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[Gessner, Christian Friedrich]: Der so nöthig als nützlichen Buchdruckerkunst und Schriftgießerey. Bd. 2. Leipzig, 1740.

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Cap. 2. Von Erfindung
"Stadt Rom ihre Kriegshelden besungen hätten, so
"würden sie auch damals bereits den Gebrauch der
"Buchstaben gehabt, und diese Lieder aufgeschrieben
"haben. Der Kirchenscribente Socrates, und ei-
"nige andere: gäben zwar den Bischof Ulphilas vor
"den ersten Erfinder an; Alleine dieses wäre nicht an
"dem, sondern durch den Ulphilas wären die Go-
"thischen Buchstaben nur erst den Römern bekannt
"worden, nachdem er eine Ubersetzung der Bibel in
dieser Sprache verfertiget hätte." Und diese Muth-
massung hat auch, so viel ich einsehen kan, ihren gu-
ten Grund. Wären diese Buchstaben nicht schon
vorhero bekannt gewesen, so würde sich Ulphilas wohl
nimmermehr gewagt haben; so gleich eine Bibel mit
seinen erfundenen Buchstaben zu schreiben.

Nachdem ich nun einige alte Alphabete meinen Le-
sern vor Augen geleget: So will ich auch einige Latei-
nische Alphabete der mittleren Zeiten beyfügen, weil
selbige nicht nur Buchdruckern, sondern auch den Ge-
lehrten sehr nützlich sind, wenn sie Diplomata, und
andere alte Handschriften lesen wollen. Man muß
sich wundern, wie die Buchstaben verändert worden.
Damit ich redlich handle, so will ich gleich sagen, wo
ich meine Weißheit her habe. Jch habe nemlich sel-
bige dem gelehrten Herrn Baring zu dancken, aus
dessen Claue Diplomatica ich auf meiner Tab. XXVI.
folgende Alphabete abstechen lassen:

I. Alphabetum ex libris Dialogorum & Homi-
liarum diui Gregorii.
Dieses Alphabet hat Herr Baring aus des berühm-
ten Herrn Schannats Vindemiis Litterat. p, 228.
genommen. Damit man auch sehen kan, wie leicht gantze
Wör-

Cap. 2. Von Erfindung
„Stadt Rom ihre Kriegshelden beſungen haͤtten, ſo
„wuͤrden ſie auch damals bereits den Gebrauch der
„Buchſtaben gehabt, und dieſe Lieder aufgeſchrieben
„haben. Der Kirchenſcribente Socrates, und ei-
„nige andere: gaͤben zwar den Biſchof Ulphilas vor
„den erſten Erfinder an; Alleine dieſes waͤre nicht an
„dem, ſondern durch den Ulphilas waͤren die Go-
„thiſchen Buchſtaben nur erſt den Roͤmern bekannt
„worden, nachdem er eine Uberſetzung der Bibel in
dieſer Sprache verfertiget haͤtte.‟ Und dieſe Muth-
maſſung hat auch, ſo viel ich einſehen kan, ihren gu-
ten Grund. Waͤren dieſe Buchſtaben nicht ſchon
vorhero bekannt geweſen, ſo wuͤrde ſich Ulphilas wohl
nimmermehr gewagt haben; ſo gleich eine Bibel mit
ſeinen erfundenen Buchſtaben zu ſchreiben.

Nachdem ich nun einige alte Alphabete meinen Le-
ſern vor Augen geleget: So will ich auch einige Latei-
niſche Alphabete der mittleren Zeiten beyfuͤgen, weil
ſelbige nicht nur Buchdruckern, ſondern auch den Ge-
lehrten ſehr nuͤtzlich ſind, wenn ſie Diplomata, und
andere alte Handſchriften leſen wollen. Man muß
ſich wundern, wie die Buchſtaben veraͤndert worden.
Damit ich redlich handle, ſo will ich gleich ſagen, wo
ich meine Weißheit her habe. Jch habe nemlich ſel-
bige dem gelehrten Herrn Baring zu dancken, aus
deſſen Claue Diplomatica ich auf meiner Tab. XXVI.
folgende Alphabete abſtechen laſſen:

I. Alphabetum ex libris Dialogorum & Homi-
liarum diui Gregorii.
Dieſes Alphabet hat Herr Baring aus des beruͤhm-
ten Herrn Schannats Vindemiis Litterat. p, 228.
genommen. Damit man auch ſehen kan, wie leicht gantze
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[162/0243] Cap. 2. Von Erfindung „Stadt Rom ihre Kriegshelden beſungen haͤtten, ſo „wuͤrden ſie auch damals bereits den Gebrauch der „Buchſtaben gehabt, und dieſe Lieder aufgeſchrieben „haben. Der Kirchenſcribente Socrates, und ei- „nige andere: gaͤben zwar den Biſchof Ulphilas vor „den erſten Erfinder an; Alleine dieſes waͤre nicht an „dem, ſondern durch den Ulphilas waͤren die Go- „thiſchen Buchſtaben nur erſt den Roͤmern bekannt „worden, nachdem er eine Uberſetzung der Bibel in dieſer Sprache verfertiget haͤtte.‟ Und dieſe Muth- maſſung hat auch, ſo viel ich einſehen kan, ihren gu- ten Grund. Waͤren dieſe Buchſtaben nicht ſchon vorhero bekannt geweſen, ſo wuͤrde ſich Ulphilas wohl nimmermehr gewagt haben; ſo gleich eine Bibel mit ſeinen erfundenen Buchſtaben zu ſchreiben. Nachdem ich nun einige alte Alphabete meinen Le- ſern vor Augen geleget: So will ich auch einige Latei- niſche Alphabete der mittleren Zeiten beyfuͤgen, weil ſelbige nicht nur Buchdruckern, ſondern auch den Ge- lehrten ſehr nuͤtzlich ſind, wenn ſie Diplomata, und andere alte Handſchriften leſen wollen. Man muß ſich wundern, wie die Buchſtaben veraͤndert worden. Damit ich redlich handle, ſo will ich gleich ſagen, wo ich meine Weißheit her habe. Jch habe nemlich ſel- bige dem gelehrten Herrn Baring zu dancken, aus deſſen Claue Diplomatica ich auf meiner Tab. XXVI. folgende Alphabete abſtechen laſſen: I. Alphabetum ex libris Dialogorum & Homi- liarum diui Gregorii. Dieſes Alphabet hat Herr Baring aus des beruͤhm- ten Herrn Schannats Vindemiis Litterat. p, 228. genommen. Damit man auch ſehen kan, wie leicht gantze Woͤr-

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Zitationshilfe: [Gessner, Christian Friedrich]: Der so nöthig als nützlichen Buchdruckerkunst und Schriftgießerey. Bd. 2. Leipzig, 1740, S. 162. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gessner_buchdruckerkunst02_1740/243>, abgerufen am 19.05.2024.