Aussage des
in Arrest genommenen Menschen würcklich so geschehen, wie
der König sie anhero communiciren laßen, daran wolte
Niemand zweifeln: daß aber diese Aussage, in so ferne
sie den Groß-Hertzog von Toscana graviret, Grund haben
solte, solches getrauete sich Niemand zu behaupten, weil
Exempel bekannt, daß dergleichen Entrepreneurs oft die grösten
Leute in der Welt als Complices fälschlich angegeben,
um durch solche Entdeckungen pardon zu erlangen, oder
die Sache wenigstens ins Weite zu spielen und Zeit zu
gewinnen. Einige hielten die gantze Sache vor eine poli-
tische Invention, beyde kriegende Theile unter einandern un-
versöhnlich zu machen, und von dem trüben Waßer
zu profitiren. Daß indeßen zuweilen wohl ein
großer Herr auf dergleichen außerordentlichen Mittel fallen, solches
bewieß der Herr von Wernick mit einem Adel-Brief, den
Kayser Carl der V einem gewißen Frantzosen unter der
Bedingung ausfertigen laßen, wenn derselbe seinen
König, Franciscum I aus dem Wege schaffen würde, wel-
cher Brief, wie ein hiesiger Archivarius den Herrn von Werneck
versichert hat, in denen Königlichen archiven würcklich noch
in orginali vorhanden ist: Nachmittags trafen wir
weder den Duc de Valentinois noch den Comte de Matignon, denen
wir Visite geben wolten, zu Hause an, verfügten uns also
zur Marquise de Montbrun, woselbst auch der Chevalier Comte
de Rez gegenwärtig war. Es wurde von denen in dieser
Marter-Woche bevorstehenden Gottes=Diensten gesprochen, und
bestehet das in der catholischen Christenheit gewöhnliche Heilige Grab

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Nummer 25
Den 26 Mart:

Der Dähnische Prediger stellete heute bey Fortsetzung der Passions-
Geschichte vor, den Todt Jesu: wie derselbe gewesen 1) schmählich
und schmertzhaft, 2) würcklich und wahrhaftig, und war außer
einer philologischen anatomie derer Historischen Text-Worte,
dismal von der Haupt-Sache wenig zu vernehmen. Nach der
Kirche discourireten wir in des Gesandten Zimmern mit dem
Baron Orleck, Herr von Wernick und Herr von Böhmer, und erfuhren,
daß der König von Preußen auch dem hiesigen Hofe von
derjenigen geheimen Nachstellung part geben laßen, welche
er wieder seine Person entdecket. Daß die Aussage des
in Arrest genommenen Menschen würcklich so geschehen, wie
der König sie anhero communiciren laßen, daran wolte
Niemand zweifeln: daß aber diese Aussage, in so ferne
sie den Groß-Hertzog von Toscana graviret, Grund haben
solte, solches getrauete sich Niemand zu behaupten, weil
Exempel bekannt, daß dergleichen Entrepreneurs oft die grösten
Leute in der Welt als Complices fälschlich angegeben,
um durch solche Entdeckungen pardon zu erlangen, oder
die Sache wenigstens ins Weite zu spielen und Zeit zu
gewinnen. Einige hielten die gantze Sache vor eine poli-
tische Invention, beyde kriegende Theile unter einandern un-
versöhnlich zu machen, und von dem trüben Waßer
zu profitiren. Daß indeßen zuweilen wohl ein
großer Herr auf dergleichen außerordentlichen Mittel fallen, solches
bewieß der Herr von Wernick mit einem Adel-Brief, den
Kayser Carl der V einem gewißen Frantzosen unter der
Bedingung ausfertigen laßen, wenn derselbe seinen
König, Franciscum I aus dem Wege schaffen würde, wel-
cher Brief, wie ein hiesiger Archivarius den Herrn von Werneck
versichert hat, in denen Königlichen archiven würcklich noch
in orginali vorhanden ist: Nachmittags trafen wir
weder den Duc de Valentinois noch den Comte de Matignon, denen
wir Visite geben wolten, zu Hause an, verfügten uns also
zur Marquise de Montbrun, woselbst auch der Chevalier Comte
de Rez gegenwärtig war. Es wurde von denen in dieser
Marter-Woche bevorstehenden Gottes=Diensten gesprochen, und
bestehet das in der catholischen Christenheit gewöhnliche Heilige Grab

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[0226] 106 No 25 Den 26 Mart: Der Dähnische Prediger stellete heute bey Fortsetzung der Passions- Geschichte vor, den Todt Jesu: wie derselbe gewesen 1) schmählich und schmertzhaft, 2) würcklich und wahrhaftig, und war außer einer philologischen anatomie derer Historischen Text-Worte, dismal von der Haupt-Sache wenig zu vernehmen. Nach der Kirche discourireten wir in des Gesandten Zimmern mit dem Baron Orleck, Hl: v. Wernick und Hl. v. Böhmer, und erfuhren, daß der König von Preußen auch dem hiesigen Hofe von derjenigen geheimen Nachstellung part geben laßen, welche er wieder seine Person entdecket. Daß die Aussage des in Arrest genommenen Menschen würcklich so geschehen, wie der König sie anhero communiciren laßen, daran wolte Niemand zweifeln: daß aber diese Aussage, in so ferne sie den Groß-Hertzog von Toscana graviret, Grund haben solte, solches getrauete sich Niemand zu behaupten, weil Exempel bekannt, daß dergl: Entrepreneurs oft die grösten Leute in der Welt als Complices fälschlich angegeben, um durch solche Entdeckungen pardon zu erlangen, oder die Sache wenigstens ins Weite zu spielen und Zeit zu gewinnen. Einige hielten die gantze Sache vor eine poli- tische Invention, beyde kriegende Theile unter einandern un- versöhnlich zu machen, und von dem trüben Waßer zu profitiren. Daß indeßen zuweilen wohl ein großer Herr auf dergl: außerordentl: Mittel fallen, solches bewieß der Hl: v. Wernick mit einem Adel-Brief, den Kayser Carl der V einem gewißen Frantzosen unter der Bedingung ausfertigen laßen, wenn derselbe seinen König, Franciscum I aus dem Wege schaffen würde, wel- cher Brief, wie ein hiesiger Archivarius den Hl: v. Werneck versichert hat, in denen Königl: archiven würcklich noch in orginali vorhanden ist: Nachmittags trafen wir weder den Duc de Valentinois noch den Comte de Matignon, denen wir Visite geben wolten, zu Hause an, verfügten uns also zur Marquise de Montbrun, woselbst auch der Chevalier Comte de Rez gegenwärtig war. Es wurde von denen in dieser Marter-Woche bevorstehenden Gottes=Diensten gesprochen, und bestehet das in der catholischen Christenheit gewöhnliche Heilige Grab

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Paul Beckus, Marita Gruner, Thomas Grunewald, Sabrina Mögelin, Martin Prell: Herausgeber:innen
Paul Beckus, Marita Gruner, Thomas Grunewald, Sabrina Mögelin, Martin Prell: Bearbeiter:innen
Martin Prell: Datentransformation
Saskia Jungmann, Nikolas Schröder, Andreas Lewen: Mitarbeit
Thüringer Staatskanzlei: Projektförderer
Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena: Bilddigitalisierung von Editionsvorlage und deren Abschrift sowie Bereitstellung der Digitalisate

Weitere Informationen:

Das Endendum der vorliegenden Edition bildet das Tagebuch zur Kavalierstour des pietistischen Grafen Heinrich XI. Reuß zu Obergreiz (1722-1800) durch das Heilige Römische Reich deutscher Nation, Frankreich, die Schweiz, Italien und Österreich in den Jahren 1740–1742. Es besteht aus 443 Tagebucheinträgen auf 784 Seiten, die in 71 Briefen in die Heimat übersandt wurden. Verfasser des Tagebuchs ist der Köstritzer Hofmeister Anton von Geusau (1695–1749). Im Tagebuch bietet dieser nicht nur Einblicke in die international vernetzte Welt des Hochadels, sondern überliefert auch tiefgehende Einblicke in die wirtschaftlichen, sozialen, religiösen und politischen Entwicklungen in den besuchten Ländern. Dies ist vor allem für die im politischen System Europas stattfindenden Veränderungen relevant. So führte der Aufstieg Preußens zur Großmacht zu einer Neuordnung des europäischen Mächtesystems. In die Zeit seiner Kavalierstour fallen beispielsweise der Tod des Römisch-Deutschen Kaisers Karl VI. (1685–1740) und der sich daran anschließende Österreichische Erbfolgekrieg mit seinen Auswirkungen auf das europäische Mächtesystem. Besonders aufschlussreich sind die zahlreichen wiedergegebenen Gespräche zwischen den Reisenden und anderen Adligen, Geistlichen und Gelehrten zumeist katholischer Provenienz. Diese ermöglichen vielfältige Einblicke in die Gedanken- und Vorstellungswelt des Verfassers, seiner Mitreisenden und Gesprächspartner. Hieran werden Kontaktzonen für interkonfessionellen Austausch, aber auch Grenzen des Sag- oder Machbaren deutlich: Heinrich XI. und von Geusau waren pietistisch-fromme Lutheraner, die die auf der Reise gemachten Erfahrungen vor ihrem konfessionellen Erfahrungshintergrund spiegelten, werteten und einordneten

Die Edition wurde zunächst mit Hilfe der virtuellen Forschungsumgebung FuD erstellt, die im Rahmen des Projektes Editionenportal Thüringen an der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena (ThULB) implementiert wurde. Nach Einstellung dieses Infrastrukturprojekts fand eine Transformation des FuD-XML in das DTABf im Rahmen eines FAIR-Data-Stipendiums der NFDI4Memory statt. Die Digitalisierung des originalen Brieftagebuchs und einer zeitgenössischen Abschrift erfolgte über die ThULB. Die vorliegende Edition umfasst eine vorlagennahe und zeilengenaue Umschrift der kurrenten Handschrift in moderne lateinische Buchstaben. Eine gründliche Ersttranskription ist erfolgt; eine abschließende Kollationierung steht noch aus. Die XML-Daten umfassen zum gegenwärtigen Zeitpunkt zudem eine grundständige Strukturkodierung (Briefe, Tagebucheinträge, Kopfzeilen, Absätze, Seiten- und Zeilenwechsel) und eine TEI-konforme Auszeichnung grundlegender formal-textkritischer Phänomene (Hervorhebungen, Autorkorrekturen, editorische Konjekturen, Unlesbarkeiten, Abkürzungen mit Auflösungen). Abweichungen der zeitgenössische Abschrift vom originalen Autographen wurden bis dato nicht erfasst. Topographische Informationen der Autorkorrekturen wurden erfasst. Einrückungen am Zeilenbeginn und innerhalb von Zeilen wurden nicht wiedergegeben. Horizontale Leerräume wurden nicht genau, sondern als einfache Leerzeilen wiedergegeben. Für bisher 49 der insgesamt 71 Briefe wurden zudem die darin erwähnten inhaltlich-semantischen Entitäten (Personen/Körperschaften, Gruppen, Geografika, Ereignisse und Objekte (z.B. Bücher, Gebäude, Statuen, Karten, Gemälde etc.)) kodiert und unter Nutzung von GND-Verweisen identifiziert. Ein entsprechendes Register finden Sie auf Github, dort sind auch sämtliche Daten der Edition zu diesem Werk publiziert.

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: nicht markiert; Geminations-/Abkürzungsstriche: mnarkiert, expandiert; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht markiert; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: DTABf-getreu; Zeilenumbrüche markiert: ja;




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Zitationshilfe: Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742], S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/geusau_reisetagebuchHeinrichxiReuss_1740/226>, abgerufen am 21.11.2024.