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Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742].

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Nummer 16
Den 22 Januar

Auf Verlangen des Printzen von Schwartzburg fuhren wir mit demselben in die
Schwedische Kirche, und hörten daselbst von dem alten Medenio eine Predigt
von der Natur und Cur des geistlichen Aussatzes, da er denn die Natur des leiblichen
Aussatzes nach allem Umständen dermaßen genau vorstellete, und mit andern
eckelhaften Kranckheiten so sorgfältig erläuterte; daß bey einem delicaten
Zuhörer diese Abhandlung gar leicht den Effect eines Brech-Pulvers hätte
und Cur des geistlichen Aussatzes blieb der gute Mann gröstentheils schuldig,
und war also das Compliment, welches er nach der Kirche dem Schwartzburgischen
Reise-Prediger
machte: Sie werden eine schlechte Predigt gehöret haben,
allerdings eine theure Wahrheit. Der Schwedische Minister Herr von Flemming
entretenirte uns nach geendigtem Gottes-Dienst noch eine kleine Weile, und
wir erfuhren bey der Retour in unser Quartier, daß der Graf Schönfeld, Herr
von Zech
und Herr von Uffel zur Visite bey uns gewesen. Gegen Abend gerieth
ein Haus in unsrer Gaße in volle Flammen, welches auch danieder brannte.
Die Feuers-Brünste sind hier ziemlich frequent, wie denn nur vorige
Woche in der rue Sankt Honore dergleichen des Nachts in einem Hause und zwar
durch einen Mahler, welcher bey Licht im Bette gelesen, ausgekommen, wobey
er selbst nebst noch 6 andern Personen das Leben eingebüßt. Die Feuers-
Anstalten sind sonst in dieser großen Stadt ziemlich gut, und müßen
der Premier President au Parlament, der Prevot des Marchands, der
Lieutenant de police, des Guet a pied und a cheval, desgleichen etliche
Compagnien von der Frantzösischen und Schweitzer Garde zu Fuß, sich so ge-
schwind bey dem Feuer einfinden, als es die Entlegenheit derer Orte es
nur immer zuläßt; zum eigentlichen Löschen aber sind die hiesigen
Mönche deren 4 Bettel-Orden obligiret, welche ihre Kutten gantz be-
hende aufschürtzen, und die bey dem müßigen Bettel-Leben gesammlete
Kräfte bey solcher Gelegenheit zum Besten des Publici nützlich anwenden
müßen. Zu denen Spritzen sind besondre Leute, welche lederne forne
mit Meßing beschlagene Sturm-Hauben auf denen Köpfen haben, be-
stellet. Wo man das Waßer aus der Seine, vermittelst derer Pumpen
und ledernen Schläuche nicht füglich hinbringen kan, da ist ein ieglicher
Hauswirth in der Straße obligiret, aus seinem Brunnen oder Cisterne
so viel Waßer auf die Gaße zu gießen als nur immer möglich,
welches Waßer denn aufgegaltn durch einen an dem niedrigen
Ende der Gaße formirten Damm aufgehalten, und sowol zu denen
Sprützen, als Feuer-Eimern gebraucht wird. Über dieses ist es hier ein
Vortheil, daß die allermeisten Häuser von Quader-Stücken, inwendig
aber durchgängig mit Eichen-Holtz ausgebauet sind, welcher doppelte
Umstand verursachet, daß [unleserliches Material]selben oder fast niemalen mehr, als
ein Haus zu Grunde gehet. Abends spät besuchte Illustrissimum noch
der Marquis de Montbrun.

61
Nummer 16
Den 22 Januar

Auf Verlangen des Printzen von Schwartzburg fuhren wir mit demselben in die
Schwedische Kirche, und hörten daselbst von dem alten Medenio eine Predigt
von der Natur und Cur des geistlichen Aussatzes, da er denn die Natur des leiblichen
Aussatzes nach allem Umständen dermaßen genau vorstellete, und mit andern
eckelhaften Kranckheiten so sorgfältig erläuterte; daß bey einem delicaten
Zuhörer diese Abhandlung gar leicht den Effect eines Brech-Pulvers hätte
und Cur des geistlichen Aussatzes blieb der gute Mann gröstentheils schuldig,
und war also das Compliment, welches er nach der Kirche dem Schwartzburgischen
Reise-Prediger
machte: Sie werden eine schlechte Predigt gehöret haben,
allerdings eine theure Wahrheit. Der Schwedische Minister Herr von Flemming
entretenirte uns nach geendigtem Gottes-Dienst noch eine kleine Weile, und
wir erfuhren bey der Retour in unser Quartier, daß der Graf Schönfeld, Herr
von Zech
und Herr von Uffel zur Visite bey uns gewesen. Gegen Abend gerieth
ein Haus in unsrer Gaße in volle Flammen, welches auch danieder brannte.
Die Feuers-Brünste sind hier ziemlich frequent, wie denn nur vorige
Woche in der rue Sankt Honoré dergleichen des Nachts in einem Hause und zwar
durch einen Mahler, welcher bey Licht im Bette gelesen, ausgekommen, wobey
er selbst nebst noch 6 andern Personen das Leben eingebüßt. Die Feuers-
Anstalten sind sonst in dieser großen Stadt ziemlich gut, und müßen
der Premier President au Parlament, der Prevôt des Marchands, der
Lieutenant de police, des Guet à pied und à cheval, desgleichen etliche
Compagnien von der Frantzösischen und Schweitzer Garde zu Fuß, sich so ge-
schwind bey dem Feuer einfinden, als es die Entlegenheit derer Orte es
nur immer zuläßt; zum eigentlichen Löschen aber sind die hiesigen
Mönche deren 4 Bettel-Orden obligiret, welche ihre Kutten gantz be-
hende aufschürtzen, und die bey dem müßigen Bettel-Leben gesammlete
Kräfte bey solcher Gelegenheit zum Besten des Publici nützlich anwenden
müßen. Zu denen Spritzen sind besondre Leute, welche lederne forne
mit Meßing beschlagene Sturm-Hauben auf denen Köpfen haben, be-
stellet. Wo man das Waßer aus der Seine, vermittelst derer Pumpen
und ledernen Schläuche nicht füglich hinbringen kan, da ist ein ieglicher
Hauswirth in der Straße obligiret, aus seinem Brunnen oder Cisterne
so viel Waßer auf die Gaße zu gießen als nur immer möglich,
welches Waßer denn aufgegaltn durch einen an dem niedrigen
Ende der Gaße formirten Damm aufgehalten, und sowol zu denen
Sprützen, als Feuer-Eimern gebraucht wird. Über dieses ist es hier ein
Vortheil, daß die allermeisten Häuser von Quader-Stücken, inwendig
aber durchgängig mit Eichen-Holtz ausgebauet sind, welcher doppelte
Umstand verursachet, daß [unleserliches Material]selben oder fast niemalen mehr, als
ein Haus zu Grunde gehet. Abends spät besuchte Illustrissimum noch
der Marquis de Montbrun.

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[0132] 61 No 16 Den 22 Jan: Auf Verlangen des Printzen von Schwartzburg fuhren wir mit demselben in die Schwedische Kirche, und hörten daselbst von dem alten Medenio eine Predigt von der Natur und Cur des geistl: Aussatzes, da er denn die Natur des leiblichen Aussatzes nach allem Umständen dermaßen genau vorstellete, und mit andern eckelhaften Kranckheiten so sorgfältig erläuterte; daß bey einem delicaten Zuhörer diese Abhandlung gar leicht den Effect eines Brech-Pulvers hätte und Cur des geistlichen Aussatzes blieb der gute Mann gröstentheils schuldig, und war also das Compliment, welches er nach der Kirche dem Schwartburgl: Reise-Prediger machte: Sie werden eine schlechte Predigt gehöret haben, allerdings eine theure Wahrheit. Der Schwedl: Minister Hl: von Flemming entretenirte uns nach geendigtem Gottes-Dienst noch eine kleine Weile, und wir erfuhren bey der Retour in unser Quartier, daß der Graf Schönfeld, Hl v. Zech u. H: v. Uffel zur Visite bey uns gewesen. Gegen Abend gerieth ein Haus in unsrer Gaße in volle Flammen, welches auch danieder brannte. Die Feuers-Brünste sind hier zieml: frequent, wie denn nur vorige Woche in der rue St: Honoré dergl: des Nachts in einem Hause und zwar durch einen Mahler, welcher bey Licht im Bette gelesen, ausgekommen, wobey er selbst nebst noch 6 andern Personen das Leben eingebüßt. Die Feuers- Anstalten sind sonst in dieser großen Stadt ziemlich gut, und müßen der Premier President au Parlament, der Prevôt des Marchands, der Lieutenant de police, des Guet à pied und à cheval, desgleichen etliche Compagnien von der Frantzöl: und Schweitzer Garde zu Fuß, sich so ge- schwind bey dem Feuer einfinden, als die Entlegenheit derer Orte es nur immer zuläßt; zum eigentlichen Löschen aber sind die hiesigen Mönche deren 4 Bettel-Orden obligiret, welche ihre Kutten gantz be- hende aufschürtzen, und die bey dem müßigen Bettel-Leben gesammlete Kräfte bey solcher Gelegenheit zum Besten des Publici nützlich anwenden müßen. Zu denen Spritzen sind besondre Leute, welche lederne forne mit Meßing beschlagene Sturm-Hauben auf denen Köpfen haben, be- stellet. Wo man das Waßer aus der Seine, vermittelst derer Pumpen und ledernen Schläuche nicht füglich hinbringen kan, da ist ein ieglicher Hauswirth in der Straße obligiret, aus seinem Brunnen oder Cisterne so viel Waßer auf die Gaße zu gießen als nur immer möglich, welches Waßer denn durch einen an dem niedrigen Ende der Gaße formirten Damm aufgehalten, und sowol zu denen Sprützen, als Feuer-Eimern gebraucht wird. Über dieses ist es hier ein Vortheil, daß die allermeisten Häuser von Quader-Stücken, inwendig aber durchgängig mit Eichen-Holtz ausgebauet sind, welcher doppelte Umstand verursachet, daß selben oder fast niemalen mehr, als ein Haus zu Grunde gehet. Abends spät besuchte Illmum noch der Marquis de Montbrun.

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Paul Beckus, Marita Gruner, Thomas Grunewald, Sabrina Mögelin, Martin Prell: Herausgeber:innen
Paul Beckus, Marita Gruner, Thomas Grunewald, Sabrina Mögelin, Martin Prell: Bearbeiter:innen
Martin Prell: Datentransformation
Saskia Jungmann, Nikolas Schröder, Andreas Lewen: Mitarbeit
Thüringer Staatskanzlei: Projektförderer
Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena: Bilddigitalisierung von Editionsvorlage und deren Abschrift sowie Bereitstellung der Digitalisate

Weitere Informationen:

Das Endendum der vorliegenden Edition bildet das Tagebuch zur Kavalierstour des pietistischen Grafen Heinrich XI. Reuß zu Obergreiz (1722-1800) durch das Heilige Römische Reich deutscher Nation, Frankreich, die Schweiz, Italien und Österreich in den Jahren 1740–1742. Es besteht aus 443 Tagebucheinträgen auf 784 Seiten, die in 71 Briefen in die Heimat übersandt wurden. Verfasser des Tagebuchs ist der Köstritzer Hofmeister Anton von Geusau (1695–1749). Im Tagebuch bietet dieser nicht nur Einblicke in die international vernetzte Welt des Hochadels, sondern überliefert auch tiefgehende Einblicke in die wirtschaftlichen, sozialen, religiösen und politischen Entwicklungen in den besuchten Ländern. Dies ist vor allem für die im politischen System Europas stattfindenden Veränderungen relevant. So führte der Aufstieg Preußens zur Großmacht zu einer Neuordnung des europäischen Mächtesystems. In die Zeit seiner Kavalierstour fallen beispielsweise der Tod des Römisch-Deutschen Kaisers Karl VI. (1685–1740) und der sich daran anschließende Österreichische Erbfolgekrieg mit seinen Auswirkungen auf das europäische Mächtesystem. Besonders aufschlussreich sind die zahlreichen wiedergegebenen Gespräche zwischen den Reisenden und anderen Adligen, Geistlichen und Gelehrten zumeist katholischer Provenienz. Diese ermöglichen vielfältige Einblicke in die Gedanken- und Vorstellungswelt des Verfassers, seiner Mitreisenden und Gesprächspartner. Hieran werden Kontaktzonen für interkonfessionellen Austausch, aber auch Grenzen des Sag- oder Machbaren deutlich: Heinrich XI. und von Geusau waren pietistisch-fromme Lutheraner, die die auf der Reise gemachten Erfahrungen vor ihrem konfessionellen Erfahrungshintergrund spiegelten, werteten und einordneten

Die Edition wurde zunächst mit Hilfe der virtuellen Forschungsumgebung FuD erstellt, die im Rahmen des Projektes Editionenportal Thüringen an der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena (ThULB) implementiert wurde. Nach Einstellung dieses Infrastrukturprojekts fand eine Transformation des FuD-XML in das DTABf im Rahmen eines FAIR-Data-Stipendiums der NFDI4Memory statt. Die Digitalisierung des originalen Brieftagebuchs und einer zeitgenössischen Abschrift erfolgte über die ThULB. Die vorliegende Edition umfasst eine vorlagennahe und zeilengenaue Umschrift der kurrenten Handschrift in moderne lateinische Buchstaben. Eine gründliche Ersttranskription ist erfolgt; eine abschließende Kollationierung steht noch aus. Die XML-Daten umfassen zum gegenwärtigen Zeitpunkt zudem eine grundständige Strukturkodierung (Briefe, Tagebucheinträge, Kopfzeilen, Absätze, Seiten- und Zeilenwechsel) und eine TEI-konforme Auszeichnung grundlegender formal-textkritischer Phänomene (Hervorhebungen, Autorkorrekturen, editorische Konjekturen, Unlesbarkeiten, Abkürzungen mit Auflösungen). Abweichungen der zeitgenössische Abschrift vom originalen Autographen wurden bis dato nicht erfasst. Topographische Informationen der Autorkorrekturen wurden erfasst. Einrückungen am Zeilenbeginn und innerhalb von Zeilen wurden nicht wiedergegeben. Horizontale Leerräume wurden nicht genau, sondern als einfache Leerzeilen wiedergegeben. Für bisher 49 der insgesamt 71 Briefe wurden zudem die darin erwähnten inhaltlich-semantischen Entitäten (Personen/Körperschaften, Gruppen, Geografika, Ereignisse und Objekte (z.B. Bücher, Gebäude, Statuen, Karten, Gemälde etc.)) kodiert und unter Nutzung von GND-Verweisen identifiziert. Ein entsprechendes Register finden Sie auf Github, dort sind auch sämtliche Daten der Edition zu diesem Werk publiziert.

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: nicht markiert; Geminations-/Abkürzungsstriche: mnarkiert, expandiert; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht markiert; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: DTABf-getreu; Zeilenumbrüche markiert: ja;




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Zitationshilfe: Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742], S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/geusau_reisetagebuchHeinrichxiReuss_1740/132>, abgerufen am 21.11.2024.