Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742].2 Altar dergestalt angebauet, daß der Haupt-Eingang von der Straße die zwey andernEingänge aber aus der Kirche zu iedweder Seite des gedachten Altars hineingehen. Sie ist mit schwartz und bunten Marmor durchaus bekleidet und hat 3. Altäre, deren iedweder in Form eines Sargs zugerichtet, der oberste Plafon von der Kugel aber en fresco gemahlet ist. Es wird darinen täglich Meße gelesen und hat der letzt verstorbene Pabst, be- sage einer vorhandenen Tafel, diesen Ort mit 30 Tägigen Ablaß versehen. 32.) des Fürsten Staats-Wagen mit welchem er bey großen Festen zur Kirche zu fahren pfleget, und den der ietzige Fürst in Wien verfertigen laßen, ist von so extraordi- neirer Größe, daß nicht nur ein eigner Schuppen dazu erbauet werden müßen, sondern auch zu Menagirung deren Häng-Riemen ein starckes höltzernes Gestell unter den Kasten gesetzt ist, auf welchen derselbe ruhet. Der auswendige gantze Kasten nebst dem Gestelle und Rädern bestehet aus der allerfeinsten und mühsamsten Glantz ver- goldeten Schnitz-Arbeit und ist so gar der Himmel, deßen Fond von rothem Leder ist, mit eben dergleichen Schnitz-Werck überzogen. Der inwendige Ausschlag ist von geblümten rothen Sammet mit Gold gestickt und die Fenster von Venetianischen Glase, deren eines auch die gantze Rück-Wand ausmachet, sind mit dTrup dornen Vorhängen versehen. Das Singulärste ist, daß die Axen am Wagen, mittelst gewißer höltzerner vorgeschraub- ter und zierlich geschnitzten Capsel vollkommen bedeckt, folglich im geringsten nicht zu sehen sind. Der gantze Wagen scheinet nach einem Römisch Gusto gemacht zu seyn. Dieses kleine Städtgen gehöret dem General Graf von Castell, denen 2 Grafen Im Post-Hause war das Portrait des ehemaligen Kayserlichen Residenten und nachmaligen Erbach vom 21 - 28 September In dem kleinen und mit Berg und Wald eingefaßten Thale liegen die 3 Erbachischen 2 Altar dergestalt angebauet, daß der Haupt-Eingang von der Straße die zwey andernEingänge aber aus der Kirche zu iedweder Seite des gedachten Altars hineingehen. Sie ist mit schwartz und bunten Marmor durchaus bekleidet und hat 3. Altäre, deren iedweder in Form eines Sargs zugerichtet, der oberste Plafon von der Kugel aber en fresco gemahlet ist. Es wird darinen täglich Meße gelesen und hat der letzt verstorbene Pabst, be- sage einer vorhandenen Tafel, diesen Ort mit 30 Tägigen Ablaß versehen. 32.) des Fürsten Staats-Wagen mit welchem er bey großen Festen zur Kirche zu fahren pfleget, und den der ietzige Fürst in Wien verfertigen laßen, ist von so extraordi- neirer Größe, daß nicht nur ein eigner Schuppen dazu erbauet werden müßen, sondern auch zu Menagirung deren Häng-Riemen ein starckes höltzernes Gestell unter den Kasten gesetzt ist, auf welchen derselbe ruhet. Der auswendige gantze Kasten nebst dem Gestelle und Rädern bestehet aus der allerfeinsten und mühsamsten Glantz ver- goldeten Schnitz-Arbeit und ist so gar der Himmel, deßen Fond von rothem Leder ist, mit eben dergleichen Schnitz-Werck überzogen. Der inwendige Ausschlag ist von geblümten rothen Sammet mit Gold gestickt und die Fenster von Venetianischen Glase, deren eines auch die gantze Rück-Wand ausmachet, sind mit dTrup dornen Vorhängen versehen. Das Singulärste ist, daß die Axen am Wagen, mittelst gewißer höltzerner vorgeschraub- ter und zierlich geschnitzten Capsel vollkommen bedeckt, folglich im geringsten nicht zu sehen sind. Der gantze Wagen scheinet nach einem Römisch Gusto gemacht zu seyn. Dieses kleine Städtgen gehöret dem General Graf von Castell, denen 2 Grafen Im Post-Hause war das Portrait des ehemaligen Kayserlichen Residenten und nachmaligen Erbach vom 21 – 28 September In dem kleinen und mit Berg und Wald eingefaßten Thale liegen die 3 Erbachischen <TEI> <text> <body> <div type="letter"> <div type="diaryEntry"> <p><pb facs="#f0014"/><fw type="folNum" place="top">2</fw><lb/> Altar dergestalt angebauet, daß der Haupt-Eingang von der Straße die zwey andern<lb/> Eingänge aber aus der Kirche zu iedweder Seite des gedachten Altars hineingehen. Sie<lb/> ist mit schwartz <choice><abbr>u.</abbr><expan>und</expan></choice> bunten Marmor durchaus bekleidet <choice><abbr>u.</abbr><expan>und</expan></choice> hat 3. 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Altar dergestalt angebauet, daß der Haupt-Eingang von der Straße die zwey andern
Eingänge aber aus der Kirche zu iedweder Seite des gedachten Altars hineingehen. Sie
ist mit schwartz u. bunten Marmor durchaus bekleidet u. hat 3. Altäre, deren iedweder
in Form eines Sargs zugerichtet, der oberste Plafon von der Kugel aber en fresco
gemahlet ist. Es wird darinen tägl: Meße gelesen u hat der letzt verstorbene Pabst, be-
sage einer vorhandenen Tafel, diesen Ort mit 30 Tägigen Ablaß versehen. 2.) des
Fürsten Staats-Wagen mit welchem er bey großen Festen zur Kirche zu fahren
pfleget, u. den der ietzige Fürst in Wien verfertigen laßen, ist von so extraordi-
neirer Größe, daß nicht nur ein eigner Schuppen dazu erbauet werden müßen, sondern
auch zu Menagirung deren Häng-Riemen ein starckes höltzernes Gestell unter den
Kasten gesetzt ist, auf welchen derselbe ruhet. Der auswendige gantze Kasten nebst
dem Gestelle u. Rädern bestehet aus der allerfeinsten u. mühsamsten Glantz ver-
goldeten Schnitz-Arbeit u. ist so gar der Himmel, deßen Fond von rothem Leder ist, mit
eben dergl. Schnitz-Werck überzogen. Der inwendige Ausschlag ist von geblümten rothen
Sammet mit Gold gestickt u. die Fenster von Venetianischen Glase, deren eines
auch die gantze Rück-Wand ausmachet, sind mit Trup dornen Vorhängen versehen.
Das Singulärste ist, daß die Axen am Wagen, mittelst gewißer höltzerner vorgeschraub-
ter u. zierlich geschnitzten Capsel vollkommen bedeckt, folgl: im geringsten nicht
zu sehen sind. Der gantze Wagen scheinet nach einem Römisch Gusto gemacht zu
seyn.
Remlingen d. 20 Sept:
Dieses kleine Städtgen gehöret dem General Graf von Castell, denen 2 Grafen
u. Fürsten von Wertheim dergestalt pro indiuiso, daß, obgleich die Einkünfte nach
einer gewißen Proportion getheilet werden, u. der Graf von Castell davon die
Helfte hat, die Unterthanen dennoch ungetheilet u allen 4 Herren einem wie dem
andern in Justiz-Sachen unterworffen sind, von welcher beschaffenheit die Post-
meisterin dieses als einen Effect anführte, daß sie über eine gewiße Erbschaft
bereits 24 Jahre Process geführet hätte.
Muldenberg d: 20 ejusd.
Im Post-Hause war das Portrait des ehemaligen Kaysl: Residenten u. nachmaligen
Ambassadeur zu Constantinopel Fleischmanns, zu bemercken, welcher aus diesem
schlechten Maintzischen Städtgen gebürtig u. der Postmeister seiner Schwester-Sohn
gewesen.
Erbach vom 21 – 28 Sept:
In dem kleinen u. mit Berg u. Wald eingefaßten Thale liegen die 3 Erbachl:
Orte: Erbach, Michelstadt u. Fürstenau, u. ist daran weiter nichts merckwürdig,
als das bekante Alterthum von Michelstadt, woselbst die gemeinschaftl: Erbachsche
Regierung sich befindet, die Reichs- u. Creiß-Sachen aber sind davon separiret und
werden durch den gemeinschaftl: geheimbden Rath Wilhelm Friedrich v. Pistorius privative
besorget, welcher durch verschiedene Schriften bekant ist. Der ebenfals zu Michel-
stadt wohnende gemeinschaftl. Superintendens Joh. Daniel Schneider ist durch das
theatrum Europeum u. viele andere Schriften bekant genug, besonders auch durch die
Erbachl: Historie, wiewol Pistorii Bericht nach, viele grobe Fehler in dieser letzteren
sich finden sollen. Unter denen 3. Brüdern der Fürstenauischen Linie, davon die
2 Jüngste eine Fraulein von Speßert zur Mutter haben, ist wegen des iuris pri-
mogeniturae ein Process zu Wien anhängig, u. wird der älteste von dem gantzen
Hause secundiret, hauptsächlich aus dem Grunde der Unmögligkeit. Der H. Graf von Schön-
berg, welcher zur Hirsch-Brunst nach Erbach kam, ist ein Liebhaber der Studien
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Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena: Bilddigitalisierung von Editionsvorlage und deren Abschrift sowie Bereitstellung der Digitalisate
Weitere Informationen:Das Endendum der vorliegenden Edition bildet das Tagebuch zur Kavalierstour des pietistischen Grafen Heinrich XI. Reuß zu Obergreiz (1722-1800) durch das Heilige Römische Reich deutscher Nation, Frankreich, die Schweiz, Italien und Österreich in den Jahren 1740–1742. Es besteht aus 443 Tagebucheinträgen auf 784 Seiten, die in 71 Briefen in die Heimat übersandt wurden. Verfasser des Tagebuchs ist der Köstritzer Hofmeister Anton von Geusau (1695–1749). Im Tagebuch bietet dieser nicht nur Einblicke in die international vernetzte Welt des Hochadels, sondern überliefert auch tiefgehende Einblicke in die wirtschaftlichen, sozialen, religiösen und politischen Entwicklungen in den besuchten Ländern. Dies ist vor allem für die im politischen System Europas stattfindenden Veränderungen relevant. So führte der Aufstieg Preußens zur Großmacht zu einer Neuordnung des europäischen Mächtesystems. In die Zeit seiner Kavalierstour fallen beispielsweise der Tod des Römisch-Deutschen Kaisers Karl VI. (1685–1740) und der sich daran anschließende Österreichische Erbfolgekrieg mit seinen Auswirkungen auf das europäische Mächtesystem. Besonders aufschlussreich sind die zahlreichen wiedergegebenen Gespräche zwischen den Reisenden und anderen Adligen, Geistlichen und Gelehrten zumeist katholischer Provenienz. Diese ermöglichen vielfältige Einblicke in die Gedanken- und Vorstellungswelt des Verfassers, seiner Mitreisenden und Gesprächspartner. Hieran werden Kontaktzonen für interkonfessionellen Austausch, aber auch Grenzen des Sag- oder Machbaren deutlich: Heinrich XI. und von Geusau waren pietistisch-fromme Lutheraner, die die auf der Reise gemachten Erfahrungen vor ihrem konfessionellen Erfahrungshintergrund spiegelten, werteten und einordneten Die Edition wurde zunächst mit Hilfe der virtuellen Forschungsumgebung FuD erstellt, die im Rahmen des Projektes Editionenportal Thüringen an der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena (ThULB) implementiert wurde. Nach Einstellung dieses Infrastrukturprojekts fand eine Transformation des FuD-XML in das DTABf im Rahmen eines FAIR-Data-Stipendiums der NFDI4Memory statt. Die Digitalisierung des originalen Brieftagebuchs und einer zeitgenössischen Abschrift erfolgte über die ThULB. Die vorliegende Edition umfasst eine vorlagennahe und zeilengenaue Umschrift der kurrenten Handschrift in moderne lateinische Buchstaben. Eine gründliche Ersttranskription ist erfolgt; eine abschließende Kollationierung steht noch aus. Die XML-Daten umfassen zum gegenwärtigen Zeitpunkt zudem eine grundständige Strukturkodierung (Briefe, Tagebucheinträge, Kopfzeilen, Absätze, Seiten- und Zeilenwechsel) und eine TEI-konforme Auszeichnung grundlegender formal-textkritischer Phänomene (Hervorhebungen, Autorkorrekturen, editorische Konjekturen, Unlesbarkeiten, Abkürzungen mit Auflösungen). Abweichungen der zeitgenössische Abschrift vom originalen Autographen wurden bis dato nicht erfasst. Topographische Informationen der Autorkorrekturen wurden erfasst. Einrückungen am Zeilenbeginn und innerhalb von Zeilen wurden nicht wiedergegeben. Horizontale Leerräume wurden nicht genau, sondern als einfache Leerzeilen wiedergegeben. Für bisher 49 der insgesamt 71 Briefe wurden zudem die darin erwähnten inhaltlich-semantischen Entitäten (Personen/Körperschaften, Gruppen, Geografika, Ereignisse und Objekte (z.B. Bücher, Gebäude, Statuen, Karten, Gemälde etc.)) kodiert und unter Nutzung von GND-Verweisen identifiziert. Ein entsprechendes Register finden Sie auf Github, dort sind auch sämtliche Daten der Edition zu diesem Werk publiziert. Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: nicht markiert; Geminations-/Abkürzungsstriche: mnarkiert, expandiert; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht markiert; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: DTABf-getreu; Zeilenumbrüche markiert: ja;
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