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[Gessner, Christian Friedrich]: Die so nöthig als nützliche Buchdruckerkunst und Schriftgießerey. Bd. 1. Leipzig, 1740.

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Von der Rechtschreibung.
hen: Sondern man will ihm auch unstreitige Eigen-
thümer rauben; die es wegen der Analogie mit der
Plattdeutschen oder Niedersächsischen Sprache besitzen
muß. Dahin gehört, das Thun, die That, die Endi-
gungssylbe thum; der Muth, der Rath, das Thor, das
Thier, die Thüre, der Thum, der Thor und die Noth,
und viele andre, die augenscheinlich das th deswegen ha-
ben, weil sie im Plattdeutschen ein D haben, und also
nicht so hart, sondern etwas sanfter und milder, als das
T ausgesprochen werden sollen: wie auch in sehr vielen
Provinzen Deutschlandes wirklich geschieht.

Das Tz anlangend, so ist dessen Klage nicht weni-
ger erheblich. Man will ihm alle die Wörter rauben,
wo nicht ein kurzer Vocal vorhergeht. Denn man ent-
zieht ihm nicht nur diejenigen, da ein stummer Buchsta-
be vor ihm steht, als Salz, Glanz, Herz, u. s. w. son-
dern man will ihm auch diejenigen abdringen, wo ein
Doppellaut, oder sonst ein langer Vocal vorhergeht, als
Weizen, schneuzen, u. d. g. Andrer gar zu heftigen
Feinde zugeschweigen, die es gar durchgehends ausmu-
stern wollen; und wohl gar in Katzen, Gesetzen, Spi-
tzen und stutzen ausmustern wollen: wo es doch, ein dop-
peltes z vorzustellen, unumgänglich von nöthen ist.

Hierauf schwieg das Oo, und das Y räusperte
sich den Beschluß zu machen.

Jch bin der letzte Kläger, verständigste Richterin-
nen, ob mich wohl viele aus der Zahl der Zwillinge aus-
schliessen wollen. Man ist gar zu tyrannisch auf mich er-
zürnet. Jch soll nicht nur in der Mitte, sondern gar am
Ende der Wörter verbannet werden, indem einige, bei,
sei, frei, drei, zwei,
u. s. w. schreiben wollen. Wie heß-
lich dieses aber ins Auge fällt, mögen meine Wiedersa-
cher selbst richten: ich kan mich wenigstens auf keine bes-

sere
F 5

Von der Rechtſchreibung.
hen: Sondern man will ihm auch unſtreitige Eigen-
thuͤmer rauben; die es wegen der Analogie mit der
Plattdeutſchen oder Niederſaͤchſiſchen Sprache beſitzen
muß. Dahin gehoͤrt, das Thun, die That, die Endi-
gungsſylbe thum; der Muth, der Rath, das Thor, das
Thier, die Thuͤre, der Thum, der Thor und die Noth,
und viele andre, die augenſcheinlich das th deswegen ha-
ben, weil ſie im Plattdeutſchen ein D haben, und alſo
nicht ſo hart, ſondern etwas ſanfter und milder, als das
T ausgeſprochen werden ſollen: wie auch in ſehr vielen
Provinzen Deutſchlandes wirklich geſchieht.

Das Tz anlangend, ſo iſt deſſen Klage nicht weni-
ger erheblich. Man will ihm alle die Woͤrter rauben,
wo nicht ein kurzer Vocal vorhergeht. Denn man ent-
zieht ihm nicht nur diejenigen, da ein ſtummer Buchſta-
be vor ihm ſteht, als Salz, Glanz, Herz, u. ſ. w. ſon-
dern man will ihm auch diejenigen abdringen, wo ein
Doppellaut, oder ſonſt ein langer Vocal vorhergeht, als
Weizen, ſchneuzen, u. d. g. Andrer gar zu heftigen
Feinde zugeſchweigen, die es gar durchgehends ausmu-
ſtern wollen; und wohl gar in Katzen, Geſetzen, Spi-
tzen und ſtutzen ausmuſtern wollen: wo es doch, ein dop-
peltes z vorzuſtellen, unumgaͤnglich von noͤthen iſt.

Hierauf ſchwieg das Oo, und das Y raͤuſperte
ſich den Beſchluß zu machen.

Jch bin der letzte Klaͤger, verſtaͤndigſte Richterin-
nen, ob mich wohl viele aus der Zahl der Zwillinge aus-
ſchlieſſen wollen. Man iſt gar zu tyranniſch auf mich er-
zuͤrnet. Jch ſoll nicht nur in der Mitte, ſondern gar am
Ende der Woͤrter verbannet werden, indem einige, bei,
ſei, frei, drei, zwei,
u. ſ. w. ſchreiben wollen. Wie heß-
lich dieſes aber ins Auge faͤllt, moͤgen meine Wiederſa-
cher ſelbſt richten: ich kan mich wenigſtens auf keine beſ-

ſere
F 5
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[89/0318] Von der Rechtſchreibung. hen: Sondern man will ihm auch unſtreitige Eigen- thuͤmer rauben; die es wegen der Analogie mit der Plattdeutſchen oder Niederſaͤchſiſchen Sprache beſitzen muß. Dahin gehoͤrt, das Thun, die That, die Endi- gungsſylbe thum; der Muth, der Rath, das Thor, das Thier, die Thuͤre, der Thum, der Thor und die Noth, und viele andre, die augenſcheinlich das th deswegen ha- ben, weil ſie im Plattdeutſchen ein D haben, und alſo nicht ſo hart, ſondern etwas ſanfter und milder, als das T ausgeſprochen werden ſollen: wie auch in ſehr vielen Provinzen Deutſchlandes wirklich geſchieht. Das Tz anlangend, ſo iſt deſſen Klage nicht weni- ger erheblich. Man will ihm alle die Woͤrter rauben, wo nicht ein kurzer Vocal vorhergeht. Denn man ent- zieht ihm nicht nur diejenigen, da ein ſtummer Buchſta- be vor ihm ſteht, als Salz, Glanz, Herz, u. ſ. w. ſon- dern man will ihm auch diejenigen abdringen, wo ein Doppellaut, oder ſonſt ein langer Vocal vorhergeht, als Weizen, ſchneuzen, u. d. g. Andrer gar zu heftigen Feinde zugeſchweigen, die es gar durchgehends ausmu- ſtern wollen; und wohl gar in Katzen, Geſetzen, Spi- tzen und ſtutzen ausmuſtern wollen: wo es doch, ein dop- peltes z vorzuſtellen, unumgaͤnglich von noͤthen iſt. Hierauf ſchwieg das Oo, und das Y raͤuſperte ſich den Beſchluß zu machen. Jch bin der letzte Klaͤger, verſtaͤndigſte Richterin- nen, ob mich wohl viele aus der Zahl der Zwillinge aus- ſchlieſſen wollen. Man iſt gar zu tyranniſch auf mich er- zuͤrnet. Jch ſoll nicht nur in der Mitte, ſondern gar am Ende der Woͤrter verbannet werden, indem einige, bei, ſei, frei, drei, zwei, u. ſ. w. ſchreiben wollen. Wie heß- lich dieſes aber ins Auge faͤllt, moͤgen meine Wiederſa- cher ſelbſt richten: ich kan mich wenigſtens auf keine beſ- ſere F 5

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Zitationshilfe: [Gessner, Christian Friedrich]: Die so nöthig als nützliche Buchdruckerkunst und Schriftgießerey. Bd. 1. Leipzig, 1740, S. 89. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gessner_buchdruckerkunst01_1740/318>, abgerufen am 22.11.2024.