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Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742].

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Discours ist folgendes angemercket worden: 1) der Cardi-
nal Fleuri
hat, ehe er premier Ministre worden, sich
zwar sehr freundschaftlich gegen ihn bezeuget, ihm auch viele
Briefe geschrieben, nach der Zeit aber, ohnerachtet ihm Mont-
faucon
alle seine Bücher geschicket, auch die bibliothecam
Manuscriptorum dediciret, und in die Reliegions-Streitig-
keiten sich gar nicht eingemischet, ihn dennoch gantz abando-
niret. Vor ein paar Jahren bittet Montfaucon vor einen
seiner Verwandten bey ihm eine Gnade aus, erhält aber
zur Antwort: qu'il ne pouvoit rien faire, ayant six mille
autres supplians sur les bras. Darüber wird der alte
Montfaucon unwillig und schreibt ihm einen Brief des
Innhalts: daß, da er nun fast 60 Jahr dem publico
und insbesondere der Frantzösischen Monarchie mit
seinen Schriften ohne Interesse gedienet, er doch wenigstens
damit so viel meritiret zu haben glaubete, ihm unter
denen 6000 Supplicanten ein Plätzgen zu gönnen;
weil er aber allen sechs Tausenden nachstehen solle,
müße er sichs gefallen laßen, und wolle den
Cardinal weiter nicht incommodiren. 2) les monu-
mens de la monarchie francoise
hat er herausgegeben,
um aus denen Original-Quellen dasjenige zu ver-
beßern, was die Frantzösischen Historici hin und
wieder deswegen versehen, weil meistentheils einer
nur dem andern nachgeschrieben. 3.) An der neuen
Collection derer Scriptorum rerum Francicarum
wird in dieser Abtey starck gearbeitet, und wird solche
noch zweymal so starck werden, als die Sammlung
des du Chaiesne, doch hat der Pater Montfaucon vor
seine Person damit nichts zu thun. Aux Tuilleries,
dahin wir uns zur Promenade begaben, machte uns
der Cavalier des Duc de Castro Pignano im Nahmen
seines Herrn eine Entschuldigung, daß derselbe Illmo,
weil ihm dero Quartier unbekant gewesen, noch nicht
die Gegen-Visite gegeben. Die Foule von Menschen
war dismal unglaublich groß, so, daß man sich an
vielen Orten recht durchdrängen muste. Der Beschluß

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Discours ist folgendes angemercket worden: 1) der Cardi-
nal Fleuri
hat, ehe er premier Ministre worden, sich
zwar sehr freundschaftlich gegen ihn bezeuget, ihm auch viele
Briefe geschrieben, nach der Zeit aber, ohnerachtet ihm Mont-
faucon
alle seine Bücher geschicket, auch die bibliothecam
Manuscriptorum dediciret, und in die Reliegions-Streitig-
keiten sich gar nicht eingemischet, ihn dennoch gantz abando-
niret. Vor ein paar Jahren bittet Montfaucon vor einen
seiner Verwandten bey ihm eine Gnade aus, erhält aber
zur Antwort: qu’il ne pouvoit rien faire, ayant six mille
autres supplians sur les bras. Darüber wird der alte
Montfaucon unwillig und schreibt ihm einen Brief des
Innhalts: daß, da er nun fast 60 Jahr dem publico
und insbesondere der Frantzösischen Monarchie mit
seinen Schriften ohne Interesse gedienet, er doch wenigstens
damit so viel meritiret zu haben glaubete, ihm unter
denen 6000 Supplicanten ein Plätzgen zu gönnen;
weil er aber allen sechs Tausenden nachstehen solle,
müße er sichs gefallen laßen, und wolle den
Cardinal weiter nicht incommodiren.   2) les monu-
mens de la monarchie francoise
hat er herausgegeben,
um aus denen Original-Quellen dasjenige zu ver-
beßern, was die Frantzösischen Historici hin und
wieder deswegen versehen, weil meistentheils einer
nur dem andern nachgeschrieben. 3.) An der neuen
Collection derer Scriptorum rerum Francicarum
wird in dieser Abtey starck gearbeitet, und wird solche
noch zweymal so starck werden, als die Sammlung
des du Chaiesne, doch hat der Pater Montfaucon vor
seine Person damit nichts zu thun. Aux Tuilleries,
dahin wir uns zur Promenade begaben, machte uns
der Cavalier des Duc de Castro Pignano im Nahmen
seines Herrn eine Entschuldigung, daß derselbe Illmo,
weil ihm dero Quartier unbekant gewesen, noch nicht
die Gegen-Visite gegeben. Die Foule von Menschen
war dismal unglaublich groß, so, daß man sich an
vielen Orten recht durchdrängen muste. Der Beschluß

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[0224] 105 Discours ist folgendes angemercket worden: 1) der Cardi- nal Fleuri hat, ehe er premier Ministre worden, sich zwar sehr freundschaftlich gegen ihn bezeuget, ihm auch viele Briefe geschrieben, nach der Zeit aber, ohnerachtet ihm Mont- faucon alle seine Bücher geschicket, auch die bibliothecam Manuscriptorum dediciret, und in die Reliegions-Streitig- keiten sich gar nicht eingemischet, ihn dennoch gantz abando- niret. Vor ein paar Jahren bittet Montfaucon vor einen seiner Verwandten bey ihm eine Gnade aus, erhält aber zur Antwort: qu’il ne pouvoit rien faire, ayant six mille autres supplians sur les bras. Darüber wird der alte Montfaucon unwillig und schreibt ihm einen Brief des Innhalts: daß, da er nun fast 60 Jahr dem publico und insbesondere der Frantzösischen Monarchie mit seinen Schriften ohne Interesse gedienet, er doch wenigstens damit so viel meritiret zu haben glaubete, ihm unter denen 6000 Supplicanten ein Plätzgen zu gönnen; weil er aber allen sechs Tausenden nachstehen solle, müße er sichs gefallen laßen, und wolle den Cardinal weiter nicht incommodiren.   2) les monu- mens de la monarchie francoise hat er herausgegeben, um aus denen Original-Quellen dasjenige zu ver- beßern, was die Frantzösischen Historici hin und wieder deswegen versehen, weil meistentheils einer nur dem andern nachgeschrieben. 3.) An der neuen Collection derer Scriptorum rerum Francicarum wird in dieser Abtey starck gearbeitet, und wird solche noch zweymal so starck werden, als die Sammlung des du Chesne, doch hat der P. Montfaucon vor seine Person damit nichts zu thun. Aux Tuilleries, dahin wir uns zur Promenade begaben, machte uns der Cavalier des Duc de Castro Pignano im Nahmen seines Herrn eine Entschuldigung, daß derselbe Illmo, weil ihm dero Quartier unbekant gewesen, noch nicht die Gegen-Visite gegeben. Die Foule von Menschen war dismal unglaublich groß, so, daß man sich an vielen Orten recht durchdrängen muste. Der Beschluß

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Paul Beckus, Marita Gruner, Thomas Grunewald, Sabrina Mögelin, Martin Prell: Herausgeber:innen
Paul Beckus, Marita Gruner, Thomas Grunewald, Sabrina Mögelin, Martin Prell: Bearbeiter:innen
Martin Prell: Datentransformation
Saskia Jungmann, Nikolas Schröder, Andreas Lewen: Mitarbeit
Thüringer Staatskanzlei: Projektförderer
Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena: Bilddigitalisierung von Editionsvorlage und deren Abschrift sowie Bereitstellung der Digitalisate

Weitere Informationen:

Das Endendum der vorliegenden Edition bildet das Tagebuch zur Kavalierstour des pietistischen Grafen Heinrich XI. Reuß zu Obergreiz (1722-1800) durch das Heilige Römische Reich deutscher Nation, Frankreich, die Schweiz, Italien und Österreich in den Jahren 1740–1742. Es besteht aus 443 Tagebucheinträgen auf 784 Seiten, die in 71 Briefen in die Heimat übersandt wurden. Verfasser des Tagebuchs ist der Köstritzer Hofmeister Anton von Geusau (1695–1749). Im Tagebuch bietet dieser nicht nur Einblicke in die international vernetzte Welt des Hochadels, sondern überliefert auch tiefgehende Einblicke in die wirtschaftlichen, sozialen, religiösen und politischen Entwicklungen in den besuchten Ländern. Dies ist vor allem für die im politischen System Europas stattfindenden Veränderungen relevant. So führte der Aufstieg Preußens zur Großmacht zu einer Neuordnung des europäischen Mächtesystems. In die Zeit seiner Kavalierstour fallen beispielsweise der Tod des Römisch-Deutschen Kaisers Karl VI. (1685–1740) und der sich daran anschließende Österreichische Erbfolgekrieg mit seinen Auswirkungen auf das europäische Mächtesystem. Besonders aufschlussreich sind die zahlreichen wiedergegebenen Gespräche zwischen den Reisenden und anderen Adligen, Geistlichen und Gelehrten zumeist katholischer Provenienz. Diese ermöglichen vielfältige Einblicke in die Gedanken- und Vorstellungswelt des Verfassers, seiner Mitreisenden und Gesprächspartner. Hieran werden Kontaktzonen für interkonfessionellen Austausch, aber auch Grenzen des Sag- oder Machbaren deutlich: Heinrich XI. und von Geusau waren pietistisch-fromme Lutheraner, die die auf der Reise gemachten Erfahrungen vor ihrem konfessionellen Erfahrungshintergrund spiegelten, werteten und einordneten

Die Edition wurde zunächst mit Hilfe der virtuellen Forschungsumgebung FuD erstellt, die im Rahmen des Projektes Editionenportal Thüringen an der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena (ThULB) implementiert wurde. Nach Einstellung dieses Infrastrukturprojekts fand eine Transformation des FuD-XML in das DTABf im Rahmen eines FAIR-Data-Stipendiums der NFDI4Memory statt. Die Digitalisierung des originalen Brieftagebuchs und einer zeitgenössischen Abschrift erfolgte über die ThULB. Die vorliegende Edition umfasst eine vorlagennahe und zeilengenaue Umschrift der kurrenten Handschrift in moderne lateinische Buchstaben. Eine gründliche Ersttranskription ist erfolgt; eine abschließende Kollationierung steht noch aus. Die XML-Daten umfassen zum gegenwärtigen Zeitpunkt zudem eine grundständige Strukturkodierung (Briefe, Tagebucheinträge, Kopfzeilen, Absätze, Seiten- und Zeilenwechsel) und eine TEI-konforme Auszeichnung grundlegender formal-textkritischer Phänomene (Hervorhebungen, Autorkorrekturen, editorische Konjekturen, Unlesbarkeiten, Abkürzungen mit Auflösungen). Abweichungen der zeitgenössische Abschrift vom originalen Autographen wurden bis dato nicht erfasst. Topographische Informationen der Autorkorrekturen wurden erfasst. Einrückungen am Zeilenbeginn und innerhalb von Zeilen wurden nicht wiedergegeben. Horizontale Leerräume wurden nicht genau, sondern als einfache Leerzeilen wiedergegeben. Für bisher 49 der insgesamt 71 Briefe wurden zudem die darin erwähnten inhaltlich-semantischen Entitäten (Personen/Körperschaften, Gruppen, Geografika, Ereignisse und Objekte (z.B. Bücher, Gebäude, Statuen, Karten, Gemälde etc.)) kodiert und unter Nutzung von GND-Verweisen identifiziert. Ein entsprechendes Register finden Sie auf Github, dort sind auch sämtliche Daten der Edition zu diesem Werk publiziert.

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: nicht markiert; Geminations-/Abkürzungsstriche: mnarkiert, expandiert; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht markiert; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: DTABf-getreu; Zeilenumbrüche markiert: ja;




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Zitationshilfe: Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742], S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/geusau_reisetagebuchHeinrichxiReuss_1740/224>, abgerufen am 17.09.2024.